Die Wahrheit: Das war's mit dem Fahrrad!
Nach dem vierten oder fünften Unfall ist es genug. Ich habe keine Lust mehr, mich karatemäßig über die küchengroßen Kühler von Geländewagen abzurollen.
N eulich hatte ich wieder einmal einen Unfall mit dem Fahrrad. Fuhr über die grüne Ampel, und da war dieser dünnschissfarbene Geländewagen von Volvo. Ich sah genau, dass der Fahrer in die falsche Richtung schaute, während er rechts blinkte, und ich dachte: „Das kann nicht sein, oder? Dass der mich nicht sieht!“, aber es konnte durchaus sein, der schaute einfach in die falsche Richtung, und noch bevor ich ans Bremsen denken konnte … na ja, man kennt das ja aus den entsprechenden Statistiken.
Es war mein vierter oder fünfter Unfall nach dem gleichen Slapstickdrehbuch. Noch jedes Mal gelang es mir, mich karatemäßig über die Motorhaube abzurollen und – anders als mein Fahrrad – mit dem Schrecken und leichteren Prellungen sowie Schürfwunden davonzukommen. So auch diesmal, obwohl das Abrollen über eine einbauküchengroße Kühlerlandschaft kniffliger zu bewerkstelligen ist als etwa das Abrollen über die flache Schnauze eines Jaguars E.
Kurioserweise war ich gerade auf dem Weg zu meinem Motorradhändler. Das Moped, heißt es, sei ein irrsinnig gefährliches Vehikel, man kennt das ja aus entsprechenden Statistiken. Seltsamerweise bewege ich seit inzwischen einem Vierteljahrhundert nicht eben schwachbrüstige Krafträder, ohne dass mir jemals etwas passiert wäre – diesen einen Vorfall im Schwarzwald ausgenommen, als ich beim bekifften „In die Landschaft gucken“ schlicht vergessen hatte, zum Anhalten die Füße auf den Boden zu stellen. Sobald ich mich aber auf ein Fahrrad setze, ist es, als dächte mein Schutzengel: „Ach Gottchen, ein Fahrrad! Wie putzig. Soll er strampeln, ich lege jetzt mal die Beine hoch …“
Dabei sehe ich die Sache ganz anders als mein Schutzengel und weiß, wie gefährlich das Radeln ist. Radfahrer sind im Verkehr stehende Hindernisse. Ihre Knautschzone ist der Luftraum. Aufreizend unbeschwert halten sie tonnenschweren Ungetümen ihre verletzlichen Weichteile hin, als wollten sie sagen: „Tut mir nichts, sonst …!“ Sonst was? Sonst werde ich zermalmt, und dann kannste mal sehen?
Ich begreife das nicht. Auch nicht, warum Müttern mit arglosem Nachwuchs im grotesken Anhänger nicht ambulant das Sorgerecht entzogen wird. Oder ob Liegeradfahrer wirklich glauben, ihr lächerlicher Winkewimpel könne sie vor mahlenden Zwillingsreifen bewahren.
Radfahrer sind im Recht und wünschen, die Welt möge dies anerkennen und sich zu ihren Gunsten verändern. Es ist, als führen sie nicht mit Muskelkraft, sondern angetrieben und zugleich gepanzert vom eigenen guten Gewissen. Würde das Fahrrad heute erfunden, es müsste morgen aus Sicherheitsgründen verboten werden. Abgesehen von der entwürdigenden Prozedur, immer dann seine Reifen aufpumpen zu müssen, wenn gerade nicht die Kette abgesprungen oder es mal wieder gestohlen worden ist.
Jedenfalls war’s das jetzt mit mir und dem Fahrrad. Endgültig. Ich werde mich sichereren Fortbewegungsmitteln widmen. Apnoetauchen oder Wingsuitfliegen. Ob’s hilft, das entnehmen Sie bitte den entsprechenden Statistiken.
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