Die Wahrheit: Tausend Jahre Björn Höcke
Bei den beiden neuen Kandidaten von „Germany’s Next Top-Goebbels“ zeigt sich mal wieder: Bildung schützt vor Blödheit nicht.
Es gibt Leute, die behaupten, Menschen würden rechtsradikal, weil sie arm, unterprivilegiert und ungebildet seien. Oder weil man ihnen die DDR weggenommen hat. Auf manche NPDler, Pegidisten und AfD-Wähler mag das vielleicht sogar zutreffen. Wobei die Gleichzeitigkeit von Armut, Bildungsferne, Ost-Töpfchen-Sozialisation und rechter Gesinnungen nicht zwingend auch eine Kausalität bedeutet.
Schließlich gibt es viele Menschen, denen das Leben oder ein System ebenfalls übel mitgespielt hat und die trotzdem keine Arschlöcher sind. Außerdem sagt fehlende oder vorhandene Bildung nichts über fehlende oder vorhandene Intelligenz aus.
Die beiden neuen Kandidaten von „Germany’s Next Top-Goebbels“ illustrieren das alles sehr hübsch. Zwar hat Akif Pirinçci tatsächlich nur einen Hauptschulabschluss, besuchte dann aber die Filmakademie in Wien und wurde schließlich durch seine Katzenkrimis steinreich.
Im Gegensatz zum Klischee des Rechten, der zu doof ist, sich die Schuhe zuzubinden, und einen sozialen Abstieg hinter sich hat, ist Pirinçci ein klassischer Aufsteiger. Als Gastarbeiterkind nach Deutschland gekommen, perfekt Deutsch gelernt, Schriftsteller geworden, alle Chancen genutzt, Geld und Ruhm angehäuft – und dann egoman überassimiliert: Migranten sind scheiße, nur er nicht. Frei nach Jean-Marc Reiser: „Alles Fotzen außer Akif.“
Auch bei Björn „Die Fahne raus“-Höcke finde man Mittelschichtsnormalität statt sozialer und materieller Ausgrenzung. Der im Westen aufgewachsene Neu-Thüringer hat einen erfolgreichen Bildungsbürger-Lebenslauf: Gymnasium, Studium, Verbeamtung als Oberstudienrat. Und trotzdem faselt er vom tausendjährigen Deutschland, behauptet, deutsche Frauen müssten Angst vor Flüchtlingen haben, propagiert „Elitenförderung“, hält Homosexuelle für triebgesteuerter als Heteros und Gendermainstreaming für ein „Sonntagskind der Dekadenz“.
Einen kurzen Moment möchte man sich vor dem Schöpfer einer solch grandios schiefen und sinnlosen Metapher in Ehrfurcht verneigen, dann aber denkt man: Wenn so einer sich zur Bildungselite zählt, dann sollte man sein Kind statt aufs Gymnasium lieber auf die Baumschule schicken.
Als Geschichtslehrer müsste Höcke eigentlich wissen, dass Deutschland auch eine Geschichte von Ein- und Auswanderung, Multiethnizität und Multireligiosität, kurzum: der Vielfältigkeit hat. Das homogene tausendjährige Land, das er verteidigen will, gab es nur als Ideologie im Tausendjährigen Reich. Und das wurde durch freundliche Mithilfe des Auslands auf zwölf Jahre verkürzt.
Das Benutzen von Nazi-Vokabular und das Imitieren des Nazi-Tons ist aber wohlkalkuliert. Insofern ist es nur schlüssig, wenn Höcke nun mit dem hinkenden Reichspropagandaminister verglichen wird. Dieser war als Dr. phil. ebenfalls Kulturmensch und schrieb sogar Theaterstücke. Hoffentlich erspart uns Höcke wenigstens das. Zuzutrauen ist ihm alles.
Die Wahrheit auf taz.de
Leser*innenkommentare
mowgli
Das ist gar keine Blödheit. Das ist Kalkül. Und wieso sollte Bildung vor Kalkül schützen?
Unter den sogenannten Bildungsbürgern ist das Kalkül der Zweck der ganzen Übung, oder habe ich da etwas völlig falsch verstanden? Es geht nicht um Faszination und Neugierde. Es geht um jene Macht, die Wissen schaffen kann, den Vorsprung, den sie garantiert und der sich zu Profit ummünzen lässt. Die Leute, die ProSieben machen, zeigen seit beinah 27 Jahren, dass gut an Dummheit zu verdienen ist. Man schickt also die Kinder nicht zu Lehrer Ast sondern aufs Humanistische Gymnasium, damit sie richtig kalkulieren lernen, nicht Sauerstoff und Humus produzieren.
Wissen ist Typen wie Höcke und Pirinçci Mittel zum Zweck, nicht Selbstzweck. Sie brauchen es als Krücke, weil sie sonst nicht senkrecht gehen könnten. Gebildet wie sie mittlerweile sind, haben sie sich vermutlich an den Fingern abgezählt, dass es in unserem schönen, reichen Land ne ganze Menge Arme, Unterprivilegierte und Ungebildete gibt, die schlechten alten Zeiten nachtrauern. Weil die so schön berechenbar gewesen sind. Sogar für Leute ohne Hirn. Wer wollte, konnte da ne ganze Menge Einsen kriegen, ohne auch nur ein A von einem O zu unterscheiden. Es ist also erfolgversprechender, sich um den Titel "Germany's Next Top-Goebbels" zu bewerben, als etwas sinnvolles zu tun. Zumindest, wenn man den Erfolg entsprechend definiert.
Um die Moral-Definition jedoch darf sich die Schule heute gar nicht scheren. Das haben sich die Bildungsbürger ausbedungen. Es ist sogar im Grundgesetz fixiert und wird im Zweifel eingeklagt. Die Schulen sind also nicht Schuld, wenn Bildung manchmal Top-Idioten macht. Obwohl. Geschichte ist doch Pflichtfach, oder nicht? Wer also mag, der kann sich heute noch von Goebbels führen lassen. Und wer etwas zu kompensieren hat, der folgt der Stimme aus dem Off. Doof ist das nicht. Es ist "nur" ziemlich krank. Und leider scheint die Krankheit ansteckend zu sein.