Die Wahrheit: Der homosexuelle Mann ...
... macht eine Rolle rückwärts nach der anderen. Er tritt der idiotischen Idee von der „Umerziehung“ entgegen. Denn schwul wird nur, wer selbst mitarbeitet.
macht derzeit eine Rolle rückwärts nach der anderen. Je mehr reaktionäre Schwatzbuden nach oben gespült werden, umso mehr tauchen längst überwunden geglaubte Klischees wieder auf. Wie das von der Verführung Minderjähriger. Natürlich drückt das niemand mehr so aus, zeitgemäßer ist die Rede von der „Umerziehung“. „Wir wollen nicht in das Schwuleneuropa“, fordert ein prorussischer Milizionär auf der Krim, „ich will nicht, dass meine Kinder schwul und lesbisch werden.“ Und im bayerischen Gelting warnt ein Dominikanerpater am Aschermittwoch vor einer europaweiten „Umerziehung und Umprogrammierung des Geschlechter- und Familienbildes“.
Keine Angst, so einfach geht das nicht mit dem Anderssein. Mal im Schulunterricht darüber informieren macht noch keine anständigen Lesben oder Schwule aus den unvoreingenommenen Kindern. Selbstverständlich wissen das die Menschen, allein schon ihre Erfahrung bestätigt ihnen das. Aber warum sind sie dennoch so vernarrt in die Idee von der „Verführung“, der „Umerziehung“? Damit projizieren sie ihre eigenen Ängste auf die nichts ahnenden Kinder. Offensichtlich leicht zu erschüttern in ihrer Geschlechter- und sexuellen Identität tapsen sie herum und befürchten, bei jedem homosexuellen Kontakt aus der Bahn geworfen zu werden. Das ist erstaunlich dumm, aber doch nicht aus den Köpfen zu pusten. Und damit sie sich nicht lächerlich machen, müssen die Kinder als Schutzschilder herhalten.
Je mehr Irre wie Matthias Matussek sich zu Wort melden, um so mehr heterosexuelle Liberale treten auf den Plan, ihre homosexuellen Freunde zu verteidigen. „Straight allies“ nennt man diese Spezies im Homo-Jargon.
Aber auch sie bemühen Bilder von einst, um den Homosexuellen ihr Recht auf ungehinderte Sexualausübung zurückzugeben. Wie die aus der Welt der Tiere. Da müssen wieder schwule Pinguine und lesbische Makaken-Äffchen herhalten, um die „Natürlichkeit“ homosexuellen Begehrens zu rechtfertigen.
Zugegeben, 1955 beispielsweise, als schwule Männer die Wahl hatten zwischen den üblen Nachreden vom Kinderficker und vom Kriminellen, trugen die verstohlenen Blicke in die Vielfalt der Natur gewiss zur Entlastung bei. Aber muss die Zoologie immer noch herhalten, um die Idee von der natürlichen, der angeborenen Homosexualität zu stützen? „Schwul geboren?“, hat vor vielen Jahren mal ein kluger Schwuler im Spiegel geschrieben, „Ich sage nein. Damit ist man nicht auf die Welt gekommen, das hat man sich hart erarbeitet.“ Und dabei ist es – sind wir mal ehrlich – bis heute geblieben. Daran rüttelt auch kein Zoobesuch, und der Plackerei entbindet uns auch keine Sexualaufklärung schon im Grundschulalter.
Deshalb Entwarnung für Matussek und seine russischen und deutschen Brüder und Schwestern im Geiste: Wenn ihr nicht mitarbeitet, werdet ihr nie aktive, selbstbewusste Homosexuelle, nicht einmal verschwiemelte und verdruckste. Gratis ist das Gleichgeschlechtliche nicht zu bekommen, scheint es euch auch noch so billig.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Kompromiss oder Konfrontation?
Flexible Mehrheiten werden nötiger, das ist vielleicht gut
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Eine Chauffeurin erzählt
„Du überholst mich nicht“
Der Check
Verschärft Migration den Mangel an Fachkräften?
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“