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Die WahrheitBehelfslösungen

Kolumne
von Susanne Fischer

Wer schon mal unter dem Tisch liegend mobil telefoniert hat, weiß, was es heißt, hochgradig verloren in der Welt der Technik zu sein.

W enn man jung ist, muss man sich jeden Tag aufs Neue fragen, wer wohl gerade in einen verliebt ist (meistens niemand, sorry). Wenn man alt wird, ist man schon zufrieden, wenn einen keiner hasst und wenn Behelfslösungen, neudeutsch auch Workarounds, klappen.

Softwarefehler beheben wir in meinem Büro in der Regel mit unkonventionellen Aktionen. Ich erinnere mich an ein mehrfach auftretendes Komplett-Verstummen der Computer, das nur zu beseitigen war, wenn man YouTube-Videos abspielte und dabei mindestens zehn Sekunden wie Lang Lang auf dem Keyboard herumhämmerte. Dadurch kam der Sound zurück, aber ich habe die Maschinen auch kichern hören.

Bei den immer häufigeren Ausfällen des WLAN reichte es irgendwann nicht mehr, den Computer neu zu starten, auch der Router musste vom Netz. Wenn wir drucken wollten, mussten nacheinander Computer, Router und Drucker eine Offline/Offstrom-Ehrenrunde drehen und am Ende der Computer nochmal.

Alle Geräte stehen in verschiedenen Räumen, sodass in Wahrheit nicht die Geräte die Ehrenrunde drehten, sondern ich. Ja, es ist was Persönliches. Obwohl anderer Leute Mobiltelefone sehr wohl in der Küche WLAN-Anschluss finden, muss ich mich in der Garderobe auf den Boden hocken, damit mein Handy die funkende Zicke aufspüren kann.

Ich bin inzwischen sicher, dass eine Menge Maschinen mich hassen.

Ich habe auch schon unter dem Tisch liegend telefoniert, falls man das so nennen kann, wenn man immerzu brüllt: „Ich habe keinen Empfang! Nimm das Festnetz!“ Woraufhin der Anrufer zurückbrüllt, dass unser Festnetz nur Störungsmeldungen von sich gebe. Woraufhin man die Telekom kontaktiert, die empfiehlt, haha, die Basis zu rebooten. Woraufhin sich ein Mobilteil auf ewig verabschiedet und auf keinerlei Tastendruck mehr zu irgendeiner Aktion zu bewegen ist.

Dafür habe ich einen sehr guten Workaround gefunden: Ich fahre in die Kreisstadt, kaufe für 50 Euro ein neues Mobilteil, richte es am nächsten Tag unter Schwitzen und Fluchen ein, was es von selbst tun sollte, aber jetzt, da es mir gehört, natürlich verweigert. Daraufhin gibt das alte, für alle Zeiten kaputte Mobilteil nach 24 Stunden Totalausfall mal eben den Jesus und hüpft vom Elektroschrott zurück ins Leben.

Ich bin inzwischen sicher, dass eine Menge Maschinen mich hassen. Neuerdings muss ich mein Auto neu starten, um ihm die Fehlermeldungen auszutreiben. „Bremsassistent defekt“, das liest man nicht gern. Stimmt ja gar nicht! In Wahrheit ist nur der Parksensor kaputt. Mag ich auch nicht, lässt sich aber leider bisher auch mit zwanzigfachem An- und Ausschalten nicht ändern.

Die Idee, das piepende Helferlein durch ungebremstes Ansteuern eines Laternenpfahls wiederzubeleben, habe ich schließlich doch nicht umgesetzt und lieber mein Hirn rebootet. Wahrscheinlich wäre hinterher auch der Bremsassistent kaputt, und er verlangt dann YouTube-Videos, zu deren Rhythmen ich mich auf dem Asphalt herumwälzen muss.

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1 Kommentar

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  • So weit ich auch zurückdenke - an einen Zwang, mich jeden Tag aufs Neue [zu] fragen, wer wohl alles in mich verliebt sein könnte kann ich mich grade nicht erinnern. Wohl aber an die unwillkürlich auftauchende Frage, wer mich noch alles hassen mag.

     

    Diese Frage ist allerdings weder in meiner Jugend aufgetaucht, noch jetzt im Alter. Sie war bloß zwischendurch mal aktuell. Allerdings sind es nicht technische Geräte gewesen, die mich boykottiert haben, sondern echte Menschen. Mein Hausarzt beispielsweise, die Zeitungsleute der TA, diverse KollegInnen, die BARMER-Mitarbeiter oder die lokalen Profi-Baumpfleger. Lauter Leute also, von denen ich bis dahin angenommen hatte, dass sie für Geld - direkt oder auch indirekt gezahlt - mit (beinah) jedem kooperieren würden.

     

    Es kann an mir gelegen haben (manch eine Dimension liegt schließlich außerhalb des eigene Horizonts, wie Luciana Castellina weiß) oder auch daran, dass Abläufe, die man "internalisiert" und zu denen man "Vertrauen aufgebaut hat" [M. Brake], mitunter trotzdem klammheimlich verändert werden.

     

    Wie dem auch sei. Viel leichter, jedenfalls, als "workarounds" zum Zwecke des Umgehens technischer Geräte einzurichten, war es auf keinen Fall, gewisse Menschen zu umgehen, die sich für unumgehbar hielten. Eher im Gegenteil. Möglich jedoch war es am Ende auch.

     

    Vielleicht, so habe ich bei der Gelegenheit erfahren, ist ja exakt dieses der Grund für ein recht weit verbreitetes Phänomenon: Wie jedes andere Provisorium hält sich auch ein Menschen-"workaround" leicht bis in alle Ewigkeit, wenn es erst einmal funktioniert. Ehepartner, Politiker, Unternehmer und sonstige Alphatiere aller Art sollten dieses vielleicht vorab bedenken, bevor sie wieder mal jemanden ärgern, nur weil sie es zu können meinen.