Die Wahrheit: Geheimwaffe der Zivilgesellschaft
Gegen die AfD hilft nur noch eins: Festivals der Demokratie – überall! Auch frittiertes Essen kann dabei viel bewirken.
Was tun wir mit den Rechtspopulisten? Wie sollen wir mit der demokratieskeptisch angehauchten AfD umgehen, deren Abgeordnete seit Neuestem nicht nur um die Flüchtlingsheime streifen, sondern auch im Bundestag sitzen? Und wie verhindern wir, dass die schneidigen Nationalisten unter ihnen in den kommenden Jahren die Macht ergreifen und Deutschland in ein zweites Österreich verwandeln – oder gar in ein zweites Drittes Reich, also quasi ein viertes? Solche Fragen bewegen in diesen Tagen Millionen von Bundesbürgern, die sich aus naheliegenden Gründen nicht unbedingt als „besorgt“ bezeichnen möchten, es zweifelsohne aber sind.
Die Verwirrung nämlich ist groß. Politikwissenschaftler und Experten jeder Couleur warnen davor, die Rechten und ihre Wähler als Nazis zu beschimpfen oder ihnen kurzerhand eins auf die Fresse zu geben, um sie nicht in ihrer geliebten Opferrolle zu bestätigen und dadurch erst zu beinharten Nazis zu machen. Inhaltlich mit ihnen auseinandersetzen möchte sich aber auch niemand, weil sie immer nur stereotyp mit festbetonierten Schlagworten wie „Scharia“, „Vergewaltigung“ und „Volksverräterin Merkel“ operieren und es echt langweilig wird, den dahinterstehenden Rassismus stets neu zu entlarven.
Eine aufgeweckte Studentin aus Bochum ist nun sicher, mit einer ständig wachsenden Schar von Mitstreitern das geeignete Mittel gegen die rechte Flut gefunden zu haben. „Mit der AfD reden, ohne mit ihr zu reden – am besten geht das auf einem Festival der Demokratie“, zeigt sich die 24-jährige Wiebke Zachowiak überzeugt. „Jedes Stadtteilfest macht es vor: Die Leute stopfen leckeres frittiertes Essen in sich hinein, trinken dazu zehn bis zwölf Bier und haben anschließend nur noch Lust, unsere Demokratie als die beste – oder am wenigsten schlechte – Staatsform von allen abzufeiern. Für alles andere ist auch die Musik einfach zu laut.“
Großes Kinderschminken
Auf die geniale Idee, den Rechten mit einem blitzsauberen Festival der Demokratie ordentlich Kontra zu geben, kommt Wiebke Zachowiak am Tag, als der neugewählte Bundestag zu seiner konstituierenden Sitzung zusammentraf. „Ich fand das auf Phoenix so inspirierend, die Reden von Solms und Schäuble, und wie letzterer vor Stigmatisierung und Verächtlichmachung warnte, obwohl dieser AfD-Typ ihn mit Göring verglich!“, schwärmt die angehende Betriebswirtin. „Am besten war natürlich, wie der Bundestag diesen Glaser bei der Vizepräsidentenwahl dreimal hintereinander hat durchfallen lassen – das war ein richtiges Fest der Demokratie!“
Zwischendurch hatte Phoenix allerdings auch noch einen Beitrag über junge Menschen gezeigt, die in ihrer Stadt in Ostdeutschland mit einem Fest der Demokratie für die zunehmend unpopulärere Regierungsform warben. „Die haben da ein Zelt aufgestellt, ein großes Kinderschminken angeboten und mit den wütenden Leuten diskutiert – ich fand das so inspirierend, dass ich dachte: Das klaue ich einfach, allerdings mit mehr Volksbelustigung, Bier und Grillgut – und natürlich mit viel weniger Diskussion. Mir geht es eher um das Signal!“
Am nächsten Tag organisiert Zachowiak mit ihren WG-Genossen auf die Schnelle eine Zapfanlage, Schminkutensilien für die Kinder und ein paar Stände plus Transparente, besorgt über einen Onkel beim Ordnungsamt eine Genehmigung, engagiert einen stadtbekannten Imbissbetreiber sowie eine Oldieband und feiert nachmittags in der Fußgängerzone das erste rauschende Festival der Demokratie. Mit mehreren hundert Mitfeiernden und riesigem Erfolg: „Die Rechten kamen schlicht nicht zu Wort. Wenn die ihre üblen Sprüche von Lügenpresse und Bevölkerungsaustausch abgelassen haben, konterten wir einfach mit einem provokanten ‚Das sagen Sie!‘ oder ‚Ich habe dazu aber eine andere Meinung!‘ und drückten ihnen ein Bier in die Hand, damit sie wissen, dass sie sich auf Gegenwehr gefasst machen müssen in einer Demokratie wie der unsrigen.“
Bier und Bratwurst sind die beste Werbung
Ein paar besonders nervige Diskutanten, gluckst die junge Aktivistin, hätte man allerdings mit sanfter Gewalt zum Kinderschminken schicken müssen. Mit ihren süßen Katzen- und Löwengesichtern hätten sie anschließend jede faschistische Autorität verwirkt und stumm ihr Bier weggeschlürft. „Was vor allem deshalb so geil war“, triumphiert Wiebke Zachowiak, „weil wir gegenüber ein Transparent hatten mit der Aufschrift: ‚Unsere Demokratie zerstören? Schmink’s dir ab!‘“
Über die sozialen Netzwerke verbreitet sich die neue Aktionsform wie ein Lauffeuer. Tags drauf finden bereits in zwölf deutschen Städten Festivals der Demokratie statt, am folgenden Wochenende sind es schon über hundert. „Ich glaube, wir haben da echt eine Geheimwaffe der Zivilgesellschaft gefunden“, sagt die überglückliche Organisatorin. „Bier, Bratwurst und Kinderschminken sind einfach die beste Werbung für unsere Demokratie, wenn dazu live das Beste der Sechziger, Siebziger und Achtziger gespielt wird. Ich bin sicher, damit kriegen wir die rechte Gefahr im Handumdrehen wieder in den Griff.“
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