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Die WahrheitVergnügungssteuerpflichtige Verordnungen

Kolumne
von Jan Kaiser

Entweder Juristen langweilen sich, oder sie kiffen zu viel. Anders lassen sich manche von ihnen erarbeitete wunderliche Gesetze nicht verstehen.

E rstens Ausdruckstänzer, zweitens Moraltheologe! Das waren meine beiden Berufswünsche nach der Schule. Doch am Ende wurde ich Richter. Die Juristerei jedoch ist eine arg trockene Scheibe Brot. Und wenn man sie sich nicht stets schön feucht hält, dann drohen Folgeschäden an Leib und Seele. Wer täglich im Eisenbahnkreuzungsgesetz blättert, das bis heute in Kraft ist, oder im Rindfleischetikettierungsüberwachungsaufgabenübertragungsgesetz, das zum Bedauern aller Freunde bekloppter Gesetzesnamen leider 2013 aufgehoben wurde, der braucht reichlich Hornhaut auf den Nerven. Und Ablenkung.

Man sollte deshalb zumindest zwischendurch spaßeshalber mal in die Hundewelpenfellflauschigkeitsverordnung hineinschauen. Die ist zwar nur ausgedacht, aber keinen Juristen, der was auf sich hält, würde es verwundern, wenn sie demnächst trotzdem im Bundesgesetzblatt stünde. Ich nutze daher die Gelegenheit, um an dieser Stelle nachdrücklich eine Hundewelpenfellflauschigkeitsverordnung zu fordern! Und eine direkt dem Kanzleramt unterstellte Behörde in Paderborn, die über ihre Einhaltung wacht!

Ich war zehn Jahre lang Richter im Lüneburgischen, heute widme ich mich allein der Juristenausbildung. Der Prüfungsstoff ist langweilig und selten vergnügungssteuerpflichtig. Daher vermisse ich sie richtig, die Gesetze und Verordnungen aus dem juristischen Arbeitsalltag, die auf den ersten Blick klingen, als hätte man in Berlin oder Brüssel gekifft.

Schon ein Blick auf § 328 Absatz 2 Nr. 3 Strafgesetzbuch schärft das Unrechtsbewusstsein ungemein. Hiernach wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wer eine nukleare Explosion verursacht. Und beachten Sie gerade jetzt zur Frühlingszeit bei Wandertouren in größeren Verbänden bitte auch § 27 Absatz 6 Straßenverkehrsordnung. Demgemäß darf auf Brücken nicht im Gleichschritt marschiert werden.

Ein Meisterwerk juristischer Sprachversaubeutelung konnte man auch lange Zeit bei § 49 der Allgemeinen Dienstanweisung der Deutschen Bundespost lesen, wo es wirklich und wahrhaftig hieß: „Der Wertsack ist ein Beutel, der aufgrund seiner besonderen Verwendung im Postbeförderungsdienst nicht Wertbeutel, sondern Wertsack genannt wird, weil sein Inhalt aus mehreren Wertbeuteln besteht, die in den Wertsack nicht verbeutelt, sondern versackt werden.“

Mit diesem Satz können Sie an der Sektbar beim Ball der Deutschen Postgewerkschaft noch heute jeden rumkriegen! In seiner unbestechlichen Logik und kühlen Eleganz unübertrefflich war jedoch der legendäre frühere § 26 des Landesreisekostengesetzes Nordrhein-Westfalen. Stirbt ein Beamter auf Dienstreise, so vermerkte der Gesetzgeber in unendlicher Weisheit, war demnach die Dienstreise – wie jetzt auch diese kleine Ausschweifung – „beendet“.

