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Klimaschutz in der Schifffahrt„Die USA könnten die COP30 sabotieren“

Germanwatch-Experte David Ryfisch kritisiert die vertane Chance auf einheitliche Klimaregeln in der Schifffahrt. Die USA verhinderten dies.

Containerschiffe im Hamburger Hafen: Gebe es ein Dekarbonisierungsziel für die Schifffahrt, wäre der Klimaschutz schon viel weiter Foto: reuters/Cathrin Müller
Hermannus Pfeiffer

Interview von

Hermannus Pfeiffer

taz: Alle Ampeln schienen auf „Grün“ zu stehen, als vor zwei Wochen der Umweltausschuss der Internationalen Schifffahrtsorganisation (IMO) über ein Klimapaket für die globale Schifffahrt entschied. Werftindustrie, Reedereien und auch Umweltverbände waren vor dem Treffen optimistisch gestimmt. Was ist passiert?

David Ryfisch: Die USA haben auf beispiellose Art und Weise Druck auf Regierungen aufgebaut und sogar Ver­hand­le­r:in­nen mit massiver Einschüchterung unter Druck gesetzt. Alle Regeln der Diplomatie wurden auf der IMO-Sondersitzung missachtet.

taz: Was beabsichtig die US-Regierung mit ihrer Blockadepolitik?

Ryfisch: Das Verhalten der US-Regierung zeigt, dass sie zum Schutz fossiler Interessen keine Tabus mehr kennt. Sie sabotiert etablierte multilaterale Prozesse und Institutionen. Nun wurde ein über Jahre erarbeitetes Rahmenwerk für globalen Klimaschutz in der internationalen Schifffahrt auf den letzten Metern aufgehalten. Leider hat es an ausreichend Führung und Widerstandskraft der vielen progressiven Stimmen gefehlt.

Im Interview: David Ryfisch

ist Ökonom und leitet bei der Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch den Bereich zukunftsfähige Finanzflüsse.

taz: Sind es allein die Vereinigten Staaten, die das IMO-Klimapaket torpedieren?

Ryfisch: Nein, weitere Petrostaaten wie Saudi-Arabien und Russland unterstützten sie dabei. Eine knapp ausreichende Anzahl an Regierungen änderte daraufhin in letzter Minute ihre Position – trotz mehrheitlicher Übereinstimmung, dass der Schifffahrtssektor dringend dekarbonisiert werden muss. Besorgniserregend ist dabei auch, dass die EU nicht mit einer Stimme sprechen konnte – Griechenland und Zypern spalteten sich von den restlichen Mitgliedstaaten ab.

taz: Dabei gibt es sogar starke wirtschaftliche Interessen an einer Dekarbonisierung.

Ryfisch: Tatsächlich haben sich Wirtschaftsakteure – insbesondere große Reedereien – deutlich für das Rahmenwerk positioniert. Auch die Wasserstoffwirtschaft, die mit dem Rahmenwerk einen wichtigen Nachfrageschub erfahren hätte, muss einen weiteren Rückschlag verdauen. Weitere Wirtschaftsakteure gehören zu den Verlierern, sie haben nun mit zusätzlicher Unsicherheit zu kämpfen. Dies gilt beispielsweise für wasserstoffabhängige Branchen wie etwa Stahl, die dringend eine robuste Nachfrage nach Wasserstoff brauchen.

taz: Ist dies das endgültige Aus für eine umweltverträglichere maritime Wirtschaft?

Ryfisch: So weit würde ich nicht gehen: Die endgültige Entscheidung der Internationalen Schifffahrtsorganisation IMO wird nun aber zumindest um ein Jahr vertagt.

taz: Befürchten Sie Auswirkungen, die über die maritime Wirtschaft hinausreichen?

Ryfisch: Nach dieser Woche in London muss damit gerechnet werden, dass die USA bereit sein könnten, die anstehende COP30 in Brasilien zu sabotieren. Das Drama von London ist daher ein Weckruf an alle Regierungen vor der anstehenden COP: Die Klimadiplomatie ist im Kreuzfeuer der Staaten, die das fossile Geschäftsmodell verlängern wollen. Regierungen pro Klimaschutz müssen die kurze Zeit nun nutzen, um eine starke Allianz zu formen.

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