Die Wahrheit: Der Erlediger
Was Frau sich wirklich wünscht: einen profund ausgebildeten, tiefgreifend befähigten und willenskräftigen Totalerlediger.
F reundin Uli meinte neulich, was sie im Haushalt und überhaupt im Sinne einer sinnvollen und folglich abgechillten Alltagswupperei bräuchte, das wäre ein Erlediger.
Nein, nicht so einen Graukittel und Pedell, so einen übellaunigen und obendrein praktisch nie greifbaren Hausbesorger, so einen abartig antriebslosen Abwart, „um Gottes willen, bleib mir weg mit diesen Leuten!“, sondern einen profund ausgebildeten oder immerhin tiefgreifend befähigten oder eher willenskräftigen Erlediger bräuchte sie, so einen Totalerlediger, der von vorne bis hinten alles in Grund und Boden erledige, auf dass hernach aber auch gar nichts mehr übriggeblieben sei vom vordem zu Erledigenden.
Ich sagte, der Erlediger wäre ja eine geradezu paradigmatische Figur von oder für Gerhard Polt. Das wäre ihr wohl recht, sagte Uli, Polt sei ohnehin der Größte, aber eine Bühnennummer von Polt, die „Der Erlediger“ hieße, hülfe ihr ja keinen Millimeter weiter, „verdammter Scheißdreck!“, wie sie mit einem knappen Ächzen hinzufügte. „Da hilft mir doch so ein Polt nichts!“
Es sei nun indes nicht so, fuhr Uli fort, dass sie einen Erlediger erheische, weil sie einen hirnverbrannten Job habe und alleinerziehende Mutter sei. Nein, seit dreißig Jahren schon sehne sie einen richtigen und regelrechten und regelgerechten Erlediger herbei, einen Erlediger, der etwa den Garten erledige, doch das sei das Geringste. Im Konzept des Erledigers schwebe ihr vielmehr ein echter Detailerlediger vor, ein Allround-Abhilfeschaffer, ein Universalwegräumer, ein Genie der Daseinsführung gewissermaßen, ein Erlediger: „Der mir diese verfickten Fährnisse und Zumutungen der Existenzbewältigung vom Hals schafft!“
Unerledigter Erlediger
Ich fragte sie, ob sie das genauer erläutern könne. „Ach, hör doch auf! Weißt du doch selber! Du gehst zum Briefkasten, holst den Schmodder raus und reichst den ganzen Mist über die Schulter dem hinter dir wartenden Erlediger. Du brauchst einen Eimer Beautycreme und der Erlediger erledigt das. Das Telefon klingelt, und wer nimmt ab? Der Nachbar schmeißt die Steinflex an, und wer macht ihn auf der Stelle zur Minna? Der Typ gestern Abend in der Bar hat dich verarscht, und wer zeigt dem am Tag danach die Instrumente? Die verblödete ‚Tagesschau‘ raubt dir wie immer die letzten Nerven, und wer haut stante pede die Beschwerdemail raus, um den Idioten da oben in Hamburg beizubiegen, was Journalismus ist? Kapiert?
So ein Erlediger kennt nichts, nichts“, ein wohliger Laut entströmte ihrer schönen Kehle, „aaah, der kennt nichts, was er nicht sofort vollkommen wegzuerledigen in der Lage wäre. Müll: raus. Abwasch: weg. Zugverbindung? Bitte sehr. Ein knackiger Drink gefällig? Here we are. Noch Fragen?“
Hatte ich nicht mehr – bis auf eine. Denn was ist so ein Erlediger wohl nach Erledigung von allem zu Erledigendem? Erledigt?
Papperlapapp. Unvermindert ledig ist er. So undankbar sind unsere Frauen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Schwedens Energiepolitik
Blind für die Gefahren