Die Wahrheit: Ungetoastetes Brot mit Schlafstörung

Stromausfallszenarien gibt es nicht nur in New York, sondern auch in der irischen Provinz. Blöd, wenn man noch im Schlaf auf Strom angewiesen ist.

Bernie sieht grauenhaft aus. Und so fühlt er sich auch. „Vorige Nacht gab es mehrere Stromausfälle“, stöhnt er. Die hatte es auch in den sechs Tagen zuvor in Fanore an der irischen Westküste gegeben. Die meisten seien doch nachts gewesen, wende ich ein. „Eben“, antwortet er. „Normale Menschen haben das vermutlich gar nicht bemerkt, aber ich leide unter Schlafapnoe und muss mit einer Maske schlafen, die mir Luft in die Lungen pustet.“

Als der Strom ausfiel, bekam Bernie keine Luft mehr und wachte auf. Dann versuchte er, ohne die Maske zu schlafen. Als er endlich eingenickt war, schaltete sich der Strom ein, und das Beatmungsgerät meldete sich mit einem Pfeifton zurück, sodass Bernie erneut erwachte. Er setzte sich die Apnoe-Maske auf und schlief nach einer Weile wieder ein. Dann kam der nächste Stromausfall.

Danach war er so genervt, dass an Schlaf nicht mehr zu denken war. So stand er auf, schmierte sich ein ungetoastetes Toastbrot und trank ein Glas kalte Milch. Kaum hatte er das karge Frühstück heruntergewürgt, kam wie zum Hohn der Strom zurück.

„Das Schlimmste aber ist, dass ich meinem Cousin vor drei Wochen eine Ansichtskarte nach New York geschickt habe, um damit anzugeben, dass die USA ohne irische Auswanderer ziemlich alt aussähen“, sagt Bernie. „Ich frankierte die Karte mit den Briefmarken, auf denen die vier Astronautinnen und Astronauten irischer Herkunft abgebildet sind, darunter Neil Armstrong, der erste Mensch auf dem Mond.“ Sie sollten den Boss des Elektrizitätswerks auf den Mond schießen, fügte Bernie hinzu.

Elektrischer Startschuss

Vorigen Donnerstag vor 74 Jahren wurde der Startschuss für das ländliche Elektrifizierungsprogramm gegeben. Fanore ist im April 1953 nach einem Jahr Bauzeit ans nationale Stromnetz angeschlossen worden. „Seitdem hat man sich offenbar nicht mehr um die Leitungen in unserem Dorf gekümmert“, lästert Bernie. „Und wir sind erst am Anfang der stürmischen Jahreszeit.“

Als die Strommasten damals errichtet wurden, waren nicht alle begeistert. Manche hielten es für neumodischen Quatsch, der zudem gefährlich sei. Bauern waren wütend, weil die Strommasten nicht am Rand der Felder, sondern mittendrauf platziert wurden. Dieses Verfahren war für die Arbeiter einfacher, erschwerte den Bauern aber das Pflügen. Hauptgrund für die Ablehnung war jedoch, dass die meisten Menschen im Westen der Insel knapp über die Runden kamen und keine Lust auf eine monatliche Rechnung hatten.

„Der Cousin hat mir als Retourkutsche einen Brief aus den USA geschickt, frankiert mit einer irischen Briefmarke für zwei Pence aus dem Jahr 1930 zur damaligen Einweihung des Wasserkraftwerks am Shannon“, sagt Bernie empört. „Dass er sich über unser marodes Stromnetz lustig macht, hätte ich ihm verziehen. Aber ich musste auch noch Strafporto bezahlen, weil die Marke in Irland nicht mehr gültig ist und sie in den USA nie gültig war.“

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Geboren 1954 in Berlin. 1976 bis 1977 Aufenthalt in Belfast als Deutschlehrer. 1984 nach 22 Semestern Studium an der Freien Universität Berlin Diplom als Wirtschaftspädagoge ohne Aussicht auf einen Job. Deshalb 1985 Umzug nach Dublin und erste Versuche als Irland-Korrespondent für die taz, zwei Jahre später auch für Großbritannien zuständig. Und dabei ist es bisher geblieben. Verfasser unzähliger Bücher und Reiseführer über Irland, England und Schottland. U.a.: „Irland. Tückische Insel“, „In Schlucken zwei Spechte“ (mit Harry Rowohlt), „Nichts gegen Iren“, „Der gläserne Trinker“, "Türzwerge schlägt man nicht", "Zocken mit Jesus" (alle Edition Tiamat), „Dublin Blues“ (Rotbuch), "Mein Irland" (Mare) etc. www.sotscheck.net

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kari

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