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Die WahrheitPornoschippen in der Bahn

Kolumne
von Jenni Zylka

Innovative Ideen warten darauf, gefördert zu werden. Warum gibt es keine Zugabteile, in denen man endlich etwas mit der verfliegenden Zeit anfangen kann?

E ine Freundin hat neulich Kacheln als das neue Ding postuliert. Sie wolle gemeinsam mit ein paar Kachelkumpels ein Kachelkollektiv gründen und sich dann den ganzen Tag damit beschäftigen, Kacheln zu gestalten. Kinder, Kirche, Kacheln sozusagen. Aber ist das wirklich eine gute Geschäftsidee?, wandte ich ein, weil man seine Kacheln doch eigentlich nicht besonders oft wechselt… Das hat man vom Tätowieren ebenfalls gedacht, schnappte sie. Und schau dir an, wie viele florierende Tattooshops es gibt und wie viele neue Stellen die Menschen ständig an sich entdecken, die man auch noch tätowieren oder zumindest mal wieder anständig übertätowieren könnte.

Das leuchtete mir natürlich ein. Ich wäre ohnehin die Letzte, die neue Geschäftsideen diffamiert, obwohl ich noch immer ein kleines bisschen geknickt bin, weil die Gründerinnenförderung für meinen an Mietshausfenstern zu befestigenden Ansteckbalkon auf sich warten lässt. Der in mehreren Farben erhältliche Balkon aus Hartplaste bietet Raum für zwei Stühle oder eine Tisch-Stuhl-Kombi mit Auslassungen für Grünzeug, Flaschen, Aschenbecher.

Ähnlich dürftig gestalteten sich die Reaktionen von berufener Stelle auf die schon des Öfteren öffentlich geäußerte Idee des „Mani- und Pediküre-Abteils“ für die Deutsche Bahn, damit man lange Bahnfahrten endlich mal für etwas nutzen kann, wozu man sonst nie kommt. „Entspannt reisen – frisch pedikürt ankommen“ oder „Quer durchs Land mit manikürter Hand“ oder „Deutsche Bahn – einfach schöne Füße“ wären mögliche Werbeslogans für das intern etwas herablassend „Grube’s Nagelstudio“ (mit laut ausgesprochenem Genitiv-Apostroph) genannte Fahrgeschäft.

Die Termine lassen sich selbstverständlich bereits im Voraus beim Ticketkauf im Netz buchen. Auf dem Poster hält eine Modelhand mit Bahnlogos auf den UV-Gel-Pornoschippen eine Bahncard oder einen Kaffeebecher. Und einen immer ausgebuchten „Sparpreis Feilen“ gibt es selbstredend auch, genau wie „1 x Gratis-Hornhauthobeln“ bei einer Verspätung von mindestens 60 Minuten. Für eine perspektivisch hornhautfreie Welt.

Wenn die blöde Bahn sich nicht bald meldet, verkaufe ich die Idee für gutes Geld an Metronom oder die NordWestBahn. Denn: Je kleinstädtischer die Bahnhöfe, desto größer die Nachfrage nach Nailart.

Meine schon etwas ältere Idee, die Herstellung von homöopathischem Zucker, den ich ein bisschen rüttle und danach für Unsummen als pflanzliches Medikament in Apotheken verkaufe, hatte tatsächlich schon so ein findiger Schmock vor mir, wie ich schockiert feststellen musste. Aber homöopathisches Salz für ein gesundes Frühstücksei ist noch frei. Ich werde also demnächst in Bad Reichenhall vorstellig werden und fragen, ob neben Folsäure und Jod noch ein Plätzchen für fantasievolle Potenzen ist. Und auch wenn ich auf taube Ohren stoße: Die Alte Saline ist uns Asthmakranken immer eine Reise wert, vielleicht fahr ich sogar mit der Bahn hin und lasse mir dabei Tribals auf die Nägel malen.

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