piwik no script img

Die Républicains nach der WahlOpfer einer „Hexenjagd“

Enttäuschung und Zurückhaltung im Fillon-Lager. Viele Anhänger schieben die Niederlage der Justiz zu. Wen wählen sie in der zweiten Runde?

Zum Feiern war ihnen nicht zumute: Anhänger von François Fillon Foto: ap

Paris taz | Eine knappe Stunde nach der bitteren Neuigkeit wird im Wahlkampfzentrum von François Fillon schon eingepackt. Der konservative Kandidat hat mit relativ großem Abstand zu Emmanuel Macron und Marine Le Pen die zweite Runde der Präsidentschaftswahl verpasst. Es ist das Ende eines nervenaufreibenden Wahlkampfs, der durch das Ermittlungsverfahren gegen den ehemaligen Premierminister getrübt wurde.

Die Stimmung war an diesem Wahlabend sowieso nie so richtig gelöst. Einige Minuten vor der Bekanntgabe der Prognosen versuchen die überzeugten Anhänger Fillons, sich optimistisch zu geben. Eher wenig überzeugend. Einige haben ihren Blick auf das Smartphone geheftet, andere tuscheln mit der Hand vor dem Mund, als würden sie über Staatsgeheimnisse sprechen.

Camille verliert sich in hoffnungsvollen Szenarien. Die 38-Jährige möchte nicht, dass Le Pen in die zweite Runde kommt, und stellt sich sogar einen Moment lang vor, am 7. Mai einen Wahlzettel für Mélenchon abzugeben, um die Kanidatin des Front National zu stoppen. Daniel will seinen Kandidaten nicht bedrückt sehen. „Er war am Ende ganz allein, der Arme. Er hat getan, was er konnte, ohne aufzugeben“, sagt der 66-Jährige.

Um 20 Uhr ist die Messe gelesen. Fillon kommt nicht über 20 Prozent, ein Ergebnis, das seine Anhänger ohne einen Laut zur Kenntnis nehmen. Mit einem Glas Wein in der Hand hofft Sam auf ein gutes Abschneiden der Konservativen bei der kommenden Parlamentswahl, um „unsere Institutionen und unser Programm zu beschützen“. Der junge Mann hat nur wenig Vertrauen in Emmanuel Macron, den er „eher schwach“ einschätzt.

Neben ihm trumpft ein Freund auf: „Er ist schon stark, dieser Hollande. Er schafft es, seinen Klon wählen zu lassen!“ Dasselbe Gefühl hat auch Xavier, der schätzt, dass der Kandidat von En Marche „vom System geschützt“ und sogar „getragen“ wurde.

„Die Wahl war manipuliert“

Während im Fernsehen einige Abgeordnete der Républicains schon kaum verhüllt Kritik an Fillons Wahlkampf äußern, sehen die treuen Anhänger noch keinen Grund zur Bestandsaufnahme. Sie bestehen darauf, dass ihr Kandidat Opfer einer „Hexenjagd“ war, einer „geheimen Absprache zwischen Regierung und Justiz“.

Xavier sagt, er habe es sich „reiflich überlegt“: „Die Wahl war manipuliert, sogar gestohlen.“ Auf der Straße stützt sich eine alte Dame auf einen Zaun und regt sich über „die Scheiß-Journalisten“ auf. Für diese Fans ist es noch zu früh, darüber nachzudenken, wen sie in zwei Wochen wählen werden.

„Ich werde weder die eine noch den anderen wählen“, sagt die 58-jährige Marie-Laure. „Macron ist ein Zauberkünstler, er wird das Bett für Le Pen machen, die dann in fünf Jahren gewählt wird. Frankreich wird zehn Jahre verlieren. Ich denke sogar darüber nach, in vierzehn Tagen für Madame Le Pen zu stimmen, damit die Konservativen das Land 2022 wieder in Ordnung bringen können.“

Kooperation mit „Libération“

Die taz und die französische Tageszeitung Libération machen journalistisch gemeinsame Sache. Wir arbeiten erst zur Wahl in Frankreich und dann zur ­Bundestagswahl zusammen. Dieser Beitrag ist Teil der Kooperation.

Catherine geißelt die fehlende Erfahrung des „jungen Mannes“ Emmanuel Macron. „Sehen Sie sich die Gefahren an, die auf der Welt lasten, das, was sich in Korea abspielt, in Syrien … Ich denke, ich werde einen leeren Stimmzettel abgeben.“

Manche Anhänger Fillons haben sich aber auch anders entschieden. Sie wollen dem Front National den Weg versperren. „Das Wichtigste ist es, sich hinter Macron zu stellen, das hat François Fillon ganz klar gesagt“, gesteht sich Jean-Baptiste ein. „Ich bin liberal, europäisch, christlich-demokratisch: Diese Ideen sind seinen doch viel näher als denen von Marine Le Pen.“ Michaël wird sich genauso entscheiden, selbst wenn er „weder die Ideen noch die Methoden“ des ehemaligen Wirtschaftsministers unter François Hollande schätzt.

Übersetzung aus dem Französischen: Belinda Grasnick

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • Frankreichs Konservative hatten, genau wie alle anderen, jahrzehntelang Zeit, „das Land [...] in Ordnung [zu] bringen“. Sie haben es nicht getan. Sie haben sich statt dessen auf den eigenen Kontostand konzentriert, die eigene Karriere oder das eigene Image. Auf dass der dumme Rest der Welt endlich kapieren möge, wer führen sollte: nämlich sie.

     

    Das sehen Andere nun offenbar ein wenig anders. Sie melden selbst Ansprüche an. Kein Wunder, das. Sie rangeln schließlich alle um den selben „Markenkern“. Die Anhänger der rechten Le Pen, des konservativen Fillon, des neoliberalen Macron und sogar des angeblich linken Mélenchon führen einen Kampf um kulturelle Formen und um Stil, keinen um politische Ideen. Sämtlichen Kandidaten geht es vor allem um die Frage, wer wem befehlen dürfen sollte: Die „Basis“ einem „Überbau“ - oder doch eher umgekehrt.

     

    Einig ist man sich (auch mit der Mehrheit aller potentiellen Wähler) schon dahingehend, dass manch einer gleicher sein bzw. werden oder bleiben muss. Von wegen: Gleichheit unter Brüdern und so fort...! Es geht um eine Hackordnung, sonst nichts. Deswegen fällt es auch so vielem Wählern*innen leicht, vom eignen Kandidaten auf den „zweiten Sieger“ ihres Herzens umzuschwenken – oder das Wählen gleich ganz sein zu lassen.

     

    Allerdings: Wer sich als Franzose nicht für grundlegend verschieden hält von allen anderen, der hätte aus der Geschichte seiner deutschen Nachbarn lernen können. Dem Front National mit einem empörten „pfui!“ seinen „Weg versperren“ zu wollen, wenn er erst einmal rechts marschiert, ist schlechterdings unmöglich. Stilfragen sind ja schließlich nichts, was unverzichtbar wäre, wenn der Ernstfall droht.

     

    Mag sein, dass es Le Pen für fünf Jahre aufhält, wenn sich Fillons Wähler in der Stichwahl hinter Macron stellen. Dann allerdings wird der Triumph nur um so größer werden. Auf Dauer kann man sich der eigenen Verantwortung halt nicht entziehen. Es rettet einen nicht, wenn man mal wieder brav ist und auf seinen Leader hört.