Die Verständnisfrage: Wann ist Flirten nicht okay?
Ist es in Ordnung, Leute anzumachen, die in einer monogamen Beziehung sind? Klar, sagt eine Viel-Flirterin. Flirten bedeute vor allem Wertschätzung.
In der Verständnisfrage geht es jede Woche um eine Gruppe, für deren Verhalten der Fragesteller_in das Verständnis fehlt. Wir suchen eine Person, die antwortet.
Mariella, 22, Medizinische Fachangestellte aus Hamburg fragt:
Liebe Flirter*innen, was denkt ihr euch dabei, Leute anzumachen, von denen ihr wisst, dass sie vergeben sind?
Maya, 35, Softwareentwicklerin aus Berlin antwortet:
Ich habe schon sehr häufig Personen angeflirtet, von denen ich wusste, dass sie in einer Beziehung sind. Flirten bedeutet für mich erst mal vor allem eine Form von Wertschätzung. Ich zeige einer Person: Hey, ich finde dich interessant. Ich gebe dir Aufmerksamkeit. Das mache ich auch bei Menschen, die in einer monogamen Beziehung sind. Aber nur, wenn ich das Gefühl habe, sie sind offen dafür und es eine Situation ist, in der das für sie angenehm sein könnte.
Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.
Ich habe schon oft erlebt, dass Leute positiv überrascht waren, wenn ich sie anflirte, gerade monogame Leute. Sie fühlten sich geschmeichelt. Gleichzeitig mache ich immer klar: ich respektiere deine Wünsche und deine Grenzen. Also wenn du solche Situationen nicht magst, ist das völlig okay, aber gehe nicht davon aus, dass das andere auch nicht mögen. Viele genießen diese Art von Kontakt.
Auf Signale zu achten, ist grundsätzlich wichtig, wenn man eine Person anflirtet. Den Blick wirklich beim Gegenüber zu haben. Ich habe es schon oft erlebt, dass Leute flirten, weil sie eine Person toll finden und gar nicht darauf achten, ob das für die Person gerade schön ist oder nicht.
Ich bin selbst schon häufig von Leuten, meistens von Männern, angeflirtet worden, die mein Nein nicht verstanden haben oder nicht verstehen wollen. Sie versuchen es nochmal nach dem Motto: „Ach, warum denn nicht? Ich bin doch so ein süßer Typ.“ Ich denke dann: Wenn du mich anflirtest, dann sollte es um mich gehen. Und nicht um dich.
Ich versuche sehr sensibel für diese Situation zu sein und zu stoppen, wenn ich ein Nein bekomme, auch wenn es ein nonverbales Nein ist. Das können feine Signale in der Körpersprache sein, wenn die Person leicht wegrückt. Sicher habe ich in der Vergangenheit auch schon mal Grenzen falsch eingeschätzt oder überschritten. Wahrscheinlich bin ich auch dadurch besser geworden, dass ich gern und viel flirte.
Für mich ist Flirten etwas Spielerisches. Es geht nicht immer um das Ziel, etwas miteinander anzufangen. Gerade mit solchen Konzepten wie Monogamie kann man auch sehr gut spielen.
Ich selbst lebe polyamor, das bedeutet, dass ich in Mehrfachbeziehungen bin. Ich begehre nicht nur eine Person, sondern mehrere. Alle wissen voneinander und haben idealerweise ein gutes Verhältnis zueinander. Das grenzt es von Betrug ab oder auch einer offenen Beziehung, wo es Sex mit anderen geben darf, aber keine Gefühle.
Zu Studienzeiten war ich Teil einer Clique, in der polyamore Menschen die Mehrheit waren, aber es gab auch monogame Leute, darunter ein Paar. Bei einem Sushi-Essen habe ich die beiden mal angeflirtet – und das voreinander. Nach dem Motto: Wenn du mal diese oder jene Dinge ausprobieren möchtest, du weißt, wo du mich findest. Sie sind monogam geblieben, aber haben später sexuell gemeinsam neue Dinge ausprobiert. Das lag sicher auch an dieser sexpositiven, experimentierfreudigen Atmosphäre zwischen uns allen.
Wenn eine meiner Partnerpersonen vor mir angeflirtet wird, dann ist es für mich oft etwas sehr Positives. Ich darf einem intimen Moment beiwohnen, in dem jemand meine Meinung teilt. Nämlich, dass das eine tolle Person ist.
Häh? Haben Sie manchmal auch diese Momente, wo Sie sich fragen: Warum, um alles in der Welt, sind andere Leute so? Wir helfen bei der Antwort. Wenn Sie eine Gruppe Menschen besser verstehen wollen, dann schicken Sie Ihre Frage an verstaendnis@taz.de.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit
Kanzlerkandidat-Debatte
In der SPD ist die Hölle los
Russischer Angriff auf die Ukraine
Tausend Tage Krieg
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Verfassungsklage von ARD und ZDF
Karlsruhe muss die unbeliebte Entscheidung treffen
BSW stimmt in Sachsen für AfD-Antrag
Es wächst zusammen, was zusammengehört