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Die WahrheitDer die Gänsehaut macht

Ein Schurke, der die Welt beherrschen wollte, aber nach kurzer Zeit scheiterte: der Möchtegern-Ministerpräsident Thomas „Skinhead“ Kemmerich

Spielt mit seiner Glatze als Symbol: Thomas Kemmerich Foto: Reuters

Erst brachte er nur Thüringen durcheinander, dann Deutschland zum Schäumen, schließlich eine der mächtigsten Politikerinnen in Berlin auf null: Thomas Kemmerich hatte eine Wahl weit draußen in Erfurt gewonnen, und alles geriet ins Rutschen. Wer ist oder besser war Thomas Kemmerich?

Politisch wache Leser erinnern sich: Am Mittwoch, dem 5. Februar 2020, hing sein Himmel voller Geigen, denn soeben hatte man ihn zum mächtigsten Thüringer gewählt und das Land vor der roten Gefahr bewahrt. Thomas Kemmerich war von CDU, FDP und AfD auf den höchsten Stuhl Erfurts berufen worden, damit nicht länger unter einer links gestrickten Regierung Wirtschaft und Gesellschaft ausgehöhlt, die Schulkinder marxistisch gemästet, die Köpfe von Unternehmern, Ladenbesitzern und Hauseigentümern auf Stangen gespießt werden, die Felder wie unter Pol Pot gedüngt mit Liberalen, Christen und anderen famosen Deutschen!

Thomas Kemmerich sah sich bereits zuoberst in der Erfurter Staatskanzlei sitzen, vor ihm die huldigenden Abgesandten der freien Welt und unter sich Bodo Ramelow als Fußbank. Doch wie gesponnen, so zerronnen – binnen weniger Stunden zerplatzte bekanntlich der Traum. Weil er auf dem Rücken von Nazis ins höchste Amt Thüringens geritten war, schäumte die gute, alte Presse in allen Tonarten, und nachdem selbst der eigene Parteivorsitzende nach kurzen Dehnübungen ihn wie eine morsche Kartoffel hatte fallen lassen, musste er, Kemmerich, am Samstag, dem 8. Februar 2020, zurücktreten, sein Leben retten und als geschäftsführender Ministerpräsident einfach weiter auf dem Stuhl bleiben.

Als Berater half er, Betrieben und Bürgern der DDR die neuen Flötentöne beizubringen

Wenngleich nur auf Sparflamme, wäre er also nach wie vor in der Lage, ansatzweise dem in allen Farben schillernden Wahlvolk zu beweisen, dass er es auf seinen Nenner bringen kann. Trainiert hat Thomas Kemmereich hinter verborgener Tür schon seit Jahrzehnten und bereits mit einer ersten Freundin ein Kind hervorgebracht, dann mit seiner Ehefrau sechs weitere hinzugetan – und wäre also auch den zusätzlichen 2,1 Millionen Thüringern ein bestens präparierter Landesvater!

Ganz Thüringen umfrisieren

Eine weitere brummend schöne Qualifikation kommt hinzu: Er könnte, wäre er bloß fest installiert, ganz Thüringen derart umfrisieren, dass kein Erdbewohner es mehr scheel anzuschauen wagt. Geübt hat er dafür seit Ende 1989, als der gelernte und ausgereifte Einzelhandelskaufmann von Aachen in die schon heftig wackelnde DDR umzog und als Unternehmensberater half, Betrieben und Bürgern die neuen Flötentöne beizubringen. 2001 gelang es ihm sogar, das vom Kapitalismus stark angeknabberte Kombinat Friseur & Kosmetik in seine eigenen Finger zu lenken und in die Friseur Masson GmbH umzuwandeln. Um gleich allen linken Anklagen, Vorwürfen und Klischees den Saft zu nehmen: Der Geschäftsmann Kemmerich dachte dabei an sich selbst zuletzt, er ist Glatzenträger.

