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Die Verbrechen von NestléDer Mord sei „verjährt“

Nestlé räumt die illegale Bespitzelung von Attac ein. Das Verfahren um die Mitverantwortung an der Ermordung eines Gewerkschaftlers geht weiter.

Der Prozess zur Bespitzelung von Attac wird nicht fortgesetzt. Es drohe ein „erhöhter Imageschaden“. Bild: dpa

GENF taz | Die Firma Nestlé, weltgrößter Multi und Nahrungsmittelkonzern mit Hauptsitz in Vevey im Westschweizer Kanton Waadt, leugnet nicht länger, in den Jahren 2003 bis 2008 die kantonale Attac-Gruppe mit illegalen Methoden infiltriert und ausspioniert zu haben. Die Gruppe plante damals ein kritisches Buch über das Unternehmen.

Im Januar dieses Jahres hatte ein Zivilgericht in der Kantonshauptstadt Lausanne Nestlé und die von dem Konzern mit der Spionage beauftragte „Sicherheitsfirma“ Securitas wegen dieser illegalen Praktiken zu einer Entschädigungszahlung von je 3.000 Franken an Mitglieder der Attac-Gruppe verurteilt. Dieses Urteil wurde jetzt rechtskräftig, nachdem Nestlé auf die ursprünglich angekündigte Berufung verzichtete.

Nach Informationen der taz aus der Konzernzentrale gelangte die dortige Rechtsabteilung zu der Einschätzung, dass die Beweise gegen das Unternehmen „erdrückend“ und die Chancen auf eine Revision des Urteils in einer höheren Instanz daher „minimal“ seien. Stattdessen drohe durch einen fortgesetzten Prozess ein „erhöhter Imageschaden“.

Nachdem die Bespitzelung von Attac 2008 aufgeflogen war, konnte sich Nestlé, wichtigster Arbeitgeber im Kanton Waadt und größter Steuerzahler in der Schweiz, zunächst auf den ursprünglich zuständigen Waadtländer Untersuchungsrichter Jaques Antenen verlassen. Dieser stellte die Ermittlungen bereits 2009 ohne Bemühen um die Sicherung von Beweisen zunächst ein – was in Schweizer Justizkreisen den bis heute nicht ausgeräumten Verdacht einer Gefälligkeitsentscheidung für Nestlé erweckte.

Gefälligkeitsentscheidungen für Nestlé

Denselben Verdacht erregte auch der Anfang Mai erfolgte Beschluss der Waadtländer Staatsanwaltschaft, die bereits im Februar 2012 eingereichte Strafanzeige gegen Nestlé sowie fünf ehemalige führende Manager des Konzerns wegen Mitverantwortung für die Ermordung des kolumbianischen Gewerkschafters Luciano Romero im Herbst 2005 „nicht anzunehmen“ und „keine Sachermittlungen einzuleiten“.

Der sieben Jahre zurückliegende Mord sei „verjährt“, heißt es in der Einstellungsverfügung. Gegen diese Entscheidung legte die Witwe Romeros am letzten Freitag Beschwerde beim kantonalen Strafgericht in Lausanne ein. Unterstützt wird die Beschwerde von der kolumbianischen Gewerkschaft Sinaltrainal und dem Europäischen Zentrum für Verfassungs-und Menschenrechte (ECCHR) in Berlin, die vor 14 Monaten auch die ursprüngliche Strafanzeige eingereicht hatten.

Die Beschwerde wendet sich gegen die Behauptung der Verjährung und rügt außerdem einen Verstoß der Strafbehörden gegen ihre Ermittlungspflichten. Sollten die gegen die fünf ehemaligen Nestlé-Manager angezeigten Taten als vorsätzlich zu qualifizieren sein, käme nach Einschätzung des ECCHR eine 15-jährige Verjährungsfrist in Betracht – die Taten wären in diesem Fall also noch nicht verjährt.

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12 Kommentare

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  • C
    Claudi

    Mord verjährt niemals !!

     

    Schon gar nicht Mord aus Habgier. Solche Firmen sollen nicht nur von uns hier boykottiert werden, sondern als Sanktion sämtliche geschäftliche Tätigkeiten weltweit entzogen und für den Mord erheblich bestraft werden.

     

    Es kann ja wohl nicht sein, das ein Menschenleben nichts mehr wert ist in dieser Welt.

  • I
    Irmi

    Wie kann Mord verjähren ? Es ist ja nichts Neues das diese wie viele andere Firmen Länder ausplündern, die Menschen ausnutzen. Leider ist es auch so, das viele Regierungen solcher Länder korrupt sind. Korrupt ist aber auch das Verhalten solcher Firmen, die sich so gerne als sozial darstellen und keinerlei Rücksicht auf die in den Ländern lebenden Menschen nehmen.

     

    Die Gier der Firmen ist nur noch auf eigenen Profit gerichtet. Die Menschen die in den div. Ländern betrogen und geplündert werden, sollten die Menschen aus dem Land jagen.

     

    Das Argument, dann hätten die Menschen nichts mehr, mag einerseits richtig sein, aber dann haben sie ihre Lebensmittel und ihre Natur wieder für sich, auch wenn es mühsamer sein mag. Aber zuzusehen, wie sich Firmen aus fremden Ländern sich ihrer Natur, ihrer Erdschätze hemmungslos für sehr wenig Geld bedient, nicht selten die eigenen Regierungen gleich mit, darf einfach nicht sein.

