piwik no script img

Die WahrheitLoop!

Kolumne
von Jenni Zylka

Der erzählerische Bogen weitet sich zuweilen breit. Dieses Mal beginnt er im Frühstücksraum eines Hotels und endet in … aber lesen Sie doch selbst!

S chon wieder bei der Aquariums-Entspannungs-DVD das Loop-Ende verpasst. Dabei war ich nah dran: Die Szene, in der die drei Guppies frech an den gelbschwarzen Fisch heranzuppeln, habe ich jetzt schon drei Mal gesehen. Der Loop beginnt irgendwo kurz davor. Aber wo?

Seit heute früh sitze ich vor der DVD im Frühstücksraum des Hotels. Meine Reisebegleitung hat sich aufgemacht, die Stadt zu erkunden. Aber ich kann nicht weg. Muss erst das Loop-Rätsel lösen. Und deutsche Städte sind eh langweilig. Kennste eine, kennste alle. Gut, Größen machen Unterschiede: Fußgängerzone mit „Kochlöffel“-Filiale = Kleinstadt; Kneipe, in der jemand „What can I do for you, guys?“ fragt = Großstadt.

Die Stadt mit dem Aquariumsloop ist eine „Kochlöffel“-Kleinstadt, ich habe nur vergessen, welche, irgendeine mit Hafen, glaube ich, denn gestern, als ich in der Bar im fünften Stock saß und durch das Fenster die funkelnden Lichter zählte, fuhr plötzlich der gesamte Bildhintergrund nach links weg. Vielleicht war auch etwas im Drink, aber ich tippe auf ein ablegendes Kreuzfahrtschiff. Das Vorhandensein eines Hafens, in dem Kreuzfahrtschiffe an- und ablegen können, ist ein Stadt-Ausschlusskriterium, ich weiß dann zum Beispiel, dass ich nicht in Osnabrück bin.

Andererseits gibt es dort garantiert einen Fluss, weil einer der vielen Flüsse, die ich nicht kenne (weswegen ich auch lieber „Stadt Land Serie“ spiele), durch jede Stadt fließt. Doch welcher Fluss fließt durch Osnabrück, und ist er breit genug für die „Aida“?

Ich kann mir derlei Infos nur in zwei Fällen merken, nämlich anhand Vico Torrianis Eselsbrücke: „Kalkutta liegt am Ganges / Paris liegt an der Seine / und dass ich so verliebt bin / das liegt an Madeleine.“ Aber gab’s da nicht eine zweite Strophe? „Osnabrück liegt an der Hase / Hannover an der Leine / und dass ich so verliebt bin / liegt immer noch an Madeleine“? Genau, die Hase! Die Hase klingt aber nicht, als ob ein Kreuzfahrtschiff hineinpasst. Die Hase klingt, als wäre sie schon verdrängt, wenn Huck Finn und der Sklave Jim auf ihrem Floß darauf dümpelten. In Osnabrück bin ich also nicht.

Könnte ich in Köln sein? Welcher Fluss fließt durch Köln? Sind die Kölner*innen sauer, wenn man ihre Stadt klein nennt? Bestimmt nicht, das sind doch rheinische Frohnat… ha! Der Rhein! Der Rhein! Das soll sein / Köln am Rhein / das soll jetzt Frau Müller sein! Bin gar nicht so doof, wie es hier aussieht! Nein, bin nicht in Köln. Keiner hier ist Ex-Boxer. Ach, das mit den Flüssen ist zu schwierig. Welche Stadt hat einen richtigen Hafen? Bremerhaven? Aber ist ein Haven das Gleiche wie ein Hafen? Verdammt.

Plötzlich kommt Leben in die Aquariums-Entspannungs-DVD. Flocken tanzen, die Fische schnappen und ein Mann mit Fischfutterdose geht an mir vorbei. Sind das etwa echte Fische?! Da kriegste doch die Sprotten … Sprotten … warte mal … ich weiß, wo ich bin! In Kiel! Wo die Menschen kielgeholt werden! Na ein Glück. Dann gehe ich mir vielleicht doch jetzt mal die Semper­oper angucken.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!