Ein guter Geschäftsmann denkt nicht an sich, sondern an andere, wenn es um Geld geht. Nicht anders der gute Politiker! Als 2006 in mehreren Thüringer Städten SPD-Bewerber in Oberbürgermeister umgewandelt wurden und der Ausbruch des Sozialismus drohte, sprang er mit Sack und Pack zur FDP hinüber, stürmte mit Stiefeln an den eigenen Füßen und Glatze über dem Hirn erst den Erfurter Stadtrat, 2009 den Landtag und 2017 sogar den Bundestag.

Doch im Herbst 2019, niemand hatte ihn in Berlin überraschend mit den Stimmen der AfD zum Kanzler gewählt und gesalbt, zog er sich zurück und beschloss, lieber wieder in Thüringen zuzustechen. Damit nehmen wir Kurs auf die Gegenwart und landen in der vorigen Woche, und was seither geschah, kann sich jeder nach seiner Façon zurechtschnitzen.

Nur so viel sei rasch hinterhergeschoben: Dass Thomas Kemmerich, der privat am 20. Februar 1965 in Aachen geboren worden war, sich 2006 der FDP anschloss, als die AfD noch nicht auf der Welt war, ist kein blinder Zufall. In Nordrhein-Westfalen war die FDP qua Geburt eine dicke Nachfolgepartei für Nazis, die noch mit Jürgen Möllemanns „18“-Kampagne ihre breite Bremsspur in der Partei hinterließen. Ein gewisser A. Hitler lässt alphabetisch grüßen.

Und damit überlassen wir Thomas Kemmerich sich selber. Mehr als lange fünfzehn Minuten war er weltberühmt in Deutschland. Alle anderen aber schauen jetzt voller Gänsehaut zu, wie das soeben noch in den Eierschalen befindliche Jahr 2020 sich entwickelt!

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3 Kommentare

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  • 8G
    82286 (Profil gelöscht)

    Ehrlich ?



    Ich halte überhaupt nichts von fremdiagnostizierten scheinbaren körperlichen Mängeln. Auch nicht in der Wahrheit.



    Einem Profi sollten sich da elegantere Schneisen auftun.

  • Ach herm. But.

    Ergänzt noch dess.



    Er. Erklomm die höhere sittliche Reife 1984 am Bischöflichen Pius-Gymnasium!



    Zu Aken - auch als High Chaparall & Charlemagne-Town - bekannt.



    “Das Bischöfliche Pius-Gymnasium ist ein in der Trägerschaft des



    Bistums Aachen stehendes Gymnasium in Aachen, dessen Gründung 1956 von Bischof Johannes Pohlschneider initiiert wurde.



    Das Gymnasium, benannt nach Papst Pius X., wurde 1956 als Aufbaugymnasium von Bischof Johannes Pohlschneider und seinem Generalvikar Prälat Anton Josef Wäckers ins Leben gerufen.



    Bei seiner Gründung hatte es bereits ältere Wurzeln, nämlich das von Bischof Johannes Joseph van der Velden errichtete Bischöfliche Konvikt, später Studienheim Haus Eich.



    & Däh!



    1991 wurden zum ersten Mal auch Mädchen in die Klassen 5 und 11 aufgenommen. Die Schule wurde vierzügig, vorübergehend in Teilen auch fünfzügig.“

    Na bitte. Geht doch. Alte Printe.

    unterm——-



    de.wikipedia.org/w...s-Gymnasium_Aachen

    Ende des Vorstehenden

  • Wer von der "taz-Wahrheit" eh kaum noch fetzige Satire erwartet, kann von diesem dürren Geschreibsel auch nicht mehr enttäuscht werden.

    Da hätte der Peter mit dem vielversprechenden Namen Köhler vielleicht doch noch die eine oder andere bekannte Info über den Aachenflüchtling einbauen können, die etwas mehr satirisch aufzubereitenden Background hergegeben hätte als die piefige Nachricht über die unterschiedliche Erzeugungsmodalitäten seiner siebenköpfigen (haha, für die taz-Wahrheitseite offenbar witzig!) Nachkommenschaft.







    Wozu brauchen wir eine Satire-Seite, wenn echte Treffer nur nach oft wochenlangen Durststrecken zu finden sind ?