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Die WahrheitHeimlicher Hitler

Anke Richter
Kolumne
von Anke Richter

Neues aus Neuseeland: Auch im Land der weißen Wolke streitet man um das richtige Gedenken an Anne Frank.

G estern wäre Anne Frank 90 Jahre alt geworden. Gefeiert, betrauert und zitiert wurde sie auch in Wellington. Ihr unsterbliches Tagebuch ist nämlich diese Woche in einer der schönsten Sprachen der Welt erschienen: auf Maori. „Das Tagebuch eines jungen Mädchens“, verlegt vom Holocaust Centre Neuseelands, heißt „Te Rātaka a Tētahi Kōhine“.

Die Präsentation der 73. Übersetzung des holländischen Originals ging im Nationalmuseum Te Papa im Beisein des deutschen Botschafters, zweier Rabbiner und anderer Würdenträger über die Bühne – mit Haka. Das hielt zumindest die Anwesenden an jenem Abend von einem fragwürdigeren Kulturspektakel mit Anne Frank ab: von der neuen Netflix-Show „Historical Roasts“ von Stand-up-Comedian Jeff Ross. Darin zanken sich Größen wie Abraham Lincoln oder Kleopatra auf der Bühne.

In einer Folge treten auch Anne Frank und Adolf Hitler auf. „Alle kennen dich als Heldin und Bestseller-Autorin“, sagt er zu ihr, „aber für mich wirst du immer die kleine Nummer 825060 sein.“ Obwohl die Episode von Juden verfasst und gespielt wurde, war die Entrüstung weltweit groß. Australische Holocaust-Überlebende protestierten letzte Woche gegen die Ausstrahlung.

„Netflix hat alle Grenzen des moralischen Anstands überschritten“, so Dvir Abramovich von der Anti-Defamation Commission in Melbourne. „Ein bestialischer Diktator, der für die Auslöschung von sechs Millio­nen Juden und den Tod von Anne Frank verantwortlich ist, ist nicht lustig oder amüsant. Medienkonzerne haben eine Verantwortung, des Holocaust angemessen und respektvoll zu gedenken, nicht als Material für eine krasse Pointe.“

Den Satz kann sich die Firma Disney schon mal merken. Denn sie bringt im Oktober das neueste Werk von Taika Waititi heraus: eine Komödie mit Hitler-Persiflage. In „Jojo Rabbit“, basierend auf dem Roman der neuseeländisch-belgischen Schriftstellerin Christine Leunens, geht es um einen kleinen deutschen Jungen im Dritten Reich. Jojo Betzler verehrt den Führer und die Nazis so sehr, dass er sich Hitler als imaginären Freund erschafft – bis er entdeckt, dass seine Mutter, gespielt von Scarlett Johansson, ein jüdisches Mädchen auf dem Speicher versteckt (nein, keine Anne).

Waititi, seit „Thor: Ragnarok“ der Kiwi-Superstar in Hollywood, hat nicht nur das Drehbuch geschrieben und führt Regie, sondern wird auch das personifizierte Böse im Braunhemd verkörpern. „Ich musste dafür nichts recherchieren“, hat er dem Deadline-Magazin gerade vorab verraten. „Ich habe Hitler einfach zu einer Fassung von mir gemacht, mit schlechter Frisur und einem beschissenen Schnauzbart. Und einem mittelmäßigen deutschen Akzent.“

Angst vor dem gleichen Ärger wie US-Comedian Jeff Ross scheint er nicht zu haben. Die Neuseeländer, sagt Waititi, seien selten provokativ oder shocking: „Wir sind einfach zu verlegen und schüchtern dafür.“

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Anke Richter
Anke Richter ist Wahrheit-Kolumnistin, Buch-Autorin und Mitglied von Weltreporter.net in Neuseeland. Zuletzt erschien von ihr die Auswanderersatire "Was scheren mich die Schafe. Unter Neuseeländern - Eine Verwandlung" (Kiepenheuer & Witsch).
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