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Die WahrheitGenderkrieg in Hannover*in

Hartmut El Kurdi
Kolumne
von Hartmut El Kurdi

In Niedersachsens Landeshauptstadt wurde der Untergang des Sprachlandes ausgerufen und wieder abgesagt. Die Bevölkerung bleibt gelassen.

M itte Januar veröffentlichte die Stadt Hannover ein Faltblättchen unter dem Titel „Empfehlungen für eine geschlechtergerechte Verwaltungssprache“. Seitdem herrscht Krieg in der niedersächsischen Landeshauptstadt. Zumindest hätten das einige gern.

Die AfD behauptet, Hannover mache sich „bundesweit zum Gespött“, der Versicherungskaufmann und Ex-FDP-Bundesgeneralsekretär Patrick Döring ruft heroisch zum Widerstand in Form eines Boykotts der Empfehlungen auf und die CDU mutiert plötzlich zu einer sprachwissenschaftlichen Akademie: Wenn aus Lehrerinnen und Lehrern Lehrende werden, werde das Partizip falsch angewandt, „weil in Wahrheit Lehrer nur dann Lehrende sind, wenn sie vor der Klasse stehen.“

Obwohl die Mehrheit der Bevölkerung selbstverständlich froh ist, endlich mal von CDU-Juristen erklärt zu bekommen, was Wörter „in Wahrheit“ bedeuten, bleibt sie gelassen. Weil es einfach zu offensichtlich ist, dass Rechtspopulisten eine Selbstverständlichkeit zu einem Kampf um Leben und Tod aufblasen und CDU und FDP, wie so oft, versuchen, auf den entgleisenden Zug aufzuspringen.

Denn es geht in dieser städtischen Broschüre weder um Literatur, noch um Privatkorrespondenz oder umgangssprachliches Geplauder, sondern um Sprachvorschläge für die Verwaltung. Und Verwaltungsdeutsch ist seit jeher alles andere – nur kein Deutsch. Ein Satz wie „Der Widerspruch hat keine aufschiebende Wirkung“ ist ein hässliches, widerwärtiges, sofortigen Brechdurchfall hervorrufendes Gebilde. Man könnte stattdessen schreiben: „Auch wenn Sie Widerspruch einreichen, müssen Sie zunächst einmal zahlen.“ Macht man aber nicht. Gern bekäme man auch erklärt, was sich „in Wahrheit“ hinter Wörtern wie „Spontanvegetation“, „Schrammbord“ oder „Lichtraumprofil“ verbirgt.

Die Broschüre versucht lediglich, eine Sprache zu verwenden, die niemanden aufgrund des Geschlechts ausschließt. Dazu wird unter anderem empfohlen, statt „Rednerliste“ „Redeliste“ zu benutzen oder statt der Formulierung „Protokollführer ist“ künftig „das Protokoll schreibt“. Und wenn keine neutrale Variante möglich ist, wird die Benutzung des „Gendersternchens“ nahe gelegt. Was an dem Wort „Kolleg*innen“ schlimmer sein soll als an Sprachstandsfeststellungsverfahren“ kann wahrscheinlich nur ein Tweedjackenträger verstehen.

Mein liebstes „genderismuskritisches“ Argument ist übrigens das empörte: „Als wenn wir keine anderen Probleme hätten!“ Was soll man darauf sagen? Vielleicht: Nur zu, ihr Spacken! Kümmert euch um die anderen Probleme, aber dalli: Klimawandel, Kinderarmut, Mietwucher, Steuerflucht, Rassismus – und wenn ihr dann noch Zeit habt, könnt ihr euch über die Binse aufregen, dass Sprache sich nun mal verändert. Oder darüber, dass es morgens hell und abends dunkel wird.

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Hartmut El Kurdi
Autor, Theater-Dramaturg, Performer und Musiker. Hartmut El Kurdi schreibt Theaterstücke, Hörspiele (DLF / WDR), Prosa und für die TAZ und DIE ZEIT journalistische und satirische Texte. Für die TAZ-Wahrheit kolumniert er seit 2001. Buchveröffentlichungen (Auswahl): "Revolverhelden auf Klassenfahrt", "Der Viktualien-Araber", "Mein Leben als Teilzeit-Flaneur" (Edition Tiamat) / "Angstmän" (Carlsen) / "Als die Kohle noch verzaubert war" (Klartext-Verlag)
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9 Kommentare

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  • Sprachverhunzung nun amtlich?



    Sehr geehrter Herr El Kurdi, Sie glauben doch nicht ernsthaft, dass das irgendwas bewirkt? Außer dass am Ende kaum jemand mehr die "korrekte" Sprache beherrscht bzw versteht? Deutsch ist jetzt schon eine sehr schwierige Sprache. Mit dem Gebrauch dieser idiotischen Partizipien wird es sicher nicht besser. Ein Problem der > 10 % Prozent Fraktion.

