Die Wahrheit: Der homosexuelle Mann …
… verliert zunehmend seine journalistische Begleitung. Dabei gibt es einen eigenständigen schwulen Journalismus noch gar nicht so lange.
N atürlich macht das Zeitungssterben nicht halt vor schwulen Druckerzeugnissen, die Konkurrenz des Internets verdrängt auch hier, und womöglich will eine junge Generation nichts mehr wissen von besonderen Inhalten, von wiederkehrenden Politdebatten, von einem Lifestyle, der längst Mainstream geworden ist.
Zuletzt, am Freitag vergangener Woche, musste Du & Ich dran glauben, es kam die letzte Ausgabe des ältesten schwulen Monatsmagazins. Insgesamt 493 Ausgaben waren es, die seit dem 1. Oktober 1969 erschienen. Gerade mal einen Monat nachdem die Homosexualität unter erwachsenen Männern straffrei wurde in der Bundesrepublik, durfte erstmals ein „Homophilen-Magazin“ frei verkauft werden.
Der erste Chefredakteur war ein Mann von Adel, Thomas Ralf Freiherr von Dalwigk zu Lichtenfels, außerdem heterosexuell und wurde deshalb schon für die zweite Ausgabe ausgetauscht gegen einen abtrünnigen Kirchenmann, den schwulen Udo J. Erlenhardt, der in seinem ersten Leben Frater Andreas hieß. Um das Heft attraktiv zu machen, engagierte der einen Münchner Stricher, der sich für 35 Mark Gage vor der Kamera auszog, und lockte, bei einem Heftpreis von 4,50 Mark, mit mehr Klatsch „aus einschlägigen Kreisen für einschlägige Kreise“.
So fing er an, der Homojournalismus nach 1969. Weitere Monatsmagazine kamen hinzu, außerdem streng politische Bewegungsblätter und schließlich engagierte Stadtzeitungen. Die Hochzeit dieser Entwicklung ist längst überschritten, viele Magazine haben wieder aufgegeben. Und die Stadtzeitungen erscheinen inzwischen fast alle unter einem Verlagsdach; aus der Vielfalt wurde konsumorientierte Einfalt, mit den gleichen PR-gestützten „Inhalten“ in allen Blättern, dazu lokale Party- und Ausgehtipps und halbnacktes Augenfutter wie eh und je.
Als einziges überregionales Monatsmagazin ist Männer übrig geblieben, teurer Hochglanz aus einem Verlag, der im Mai Insolvenz anmelden musste. Um hier noch zu retten, was zu retten ist, sind die Männer-Macher – an deren Spitze mit dem konservativen David Berger auch ein Ex-Kirchenmann steht – für die aktuelle Ausgabe in die Reklame-Offensive gegangen. Auf dem Titel der August-Ausgabe sehen wir vier Muskelmänner in schwarzen Speedos der Marke Torchpack, darunter die Schlagzeile „Das Modelabel Torchpack zieht Männer an“.
Dass sich dahinter die neueste Eigenmarke des Verlags verbirgt, verrät der Männer-Herausgeber Tino Henn stolz im Heftinnern. Und schwadroniert vom besonderen „Lebensgefühl“, eingekleidet in die Torchpack-Kollektion: „Von schwulen Männern für schwule Männer“. Damit das schwule Geld – und nur darum geht es – in schwulen Taschen, nämlich den verlagseigenen, landet. Und der schwule Printjournalismus geht endgültig in die Hose.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Christian Lindner
Die libertären Posterboys
Außenministerin zu Besuch in China
Auf unmöglicher Mission in Peking
Prozess gegen Letzte Generation
Wie die Hoffnung auf Klimaschutz stirbt
Olaf Scholz’ erfolglose Ukrainepolitik
Friedenskanzler? Wäre schön gewesen!
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Rücktrittsforderungen gegen Lindner
Der FDP-Chef wünscht sich Disruption