Die Wahrheit: Van der Schreckliche
Zugegeben: „Astral Weeks“ von 1968 und die Them-Platten von vorher waren klasse. Aber Van Morrison hat leider trotzdem einen Schuss.
M an hatte lange nichts von ihm gehört, und das war gut so. Jetzt hat er sich bedauerlicherweise wieder zu Wort gemeldet. „Wir sind geboren, um frei zu sein“, singt der Belfaster Musiker Van Morrison in einem seiner neuen Lieder. Das ist nicht sehr originell. Das haben Ton Steine Scherben bereits 1972 gesungen, und zwar mit intelligenterem Anliegen.
Morrison hingegen beschimpft Wissenschaftler, die seiner Meinung nach Fakten verdrehen, um der Menschheit Coronarestriktionen aufzuzwingen. Das neue Normal sei nicht normal, findet er. Um dagegen zu protestieren, will Morrison alle zwei Wochen einen Protestsong veröffentlichen. Der erste, „Born To Be Free“, erschien am Freitag.
In „No More Lockdown“ verunglimpft er die britische Regierung als „faschistische Tyrannen“. Man kann Boris Johnson ja viel nachsagen, aber ein faschistischer Tyrann? Morrison will sich die „von Gott gegebenen Rechte“ nicht wegnehmen lassen. Er wurde mal gefragt, was er von Religion halte. „Ich würde sie nicht mit der Kneifzange anfassen“, antwortete er. Tatsächlich?
In seiner Jugend war er Zeuge Jehovas. Dann ging er zu den Scientologen und dankte dem Sektenchef L. Ron Hubbard 1983 auf einem Plattencover. Später wurde er Mitglied beim Kult Agape, dem griechischen Wort für bedingungslose Liebe – für Gott. Jetzt ist er Christ. Seine pseudoreligiösen Texte sind zunehmend nervtötend. Nun beschwert er sich auch noch lauthals über die Abstandsregeln bei seinen Konzerten. Er soll froh sein, dass überhaupt jemand kommt. Es sind wohl Menschen, die vorher noch nie bei einem Van-Morrison-Konzert gewesen sind. Diese Konzerte sind Verarschungen des Publikums. Manchmal dauern sie nicht mal eine Stunde, und bisweilen dreht er dem Publikum während des gesamten Konzerts den Rücken zu. Es ist auch schon vorgekommen, dass er aus dem Backstage-Bereich heraus gespielt hat und die zahlenden Besucher auf eine leere Bühne starren mussten.
Streit mit den Chieftains
Zugegeben, „Astral Weeks“ von 1968 und „Irish Heartbeat“, das er zwanzig Jahre später mit der irischen Band The Chieftains aufgenommen hat, sind klasse. Aus der geplanten langen Tournee wurde damals aber nichts, weil Van Morrison sich mit den Chieftains zerstritten hatte. Es gebe zwei Arten von Menschen auf der Welt, so sagt man: diejenigen, die Van Morrison mögen, und diejenigen, die ihn kennen.
Vorigen Monat ist er 75 geworden. Zum 70. Geburtstag hatte Königin Elisabeth ihn geadelt. Seitdem darf er sich Sir George Ivan Morrison nennen, was er auch tut.
In einer nicht autorisierten Biografie heißt es, dass sich Van Morrison schon als Teenager hässlich fand. Aber das ist nebensächlich. Frank Zappa, ein um viele Längen besserer Musiker als Van Morrison, fragte 1968 in einem Song: „Was ist der hässlichste Teil deines Körpers?“ Zappas Antwort gilt heute für Van Morrison: „I think it’s your mind.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Scholz bezeichnet russischen Raketeneinsatz als „furchtbare Eskalation“
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung