Die Wahrheit: „Alles meins!“
Zum 100. von Arno Schmidt präsentiert die Wahrheit Anekdoten über den unvergessenen Literaturinsulaner.
Am Samstag würde der große Wortschmied der Heide seinen 100. Geburtstag zelebrieren. Dieses feierliche Ereignis nimmt die Wahrheit zum Anlass, um die besten Anekdoten aus dem Leben des einzigartigen Arno Otto Schmidt zu erzählen.
Arno Schmidt war noch ein Säugling, als ihn seine Mutter in Hamburg einmal mit seiner Wiege auf den Balkon rollte. Nach einer Weile wachte der kleine Arno auf. Es war ein wolkenloser Tag, sein Geist ein noch völlig unbeschriebenes Blatt. Da schob sich langsam ein Luftschiff in seinen Gesichtskreis, bis es den ganzen Himmel ausfüllte und einen Schatten auf die Wiege warf. Es war das LZ 11 „Viktoria Louise“, worauf das Kind sich aber keinen Reim machen konnte. Auch später erinnerte sich Arno Schmidt nie wieder an den Zeppelin.
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Als Arno Schmidt sechs Wochen alt war, quälte ihn ein wütender Wind in seinem Bauch, den er partout nicht loszuwerden schien. Klein-Arno krümmte sich im Schlaf. Seine Arme zuckten wie die eines ekstatischen Dirigenten. Und endlich kam das erlösende Knattern, welches den Raum mit einem verführerisch nach Rosen und Porree duftenden Odeur einhüllte. Seine Eltern verkannten jedoch sein Talent als Raumdeo und versäumten es, ihn angemessen zu fördern.
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Eines schönen Abends, Arno Schmidt war gerade zwölf Jahre alt, da erschien ihm auf dem Nachhauseweg eine glitzernde kleine Fee. Sie schwirrte immer zu vor seinen Augen herum und kitzelte ihn an der Nase - das untrügliche Zeichen, dass sie ihm drei Wünsche erfüllen wollte. Doch Arno Schmidt brüllte nur: „Verdammt, hinfort, du Missgeburt!“ Die Fee verschwand - nicht ohne insgeheim Schmidts Herz zu versteinern und ihm schlechte Augen zu wünschen.
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Als Soldat in Norwegen war Arno Schmidt bei seiner Einheit für das Erstellen von Schusstabellen zuständig. Wann immer ein Schuss fiel, machte sich Schmidt ans Berechnen. Bevor er noch Mündungsgeschwindigkeit und Austrittswinkel der Kugel, den Widerstand und die Viskosität der Luft sowie die Coreoliskraft der Erdkugel ins Kalkül gezogen hatte, war meist bereits ein weiterer Schuss gefallen. Schmidt aber kam kaum mehr hinterher und wurde deshalb bald zum Ausheben von Latrinen versetzt.
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Als der junge Arno Schmidt seine kaufmännische Lehre bei den Greiff-Werken in Greiffenberg absolvierte, hatte er es sich zur Gewohnheit gemacht, des Abends mit seinen Mitlehrlingen im Ortsgasthaus das geringe Lehrgeld in Bier und Schnaps umzusetzen. Deswegen hatte er morgens oft große Mühe, pünktlich zur Arbeit zu erscheinen. Als er wieder einmal zu spät und arg zerknautscht durch die schmiedeeisernen Tore der mächtigen Textilfabrik schlich, da brüllte ihn der Fabrikdirektor an: „Schon wieder eine halbe Stunde zu spät, Schmidt!“ Arno Schmidt aber antwortete verständnisvoll und besänftigend: „Ich auch, Herr Direktor, ich doch auch.“
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Eines Abends stapfte Arno Schmidt in seiner grünen Lederjacke leicht angetrunken durchs Schauerfeld, als ihm ein Collie entgegenstrunkelte und bellte. „Ja, weißt du denn nicht, wer ich bin? Gestatten, Schmidt. Alles meins“, meinte der Dichter und wies mit großer Geste ins Rund. „Eines Tages wird all das dir gehören, mein Hund!“ Da jaulte der Collie weh auf und trollte sich.
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Eines Morgens im August 1966 bekam Arno Schmidt einen Brief, den er sogleich mit einem Wutschrei zerriss. Und es wäre nie bekannt geworden, was darin stand, hätte eine Putzfrau die Schnipsel nicht zusammengeklebt und posthum veröffentlicht. Die Krankenkasse wollte die Gläser seiner neuen Brille nicht bezahlen - 28 Dioptrien seien nicht wirtschaftlich zu produzieren, hieß es. Schmidt wollte in der Folge auf zentimeterdicke Kontaktlinsen umsteigen, verzichtete aber schließlich aus ästhetischen Gründen darauf.
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Im Sommer 1977 stand am Bargfelder Badeteich ein Mann, der "die geschmackloseste Badehose trug, die ich je sah", wie Arno Schmidt später notierte. „Hellblau/orange, eine Schleife!“ Der Mann verwickelte Schmidt in ein Gespräch über die finanzielle Situation des Schriftstellers, was sich am Ende als Segen erweisen sollte. Die Badehose aber liegt noch heute unweit des Ufers vergraben und wurde bislang von keinem Schmidtianer entdeckt.
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Im Werk des Historikers Konrad Mannert "Geographie der Griechen und Römer" (1788-1825) wird der Name „Arno“ erwähnt. Darüber musste Arno Schmidt immer besonders schmunzeln.
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Bis heute rätseln Schmidt-Experten, warum sich der stets klamme Großschriftsteller einst ausgerechnet in das Örtchen Bargfeld zurückzog. Derzeit konzentriert sich die Forschung auf den Schmidtschen Satz „Das R und das F krieng wir auch noch weg!“, den er einmal im Vollrausch bei Bangemann auf einen Bierdeckel gekritzelt haben soll. Ergebnisse werden erst in Jahren erwartet.
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