Die Wahrheit: Neue Launen der Natur
Die lustige Welt der Tiere und ihre ernsten Erforscher – zweiter Teil der Högeschen Serie auf der Wahrheit-Seite.
Besonders lustig sind die im Süden lebenden Laufhühnchen: Die Weibchen sind größer als die Männchen und können aufgrund ihrer vergrößerten Luft- und Speiseröhre weittragende Laute erzeugen, während die Männchen nur gackern können. Auch sind es die Weibchen, die untereinander kämpfen und balzen, wobei sie sich nacheinander mit mehreren Männchen verpaaren, eins übernimmt dann das Ausbrüten der Eier und die Jungenaufzucht. Das Weibchen kommt nur, wenn dem Nest Gefahr droht.
Dem Positivismus zufolge, dem sich die Biologie in gewisser Weise verpflichtet hat, genügt bereits ein Gegenbeweis, um etwa dieDarwin’sche Generaltheorie von der sexuellen Selektion zu widerlegen, und das ist mit dem Paarungsverhalten der Laufhühnchen der Fall. Laut Darwin geschieht die sexuelle Selektion durch die Weibchen, indem sie die schönsten und gesündesten Männchen (mit den besten Genen) auswählen, die ihnen deswegen mit prächtigerem Federschmuck oder Geweih imponieren wollen. Die Männchen konkurrieren, die Weibchen wählen. Bei den Laufhühnchen ist es genau umgekehrt.
Dessen ungeachtet wurde die Darwin‘scheTheorieder sexuellen Selektion neuerdings vom Ornithologen Josef Reichholf wieder aufgewärmt – in seinem Buch „Der Ursprung der Schönheit. Darwins größtes Dilemma“ (2011). Und der Literaturwissenschaftler Winfried Menninghaus entwarf daraus in seinem Buch „Wozu Kunst? Ästhetik nach Darwin“ (2011) eine ganze Soziobiologie, indem er einen Bogen vom Rad schlagenden Pfau zu dem seinen Körper bunt bemalenden Neandertaler und darüber hinaus bis zu uns heute schlug.
Fünfzig Jahre zuvor hatte der Zoodirektor und Tierpsychologe Heini Hediger sich von dieser Theorie bereits verabschiedet, wobei er sich unter anderem auf den Zoologen Adolf Portmann bezog, der sich als Gestalttheoretiker mit dem Pfau beschäftigt hatte. Ihm zufolge „wurde dieDarwin’sche Meinung von der ästhetischen Beurteilung des männlichen Prunkgefieders durch die Weibchen schon vor 1930 selbst von den Darwinisten fallen gelassen“; denn laut Portmann brachte „vor allem die Beobachtung keinerlei einwandfreie Beweise für eine Wahl seitens der Weibchen“.
Weibchen wählen nicht
Darwin hatte, wie auch viele andere Biologen, anscheinend „zu rasch verallgemeinert“, wobei er „begreiflicherweise besonders beeindruckt war von Vögeln mit starkem Sexualdimorphismus“ (deutlicher Unterschied zwischen Männchen und Weibchen). „Doch gerade mit den imposantesten Beispielen dieser Art, dem Pfau und dem Argusfasan, hatte er Pech: hier gibt es keinerlei Wahl durch die Weibchen“, schreibt Hediger. Ähnlich sähe es bei den Paradiesvögeln, Webervögeln und Seidenstaren aus, die mitunter „ganz für sich allein balzen“. Die Kampfläufer dagegen balzen zwar in Gruppen, aber zum einen sind die „spektakulären Kämpfe“ der Männchen „harmlose Spiegelfechtereien“, und zum anderen schauen die Weibchen „nicht einmal hin“.
Ihr Erforscher, G. Dennler de la Tour, beobachtete zudem, dass es ganz antidarwinistisch der im Duell unterlegene Kampfläufer ist, der, hat er sich erholt, zu den Weibchen geht und sie nacheinander begattet, während die Sieger davonfliegen. Ein anderer Ornithologe, J. G. Van Rhijn, stellte fest, dass der unterlegene Kampfläufer oftmals der Besitzer des Reviers ist, in dem die Kämpfe stattfinden. Er holt die anderen Männchen quasi zu sich, damit die Anwesenheit vieler die Weibchen anlockt, die er dann nach den Kämpfen begattet.
En passant begattet
Bei den „pantomimischen Kampftänzen“ der amerikanischen Präriehühner, die der Zoologe Adolf Remane erforschte, ist es ähnlich: Die Männchen tanzen umeinander, die Weibchen erscheinen „hin und wieder auf dem Tanzplatz. Sie werden sozusagen en passant begattet, ohne dass sich die Hähne dadurch in ihrem Massenritual sonderlich stören ließen.“
Hinzu kommt noch, so Herbert Wendt in „Das Liebesleben in der Tierwelt“: „Eine Zeit lang glaubten die Zoologen, die Tätigkeit der männlichen Hormondrüsen veranlasse das Vogelmännchen, sich zur Hochzeit so prächtig zu schmücken. Heute nehmen wir an, dass es genau umgekehrt ist. Das männliche Prachtgewand ist das Normalkleid des Vogels; die weiblichen Geschlechtshormone dagegen sind es, die dafür sorgen, dass die Vogelweibchen zur Brutzeit unscheinbarer aussehen als ihre Partner. Denn die Mütter müssen beim Brüten und bei der Kinderpflege eine unauffällige Schutzfärbung tragen.“
Wenn beispielsweise Enten zu alt werden, um noch zu brüten, bekommen sie ein männliches Federkleid. In Neuguinea gibt es nebenbei bemerkt ein Volk mit rigider Geschlechtertrennung, bei dem die älteren Frauen analog zu den Enten ebenfalls zu den Männern überwechseln. Allerdings übernehmen sie dann für diese Polizeifunktionen. Sie wachen bei den jüngeren Frauen darüber, dass diese keine empfängnisverhütenden oder abtreibenden Mittel nehmen. Fortsetzung folgt!
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