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8 Kommentare

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  • Ja - im Lüneburgschen gedeit dit un dat

    Un - vollständig sech ik di dat:



    “In Dienstanfängerkreisen kommen immer wieder Verwechslungen der Begriffe "Wertsack", "Wertbeutel", "Versackbeutel" und "Wertpaketsack" vor. Um diesem Übel abzuhelfen, ist das folgende Merkblatt dem § 49 der ADA vorzuheften:

    Der Wertsack ist ein Beutel, der auf Grund seiner besonderen Verwendung im Postbeförderungsdienst nicht Wertbeutel, sondern Wertsack genannt wird, weil sein Inhalt aus mehreren Wertbeuteln besteht, die in den Wertsack nicht verbeutelt, sondern versackt werden. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass die zur Bezeichnung des Wertsackes verwendete Wertbeutelfahne auch bei einem Wertsack mit Wertbeutelfahne bezeichnet wird und nicht mit Wertsackfahne, Wertsackbeutelfahne oder Wertbeutelsackfahne. Sollte sich bei der Inhaltsfeststellung eines Wertsackes herausstellen, dass ein in einen Wertsack versackter Wertbeutel hätte versackt werden müssen, so ist die in Frage kommende Versackstelle unverzüglich zu benachrichtigen. Nach seiner Entleerung wird der Wertsack wieder zu einem Beutel, und er ist auch bei der Beutelzählung nicht als Sack, sonder als Beutel zu zählen. Bei einem im Ladezettel mit dem Vermerk "Wertsack" eingetragenen Beutel handelt es sich jedoch nicht um einen Wertsack, sondern um einen Wertpaketsack, weil ein Wertsack im Ladezettel nicht als solcher bezeichnet wird, sondern lediglich durch den Vermerk "versackt" darauf hingewiesen wird, dass es sich bei dem versackten Wertbeutel um einen Wertsack und nicht um einen ausdrücklich mit "Wertsack" bezeichneten Wertpaketsack handelt. Verwechslungen sind insofern im Übrigen ausgeschlossen, als jeder Postangehörige weiß, dass ein mit Wertsack bezeichneter Beutel kein Wertsack, sondern ein Wertpaketsack ist.

    (Aus einer amtlichen Verlautbarung der deutschen Post)

    kurz - Wer’s kann - macht's.



    Wer nicht - lehrt‘s oder bildet aus.

    ff liggers - Fundstelle - Ooch klar. 👺

    • @Lowandorder:

      ff - Fundstelle

      www.jetzt.de/usert...ckt-werden-muessen

      Eben & die Kollegen hätten mich bei ner Weihnachtsfeier aber - Gebeutelt.



      Wenn ich‘s so derart rudimentär & damit - Versaubeutelt hätte.

      unterm—“Vor dem Roten Tore“ —LG -



      Da tat ich mal die Ilmenau durchwaten.



      Ming Tant Frau OB - ein Teufelsbraten.



      &



      In Rettmer a Fraternisier-Tommy-Fest! Liggers - door bün ik ook all wesst!



      & Däh - Wiewohl noch nich Jurischd -



      First time - Schlohweißes drüsches Brot



      Nù. Sapperlot - mit nem Blatt Salat.



      “Sandwich“! Ich sacht “Ei verbibbscht!“



      Damit war aber nu auch jedem klar.



      Dat ik to Beseuk un frisch ut Halle war.

      • 9G
        91690 (Profil gelöscht)
        @Lowandorder:

        Und wieder 50% Worthülsen Schade

        • @91690 (Profil gelöscht):

          Ach was!

          Jung - die Flinte streut.



          &



          Volkers 👄 Balin “…steck mal de Plempe wech!"

  • Nur am Rande des spaßigen Beitrags: Alle diese Formulierungen stammen von Juristen.

    Die sich anschließend darüber lustig machen.

    Jura ist ein Paralleluniversum mit eigenen Regeln, einer sehr schlichten und durch durch häufige Wiederholungen geprägte Sprache und insgesamt total konservativ und unempathisch.

    Lachen kommt da nur in höhnischer Form vor.

  • Brücke+ Gleichschritt= Resonanzkatastrophe

    Am 12. oder 14. April 1831 marschierten 74 britische Soldaten über die Broughton Suspension Bridge. Die Brücke stürzte ein; 40 Soldaten fielen in die Irwell, 20 von ihnen wurden verletzt, sechs schwer. Manche führen dies auf den Resonanzeffekt zurück.[

  • Der Wertsack kommt ja auch von der POST



    Personen



    Ohne



    Sinnvolle



    Tätigkeit

    Ich möchte keinem Postler zu nahe treten. Ich war selber in jungen Jahren Briefträger.



    Ich kenne auch ausgeprochen hilfsbereite und kompetente Postler.



    Aber mit der Organisation ist es wie mit der Kirche und in der Juristerei...