  • IN
    Ihr neuer Pappsi

    @ P. Meisel,

    der Staat will Wasser selber verkaufen, weil er damit verdienen will. Kontrollieren will er nur insoweit, als es unbedingt notwendig ist. Fragen Sie mal bei der Umweltbehörde nach Pestiziden im Grundwasser.

     

    Und natürlich will man bei den Wasserwerken die Parteigänger unterbringen. Oder was haben Sie erwartet ? Glauben Sie nicht, daß man (CDU) in der Wasserschutzzone zwei einen illegalen Bauernhof duldet?

     

    Und was glauben Sie, wie viele Giftgärten im Wassereinzugsgebiet liegen? Kennen Sie ein Giftkataster?

  • IN
    Ihr neuer Pappsi

    es gab eine Zeit, da war der politisch bewußte Einkauf zmindest bei "vielen" Kirchenmitgliedern eine verbreitete Sache. Ich selbst habe außer der Wagner Pizza sonst keine (mir bekannten) Nestlé Artikel gekauft, konsequent - seit: 1974 - das ist möglich.

     

    !!!! (= vier Ausrufezeichen).

     

    Wer traut sich, das nachzumachen.

  • RU
    Rücksichtslosigkeit und Gier regiert die Welt

    Wenn die Gerichte in vielen Ländern funktionieren würden, wenn Gerichte allgemein mal hinter den Menschen z. B. Kongo stehen würden und nicht den Geldgeiern und deren Beteuerungen stets glauben würden, dann gäbe es noch Urwald. Der Wald ist für die Menschen im Kongo nicht nur ein Wald, er gibt ihnen sogar Wohnraum, Schutz vor Rebellen und Vergewaltigern, der Wald gibt ihnen wichtige Nahrung und Medizin. All das wird ihnen von den Geldgeiern genommen und wir hier kaufen noch das Holz, weil man was edles haben will für wenig Geld, nach dem Motto Geiz ist geil. Was zählt, den Industrieländern muss es gutgehen.

     

    Im Zuge der Globalisierung gehen in solchen Ländern div. sogenannte Investoren rücksichtlos, teilweise sogar brutal gegen die Menschen dort vor und es wird abgeholzt so viel nur gerade machbar ist. Auch da ist ganz besonders eine deutsche Firma zuständig die jetzt auch ihren Sitz in der Schweiz hat.

  • C
    Company

    "Unter einer kriminellen Vereinigung versteht man einen Personenzusammenschluss von gewisser Dauer, dessen Zweck oder Tätigkeit darauf gerichtet ist, Straftaten zu begehen. Mit der kriminellen Vereinigung befassen sich das Grundgesetz in einer abstrakten Verbotserklärung (Art. 9 Abs. 2 GG), das öffentliche Vereinsrecht, das die ordnungsbehördliche Umsetzung des Verbots und die Auflösung der kriminellen Vereinigung regelt (§ 3 VereinsG), und das Strafrecht (§ 129 StGB)."

     

    Wann werden juristische Person wie Firmen mit dem gleichen Recht wie alle andere betrachtet?

  • HC
    Hotel Columbus

    Ist der Rudolf Bossle, ex Boß der Deutschen Nestlé GmbH, Mitglied „Im Ritterorden vom Heiligen Grab“, Kollegen Adenauer, Kohl u.a., der ein Buch über die "Theorie der Immaterialisierung volkswirtschaftlicher Güter", "Astrologie für Manager" mit dem widerlichen Lothar Bossle aus der Würzburger Doktorfabrik verwandt?

    Solche Personen erhalten in Deutschland Dozententätigkeit, darf an die Jugend heran und diese bilden.

    Deus lo vult, sie führen ihren Krieg mit Scheckbüchern weiter wie gehabt. Vor allem aus Bayern.

    http://www.zeit.de/1994/13/dunkle-ritter-im-weissen-gewand/seite-2

    Die NSU und NPD ist nur die kleine Spitze eines Berges.

    Welche Firma mit sensiblen Daten würde Securitas einen Auftrag geben wollen?

  • V
    vic

    Es gibt Konzere, von denen ich nichts kaufe.

    Nestlé ist so einer.

  • W
    WUT

    Ich habe in Erinnerung, dass nacheinander 2 Gewerkschafter in Nestle-Betrieben in den Philippinen ebenfalls ermordet wurden. Auf "landestypische" Weise: Von einem fahrenden Motorrad aus. Die damalige Präsidentin hat allerdings auch mit über 1000 unaufgeklärten Morden gegen "Linke" und sonstige Regimegegner ohnehin einen Negativrekord für ihr Land aufgestellt. Jetzt ist sie immerhin inhaftiert.

  • MM
    Markus Müller

    Verjährt Mord nur in Deutschland nicht?

    Juristen,klärt mich auf!Finde das ein unglaubliches Verhalten.Wieder ein schönes Beispiel für die "Unabhängigkeit" der Justiz.

  • BB
    B. Beck

    Oh das wäre mal eine gute Erfolgsnachricht,

    wenn so ein Multi plötzlich den "kleinen Mann" fürchten müsste.

    Vielleicht wäre dies ein wichtiger Meilenstein im Feldzug gegen den Kapitalismus und die Machenschaften der Konzerne.

     

     

     

    Menschen aller Völker vereinigt euch!

  • PM
    Peter Meisel

    NESTLé hat gerade wieder einen Kunden Verloren weltweit: mich!

    wegen der Wasserprivatisierung, wegen der Kritik zu Attac, und damit auch als Kunde des Club Med in der Schweiz.

    Salut, Peter Meisel