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Die WahrheitDrolliges aus der Drogerie

Kolumne
von Jenni Zylka

Es geht immer gentrifizierter zu in deutschen Drogerie-Märkten. Wann kommt Schokolade mit ein paar Krümeln von grobem Spülmaschinensalz?

E ine Welt voller Möglichkeiten: Genau wie beim Meersalz gibt es neben feinkörnigem Spülmaschinensalz auch noch grobkörniges. Das entdeckte ich neulich in der Drogerie. Das Produkt ist besonders geeignet für das Spülen von Tellern, von denen mediterrane Speisen genossen wurden, Salate mit einem gesunden Dressing aus kaltgepresstem Olivenöl, frischen Kräutern und auf dem Biomarkt erstandenen Fleur de Sel.

Und, kleiner Tipp: Wieso nicht einfach mal handconchierten Schokoladenkreationen ein paar Krümel grobes Spülmaschinensalz aus der Peugeot-Mühle zusetzen? Der unerwartete Geschmack ergänzt die Cremigkeit der 57-Prozent-Edelplantagenmischung aufs Überraschendste. Und der Zusatz sorgt garantiert für eine saubere Verdauung.

Grobes Spülmaschinensalz hätte sogar das Zeug dazu, mein aktuelles Drogerie-Lieblingsprodukt, die Klopapier-Großpackung mit Ghettoblasterdesign, abzulösen, mit der ich nach dem Kauf immer extra „the long way home“ nehme, damit mich möglichst viele Homies sehen.

Momentan sind die Ghettoblasterdesigns jedoch eh ausverkauft, woran ich nicht unschuldig war – ich brauchte vorigen Monat einige Packungen für eine Fotosession, bei der ich Def-Jam-Plattencover nachstellte. Den Fake-Radiorecorder trug ich lässig auf der einen Schulter, darunter meinen Original-Vintage-Schlaghosen-Jogging-Anzug, den ich eigentlich nur für den Fall gekauft habe, dass ich mal einen Charity-Lauf oder Ähnliches mitmachen müsste – normalerweise jogge ich nicht.

Wenn das so weitergeht, werden Drogerien jedenfalls die Gentrifiziererläden im Kiez (Wein, shabby-schicke Weinkisten, Coffee Shop, Suppen, Geschenke) und die Supermärkte peu à peu ersetzen. Schließlich kriegt man dort alles: von Alkohol über Lebensmittel, kreative Design-Geschenke (etwa Duschgels mit selbstgestalteten Etiketten) bis zur Shaping-Unterwäsche. Und, noch ein kleiner Tipp: Man kann die Käufe sogar selbst in ausliegendes Geschenkpapier einpacken!

Falls einer der Drogeriekettenmogule demnächst einen bärtigen Barista mit Milchschaummusterkompetenz einstellt und eine heiße Getränke-Ecke einrichtet, muss Starbucks sich warm anziehen. Und Kaiser’s Tengelmann wird die schönen Zeiten zurückwünschen, als nur 8.000 Jobs gefährdet waren.

Würde dann noch das Drogerie-Logo mehr in Richtung Retro designt und jemand ein paar der Halogenlampen herausdrehen und eine mit bunter Kreide handbeschriebene Aufstelltafel vor die Tür stellen, auf der in geschwungenen Buchstaben „Nur heute: Vollwaschmittel 4,95€“ oder „Tampons 100er Pack“ steht – die Kiste liefe noch geschmierter als ohnehin schon.

Oder nicht. Jedenfalls nicht, solange sich die potenziellen Heuschrecken und Gentrifizierer weiterhin an Junkies und Bettlern stören, die ihre Hüte bevorzugt vor Drogerien platzieren. Und denen ich, genau aus diesem Grund, nach meinen Drogeriebesuchen regelmäßig kleine Merci-Packungen hineinlege.

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