Die Wahrheit: Bröslige Behumserei
Spardiktat: Das Problem minderwertiger chinesischer Ramschware.
Bülent Beyoglou, Kampfpilot der türkischen Luftwaffe, staunte nicht schlecht, als er mit seinem Jet Stellungen der syrischen Armee nahe der türkischen Grenze bombardieren wollte: die „Bomben“, die sich von den Tragflächen lösten, entfalteten sich nämlich kurz nach dem Abwurf zu riesigen rot-goldenen Drachen, die langsam zu Boden schwebten und den syrischen Soldaten statt Tod und Verderben eine willkommene Abwechslung in ihren monotonen Alltag brachten. Beyoglous Jet wurde von der syrischen Luftabwehr selbstverständlich trotzdem abgeschossen. War es Sabotage?
Eine Untersuchungskommission der türkischen Streitkräfte rätselte ob der Frage, wie es zum Abwurf von offensichtlich chinesischen Mythologiefiguren kommen konnte. Der Urheber dieses peinlichen Versagens war bald ausgemacht – die Nato hatte Billigbomben aus China bestellt und wurde durch die echt aussehenden Bombenattrappen heimtückisch getäuscht. „China“, heißt es in dem Abschlussbericht der Kommission, „ist eine wahre Brutstätte für nachgemachte und gefälschte Teile, die die Nachschubkette der Nato-Armeen infiltrieren.“
Minderwertige Ausrüstungsgenstände und Ersatzteile von chinesischen Billiganbietern werden auch zu einem immer größeren Problem für die unter einem strikten Spardiktat stehenden Firmen der westlichen Industriestaaten. Heinz Kampenbrink, Projektmanager bei der Londe AG, kann ein Lied von den verheerenden Folgen übertriebenen Sparens singen. Als sich der übergewichtige Vater dreier Töchter in der Kantine seinen allmorgendlichen Kaffee aus dem Getränkeautomaten lassen wollte, spuckte dieser eine zwar kaffeeähnliche Brühe aus, die jedoch widerlich schmeckte. Der chinesische Hersteller hatte ein ungenießbares Brühgetränk auf Sojasaucenbasis geliefert – zu einem „unschlagbaren Preis“, wie der Chefeinkäufer der Londe-Kantine kleinlaut einräumte.
Petitessen, mag der eine oder andere Beobachter einwenden, davon geht die Welt nicht unter. Wer aber weiß, welche Bedeutung ein wohlschmeckender Morgenkaffee für Entscheidungsträger wie Heinz Kampenbrink hat, wird sich zu einer solch unbedachten Einschätzung wohl kaum hinreißen lassen. Kampenbrink jedenfalls war an jenem Tag kaum mehr einsatzfähig, schlecht gelaunt und unkonzentriert – und es unterliefen ihm folgenschwere Fehlentscheidungen. Die Unternehmungsleitung erwägt nun eine Schadenersatzklage gegen den Hersteller der Kaffee-Billigkopie.
Ungeeignetes Material in sensiblen Bereichen, das ist das haarsträubende Ergebnis einer aufwendigen Untersuchung durch das Bundesamt für Materialprüfung. Wobei die chinesische Ramschware mittlerweile in alle Bereiche der westlichen Konsumwelt „durchgesickert“ ist. Sabina B., eine zwölfjährige Schülerin aus Solingen, hat ihre eigenen Erfahrungen mit China-Pfusch gemacht: „Ich bin mit meinen Freundinnen nach der Schule ins Eiscafé Venezia gegangen“, berichtet die aufgeweckte Pferdenärrin mit stockender Stimme. „Und da hab ich mir drei Kugeln gekauft – Banane, Stracciatella und Nutella. Und kaum fang ich zu schlecken an, bröselt die Waffel und zerbricht. Und das ganze Eis ist auf den Boden gefallen“, schluchzt das untröstliche Mädchen. „Und für ein neues Eis hat mein Taschengeld nicht gereicht.“ Schrottwaffeln aus chinesischer Hinterhofproduktion, das ist das niederschmetternde Ergebnis der Berliner Materialprüfer, nachdem sie die untauglichen Eiswaffeln genauer unter die Lupe genommen hatten. Haben die skrupellosen Chineserer denn gar kein Herz für Schleckermäuler?
Selbst ein so exzellent geführtes Unternehmen wie die Deutsche Bahn ist nicht vor fernöstlicher Behumserei gefeit. Die Zugreisenden im Stuttgarter Hauptbahnhof rieben sich vergangenen Mittwoch jedenfalls verwundert die Augen, als auf den Anzeigetafeln die Zielbahnhöfe plötzlich in chinesischen Schriftzeichen erschienen. Eugen Lämmle, Metzgermeister aus Plochingen, fand wie viele tausend anderer Fahrgäste seinen Zug nur, indem er alle Bahnsteige abklapperte und die Zugführer fragte. Wie konnte diese peinliche Panne nur passieren? Offenbar hatte die Bahnführung, unter dem Spardiktat ihrer Controllingabteilung, die Programmierung des Fahrplans an einen chinesischen Anbieter vergeben und den Fehler trotz strengster Sicherheitsüberprüfungen übersehen.
Bahnchef Rüdiger Grube gibt sich trotz des Desasters kämpferisch: „Die Kundenzufriedenheit ist für uns das oberste Gebot. Bis die Zielbahnhöfe wieder auf Deutsch angezeigt werden, wird an jedem Bahnsteig ein chinesischer Dolmetscher bereitgestellt, der die verunsicherten Fahrgäste zeitnah über den voraussichtlichen Zuglauf informieren wird.“
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