Die Wahrheit: In der Habeckmesserei
Kurz vor Weihnachten hat Robert Habeck vorgeschlagen, minderjährige Flüchtlinge aufzunehmen. Seine Kritiker haben bei ihm „Hypermoral“ entdeckt.
K urz vor Weihnachten hat der Grünen-Dualchef Robert Habeck vorgeschlagen, Deutschland solle doch bitte 4.000 unbegleitete Minderjährige aufnehme. Kinder also, die derzeit ohne Spielkonsole, Reitunterricht, Klavierstunden und vegane Ernährung auf griechischen Inseln in Zeltlagern herumlungern.
Schon wollen Menschenrechtler bereits erste Anzeichen von Langeweile unter den halbwüchsigen Abenteuerurlaubern ausgemacht haben. Überdies sollen vor Ort bereits vereinzelte Rotznasen ihre Ausbildung zu IT-Spezialisten oder Ingenieuren, Germanisten oder Genderforschern schleifen lassen. Eine bedenkliche Entwicklung, fürwahr.
Nun ziert es generell die Grünen in ihrer Güte, allzu überhitzte Grausamkeit wieder in „wohltemperierte Grausamkeit“ (B. Höcke) rückverwandeln zu wollen. Wenigstens zur Besinnlichkeitszeit, wenn die Menschen weich und empfänglich sind für symbolische Gesten der Nächstenliebe. Und damit es uns nicht gar so weh tut, wenn wir – leider, leider – Schmerzen zufügen müssen.
Eine wache statt „woke“ Öffentlichkeit, die ihren Realitätssinn nicht von der Heinrich-Böll-Stiftung oder aus dem taz Shop bezogen, sondern an Denkern wie Carl Schmitt oder Oswald Spengler geschult hat, konnte Robert Habeck sein heuchlerisches Public-Relation-Geflenne selbstverständlich nicht durchgehen lassen. Der Berliner Tageszeitung Die Welt kommt das Verdienst zu, den Hinweis der Grünen „auf sich selbst als die Besseren“ (U. Johnson) auf den Begriff gebracht zu haben: Hypermoral.
Dieser Begriff stammt von Arnold Gehlen, dem finsteren Gegenspieler von Theodor W. Adorno. Demnach wird eine gesättigte Gesellschaft von einer „Hypertrophie der Moralität“ ergriffen und muss, weil es ihr nun mal einfach zu gut geht, „sich selbst umarmen“. Oder aber, in Übersprungshandlung, geflüchtete Kinder am Rand des Kontinents. Bei diesen Moralisten muss man einfach furchtbar aufpassen, sonst geht’s mit ihnen durch.
Wer nicht hypermoralisch handelt, verlegt sich sonst möglicherweise auf den Paramoralismus – eine Haltung, die Moral ähnlich sieht, aber keine ist. Tückisch sind auch submoralische oder inframoralische Ansprüche, die sicherheitshalber unter dem moralisch Möglichen bleiben. Extramoralismus hat mit Moral rein gar nichts mehr zu tun, Multimoralismus kennt mehr als nur eine Moral. Äquimoralismus hält Abstand zu unterschiedlichen Moralvorstellungen, während der Ambimoralist gleich mehreren Ansprüchen genügt. Auch sollte, unseren polarisierten Zeiten entsprechend, rechter Dextro- von linkem Laevomoralismus unterschieden werden.
Der Trick ist, auf diese Weise die ordinäre Normalmoral zum Verschwinden zu bringen. Wer so denkt, denkt bereits postmoralisch – und ist damit erst in Europa angekommen. Oder, wie H.P. Baxxter von Scooter sagt: „Hyper, Hyper!“
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