  • H - ist das nicht diese eine eine - Häuseransammlung auffe Drehscheibe



    Um Maschsee & Leine^¿*

    Die entfernte dich doch schon vor lange



    Die pöse böse Machostange.



    Von de Fahrradweghinweisschilde



    Übel nahm nämlich dess sorane Hilde.

    Na - Peu a Peu¿ - Naa. Nix so - Gemach.



    Nö. Alle & Alle!! & Auf einen Schlag.



    Der ganz hirnrissig Schilderposten.



    Tat ja auch nur schlappe250Tsd kosten.



    &



    G - Ganz annodunnemal das raaanste A



    Fand Tucho dort - “Der Buchstabe G“



    Maschy/Käsmann/Ferres&Gerdtown - Oh je - Allweil so häßlich anzuschaun.

    kurz - In Hannover an der Leine



    Ham die Mädchen schöne Beine…ff;)🎶



    &



    Die schwinge die schonn sooo lange.



    Rennrad et al. - Über jede Machostange.



    &Däh! Denn - H-genderraaaansten - wa.



    Lästig Sprachgebrauch - Na Hurdikurdi



    Na*¿^ - Na aber locker - drüber - auch!

    Na - Si’cher dat. Dat wüßt ich ever.



    Da mähtste nix. Normal & Kölle Alaaf!;)



    Hörens - Ahl Schwaadlapp - Allet Klaaf.



    Normal.

    unterm—-servíce—



    www.koelsch-woerte...f-deutsch-750.html

    • @Lowandorder:

      Na denn Prost. Kann mal einer übersetzen, bitte.

  • "Und wenn ihr dann noch Zeit habt, könnt ihr euch über die Binse aufregen, dass Sprache sich nun mal verändert."

    Erstens verändert sich, wie Karl Kraus richtig bemerkte, nicht die Sprache, sondern der Sprachgebrauch. Und zweitens ist das normalerweise das Totschlag-"Argument" derer, die die Sprache nicht oder kaum mehr beherrschen und damit ihren oft nur noch halb verständlichen, grammatisch wie semantisch fragwürdigen Quark zu rechtfertigen versuchen. Nur VERändert sich die Sprache in diesem Fall nicht quasi aus sich selbst resp. ihrem alltäglichen Gebrauch heraus, sondern wird par ordre du mufti GEändert [...]

    Kommentar gekürzt, bitte bleiben Sie sachlich. Danke, die Moderation

  • Die Genderleute behaupten, daß man eine Frau, die man mit einer männlichen Bezeichnung bezeichnet, diskriminiert, bzw. daß diese Frau sich diskriminiert fühlt. Ist das aber wirklich so ? Ich glaube das nicht. Das wird zwar behauptet, aber das stimmt nicht generell. Ich habe in meinem Leben schon in vielen Stellen gearbeitet, habe aber noch nie eine Frau getroffen, die was dagegen gehabt hat, wenn man sagte: Frau Soundso ist hier der Chef. Die meisten Leute können sehr gut zwischen dem grammatischen und dem biologischen Geschlecht scheiden. Ich als Mann fühle mich ja auch nicht diskriminiert, wenn mal eine weibliche Bezeichnung auf mich zutrifft: Herr Soundso ist bei uns die (!) Fachkraft für Vertragsgestaltung. Die (!) Geschäftsleitung hat Herr Mustermann. Kein Mann hat sich je darüber echauffiert. Was mir noch auffällt, ist die Rosinenpickerei. Niemals ist von Verbrecherinnen, Terroristinnen oder Mörderinnen die Rede. Da ist den üblichen Verdächtiginnen die männliche Anrede auf einmal wieder ganz recht. Nachtigall, ick hör dir trappsen. Nur die schönen Sachen möchte man sich erstreiten, aber die schlechte Seite will man (oder frau) nicht auch dabeihaben. Bei Vorständen in Dax-Unternehmen soll es eine Frauenquote geben oder im Bundestag auch. Aber wie sieht es denn mal bitte gleichberechtigungstechnisch mit einer Quote bei Müllwerkern aus ? Oder im Straßenbau ? Da hört man komischerweise speziell von den Daminnen gar nichts. Der bekannte Journalist Wickert (Hieß er so?) hat mal gesagt, Gauner muß man Gauner nennen. Und wenn es in diesem Fall weibliche sind, versteht man das auch so.

    • @Thomas Schöffel:

      Sind sie eine Frau?Nein?Woher wissen sie dann so genau,was diese finden und fühlen?

      • @pippilotta_viktualia:

        Woher wollen Sie wissen, daß ich keine bin ?

        • @Thomas Schöffel:

          Sie schrieben: "Ich als Mann"

          • @brschmr:

            Sind wir denn nun doch nicht gleich ?