Die Wahrheit: Der talentierte Mr. Trump
Dem fahrlässig frisierten Alleinunterhalter im Weißen Haus irgendetwas Positives nachzusagen, fällt den meisten naturgemäß ziemlich schwer.
E s ist keine große Kunst, auf diesen Freak einzuteufeln, den sich die Amerikaner da zum Präsidenten gewählt haben. Donald Trump hat für jede und jeden was im Portfolio. Er ist wahlweise peinlich, ungebildet, ungehobelt, sexistisch, chauvinistisch, nationalistisch, antidemokratisch, fremdenfeindlich, rassistisch, rechtsradikal, und außerdem sieht er auch noch aus wie der fahrlässig frisierte Alleinunterhalter, der für zehn Dollar die Stunde den Bingonachmittag im Seniorenwohnheim moderiert. So weit alle einverstanden? Geschenkt.
Etwas schwerer tun sich die meisten naturgemäß damit, Trump irgendetwas Positives nachzusagen. Zugegeben, mir fällt auch nicht viel ein, mal abgesehen davon, dass ich dem Mann nicht vorwerfen könnte, er habe vorher irgendjemanden im Unklaren darüber gelassen, was er nachher als Präsident für einer sein wird. Es wäre mindestens naiv, Trump Eigenschaften wie Ehrlichkeit und Prinzipientreue zu unterstellen.
Mit herkömmlichen Politikermaßstäben gemessen fällt er aber schon mal dadurch auf, dass er zumindest den Anschein erweckt, er werde seine Wahlversprechen tatsächlich halten. Dass er dabei ab und zu wie ein Tölpel durchs Watt trampelt und vom geschmeidigen Politbetrieb ausgebremst wird, dürfte ihn bei seinen Fans eher noch beliebter machen. Die haben ihn auch gewählt, weil er nie einen Hehl daraus gemacht hat, dass er die herrschende Politikerkaste und ihre Spielregeln gründlich verachtet. Mit einem ähnlichen Konzept hatte vor nicht allzu langer Zeit ein sehr kleiner italienischer Großunternehmer ebenfalls schöne Wahlerfolge erzielt.
Genau wie damals Silvio Berlusconi werden jetzt auch Donald Trump von Politprofilern Geltungssucht und narzisstische Störungen attestiert. Merkwürdige Vorwürfe, die volles Rohr ins Leere zielen. Was in anderen Berufen vielleicht behandlungswürdig erscheint, ist im Entertainment-Betrieb Politik schließlich notwendige Voraussetzung. Dasselbe gilt für die gut entwickelte Fähigkeit, alternative Realitäten zu kreieren. In dieser Disziplin bringt es Trump zu großer Meisterschaft. Er ist jederzeit in der Lage, terroristische Anschläge, zum Beispiel in Schweden, zu halluzinieren. Oder Abhöraktionen Obamas à la Watergate. Vermutlich ohne zu wissen, wo und was genau Watergate oder Schweden eigentlich ist. Respekt.
Sollte sich Trump allerdings einbilden, er sei, was Einbildungskraft und fantasievolle Wirklichkeitsgestaltung angeht, eine einzigartige präsidiale Erscheinung, müssten ihn seine hoffentlich besser informierten Ärzte mal behutsam aufklären. Andere große Staatsmänner haben auf diesem Gebiet lange vor Trump Hervorragendes geleistet. Wer erinnert sich zum Beispiel nicht gern an George W. Bush, der auf der Grundlage eindeutig alternativer Fakten jede Menge Massenvernichtungswaffen im Irak gesehen hat. Und zwar so klar und deutlich, dass sogar die heute von Donald Trump so beschimpfte amerikanische Lügenpresse ihm jedes Wort geglaubt hat.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Eine ganz normale Woche in Deutschland