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Die WahrheitAuftragsmord und Biomöhre

Kolumne
von Ulrike Stöhring

Werbung im Radio ist die Pest. Einige Spots sind aber noch viel schlimmer und lassen düstere Gewaltfantasien sprießen.

I ch gehöre zu den Leuten, die morgens nach dem Aufstehen in die Küche trotten und mit einer Hand die Espressomaschine, mit der anderen das Radio anschalten. Es gibt durchaus hörbare Sender des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, und für einen von ihnen habe ich mich entschieden. Der ist eingestellt, der wird gehört und basta.

Nur die Werbung ist immer die Pest. Da wird geschrien, geplärrt und agitiert, dass einem die Butter vom Toast hopst. Der Universalgag mit dem Sprecher, der wegen des tollen Angebots blitzartig das Studio verlässt, wird bis zum Erbrechen variiert. Die Leute rennen angeblich wegen günstiger Leasingraten genauso davon wie wegen dubioser Offerten der alten Tante Telekom. Mit wachsendem Erstaunen nehme ich immer neue Spots nach altem Strickmuster zur Kenntnis, ohne jemals auf die Idee gekommen zu sein, mich für ein Angebot zu interessieren. So weit, so lästig.

Richtig ins Knie geschossen aber hat sich die Mittelbrandenburgische Sparkasse, die für ihren Spot eine Frau mit Premium-Quiek-Stimme ins Rennen schickt. Auf der nach oben offenen Skala der nervigsten Gesprächseröffnungen hat sie den Höchststand erreicht. „Schaaahatz?!“, quengelt sie überlaut ins Nichts, „wahas ist denn das für eine Abbuchung auf unserem Konto?“ Dann beschwert sie sich über den mangelnden Service von Online-Banken. Der so angenölte Schaaahatz versucht die Dame um des lieben Friedens willen zu beruhigen und zum Wechsel zur Sparkasse mit echten Schaltern und Menschen zu bewegen.

Na, denke ich jedes Mal, die würden sich freuen, wenn Frau Nervensäge persönlich erschiene und den Grund seltsamer Abbuchungen auf dem ehelichen Konto ergründen wollte. Nachdem ich den Spot wochenlang morgens mehrmals erduldet hatte, begann ich zu hoffen, dass es sich bei dem ominösen Geldfluss um eine Anzahlung auf einen Auftragsmord an eben dieser Gattin handelt.

Wer meine aus verzweifelter Notwehr erwachsene Gewaltfantasie nun frauenfeindlich findet, der sei auf ein momentan in Süddeutschland verbreitetes Werbeplakat hingewiesen. Glänzende Tomaten sind dort abgebildet, das Foto überschrieben mit der Behauptung: „Wir haben die Prallsten“. Unterhalb des saftigen Gemüses prangt ein in Grün gehaltener Aufkleber mit dem Befehl: „Besorg’s Dir im Bioladen.“

Auf gar keinen Fall – möchte man ausrufen und sieht das Meeting zwischen Werbeagentur und Bioladenvertretern so richtig vor sich. „Des isch frisch und frech!“, schwäbelt der Bioland-Chef freudig erregt und macht für die Kampagne die letzten Piepen aus dem Schafwollsparstrumpf locker. Wie neulich schon, als in Berlin für eine Rohkostmesse mit der peppigen Überschrift „Rohvolution“ geworben wurde und keine Fragen offen blieben, wes Geistes Kind die Veranstalter sind.

Weltveränderung durch ungekochte Biomöhre? Dafür sind die Frühkartoffeln nicht gestorben! Trotzdem. Mir behagt die Vorstellung irgendwie nicht, es mir mit Tomaten besorgen zu sollen. Nicht mal im Bioladen.

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1 Kommentar

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  • Kinder zu Erziehungszwecken anzubrüllen, gilt mittlerweile völlig zu Recht als überholt. Kunden mit dem Ziel der Umsatzsteigerung die selbe Behandlung angedeihen zu lassen, ist leider nicht verboten. Wieso nicht? Haben denn die Gerichte noch nichts vom lebenslangen Lernen und instabilen Psychen gehört?

     

    Ich selber schalte mittlerweile ab oder um, wenn Werbung kommt. Weil ich am liebsten jedes mal so laut ich kann zurückschrein möchte, wenn ich mal wieder angegangen werde aus dem Off. Dieses Gefühl und der gleich danach auftauchende Gedanke, dass ich mich grad wieder von Arschlöchern hab manipulieren lassen, behagen mir ganz einfach nicht.

     

    Außerdem war Radio bisher immer Einbahnstraße. Wie lange es noch eine bleiben wird, möchte ich bei nächster Gelegenheit die NSA fragen, die deutschen Schlapphüte oder andere Vertreter von Horch&Guck. Smart-Fernseher können die, wie ich ganz offiziell gesagt bekam vom öffentlich-rechtlichen Fernsehen, ja bereits abhören und... – ja, wie sagt man eigentlich zu dieser Sauerei? Absehen vielleicht?

     

    Wobei. Das Retour-Gebrüll träfe ja wieder nicht die Verursacher, wenn vielleicht auch keinen Falschen. Die Spitzel müsste man fürs Spitzeln anbellen, nicht fürs Brüllen. Das allerdings leise. Die machtbewussten, gefühlsdu(s)eligen Entscheider, die ebenso rückgrat- wie mitleidlosen Produzenten oder die nuttigen Sprecher aber sind samt Knete aber über alle Berge, wenn ihre Machwerke endlich im Radio laufen. Die würden mich selbst dann nicht brüllen hören, wenn Radio schon offiziell Zwei-Richtungs-Medium wäre.

     

    Aber was soll's? Ich bin ohnehin ziemlich skeptisch, dass Anbrüllen was helfen würde. Anbrüllen, schließlich, können Andere diese Befehlsempfänger auch. Und diese Anderen sind meistens nicht nur selbst involviert, sie sind auch sehr viel dichter dran an denen, die mir meine Nerven ruinieren, als ich es jemals sein könnte.