Die Wahrheit: Glückliche Kristalle
Endlich gibt es im Drogenmarkt Crystal Meth auch in Bio-Qualität. Ein Franke hat den Weg für den gesunden Stoff geebnet.
Der Mann, der im folgenden Peter heißen soll, grinst. Dann zieht er einen durchsichtigen Plastikbeutel aus der Innentasche seiner Jacke und legt sie auf den Tisch. In der Tüte schimmern blaue Kristalle. „Das ist unser Einstieg in den guten Kapitalismus“, sagt er.
Peter ist ein bulliger Franke mit Händen so groß wie Bratpfannen. Ein Mann, der weiß, wovon er spricht. Seit mehr als zehn Jahren produziert er Crystal Meth in einem kleinen fränkischen Dorf. Zu Beginn liefen die Geschäfte schlecht, dann brachte ihm die Serie „Breaking Bad“ neue Kunden. Allerdings nicht genug. „Das Problem war: Solche US-Serien werden meist von gebildeten, jungen Städtern geguckt, die ein bewusstes Leben pflegen.“
Umfragen hätten ergeben, dass die hippe urbane Bevölkerung Crystal Meth gegenüber zwar grundsätzlich offen ist, sich aber um die Zutaten und Produktionsbedingungen der Mitarbeiter sorgen und deshalb doch bloß weiter Gras rauchen. Denn einerseits war die coole Serie „Breaking Bad“ die beste Werbung für den Stoff, andererseits waren die kriminellen Zustände, mit denen der krebskranke Chemielehrer Walter White und sein Schüler Jesse Pinkman konfrontiert werden, alles andere als verlockend.
Das veranlasste Peter dazu, eine Idee umzusetzen, die schon länger in seinem Kopf herumgespukt war: Er stellte seine konventionelle Produktion auf nachhaltig und arbeitnehmerfreundlich um, auf Bio und Fairtrade. „Es war kein einfacher Schritt“, sagt er heute, „aber irgendeiner musste ihn tun.“
So wird zum Beispiel das unverzichtbare Methylamin von einer Produktionsgenossenschaft in Bolivien geliefert, die Kinderarbeit streng untersagt und den Mitarbeitern eine Krankenversicherung garantiert. Die Mitarbeiter in Peters fränkischer Fabrik werden übertariflich bezahlt, die Kosten für die Kita-Plätze der Kinder übernommen. Das Phenylaceton wird mit Bio-Honig statt Zucker angereichert. „Und von jedem Euro, den wir verdienen, spenden wir zehn Prozent an soziale Projekte“, sagt Peter. Schließlich habe er bei Demeter angerufen, um ihr Siegel zu bekommen, das als das strengste in der Branche gilt, aber die Bio-Lebensmittelhändler hätten überraschend abweisend reagiert. Also hat Peter einfach die Demeter-Richtlinien übernommen.
Wer mit ihm durch seine Produktionshalle geht, sieht überall zufriedene Mitarbeiter, die freundlich grüßen, mal für einen Plausch stehenbleiben oder sich im Aufenthaltsraum am Buffet bedienen, der reichlich frisches Obst und Gemüse bietet.
Der Aufwand hat sich gelohnt. Die Markteinführung war erfolgreich. „Wer bei Crystal Meth moralische Bedenken hatte wegen der Produktionsbedingungen, konnte sich ja bisher nur Gletschereis-Bonbons spritzen“, sagt Peter und schmunzelt sich fränkisch rund. Das sei einfach nicht dasselbe. Schon jetzt melden Dealer in Berlin-Kreuzberg, in Düsseldorf-Flingern und im Hamburger Schanzenviertel: Die Ware ist komplett ausverkauft! Obwohl das Fair-Trade-Bio-Super-Duper-Crystal-Meth bis zu 70 Prozent mehr kostet als das konventionelle.
„Es macht mich richtig glücklich, wenn alle glücklich sind“, sagt Peter. „Ich habe allen bewiesen, dass man in unserer gerne mal vorschnell kritisierten Branche unter fairen Bedingungen produzieren kann.“ Am Anfang sei er von seinen Kollegen belächelt worden, einen Idealisten habe man ihn geschimpft. Diese Kritiker seien nun verstummt und versuchten selbst, ihre Produktion umzustellen. Im August läuft schließlich die letzte Staffel von „Breaking Bad“ in den USA an. Da glühen wieder die BitTorrent-Server, und zum Download darf es dann schon mal eine kleine Nase oder eine Pipe voll vor dem Bildschirm sein.
Schon arbeitet Peter an der Umsetzung seiner nächsten Idee. „Wissen Sie, wovon ich träume? Dass die Leute in Berlin-Mitte eines Tages im Café sitzen und sagen: Eine Crystal Mate, bitte.“
SEBASTIAN DALKOWSKI
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