Die Nato in Polen: „Wir haben lange auf euch gewartet“
3.500 US-Soldaten sollen künftig die Ostflanke Polens sichern. Sie werden willkommen geheißen. Denn sie gelten als langersehnter Schutz vor Russland.
Mehr als 200 Jahre sollte es dauern, bis Polen ausländische Armeeverbände in ihrem Land wieder willkommen heißen würden: Am vergangenen Wochenende trafen die ersten US-amerikanischen Soldaten ein, 3500 werden es insgesamt, und sie haben schweres Gerät dabei. Zum Beispiel 87 Kampfpanzer und Haubitzen. Im Rahmen der Operation „Atlantic Resolve“ sollen sie die Ostflanke der Nato sichern – gegen eine mögliche russische Aggression.
Einen Triumphbogen haben die Polen ihnen zwar nicht gebaut, dafür aber gab es Begrüßungsfeste von Gdingen bis Krakau. US-Fahnen wurden geschwenkt und Selfies mit den GIs geschossen.
Im westpolnischen Żagań, wo sich mehrere Truppenübungsplätze befinden, trat am Samstag Premierministerin Beata Szydło vor die Brigade aus Übersee. „Das Land heißt die Repräsentanten der großartigsten Armee der Welt willkommen“, sagte sie. Und ihr Verteidigungsminister Antoni Macierewicz fügte hinzu: „Wir haben lange auf euch gewartet, jahrzehntelang.“
Nato-Beitritt im Jahr 1999
1993 zog die Rote Armee aus Polen ab, seitdem war eine Integration des Landes in westliche Kooperationsstrukturen das oberste Ziel der Außenpolitik. 1999 trat Polen der Nato bei. Jenes Ereignis ist für viele so wichtig wie die EU-Mitgliedschaft.
„Russland ist für uns eine reale Gefahr“, sagt Bartosz Wieliński, Chef des Auslandsressorts der Gazeta Wyborcza, Polens größter Tageszeitung. „Mit bloßen Zusicherungen haben wir in unserer Geschichte schlechte Erfahrungen gemacht, 1939 teilten Deutschland und die Sowjetunion uns einfach auf – und die Alliierten sahen zu“, so Wieliński. Deswegen sei es notwendig, US-Truppen im Land zu haben.
Das war bisher trotz Polens Nato-Mitgliedschaft nicht der Fall. Lange diskutierten die Partner des Verteidigungsbündnisses über eine permanente Stationierung westlicher Verbände in Osteuropa. Aus Rücksicht auf russische Sicherheitsbedürfnisse und eine entsprechende Reaktion wurde davon abgesehen – bis zur Annexion der Krim durch Russland im März 2014 und zur Eskalation des Konflikts in der Ostukraine.
Seitdem werden die Ängste der Polen wie auch der Balten vor einer Auseinandersetzung mit Russland in Brüssel und Washington ernst genommen. Und was sagt man in Berlin dazu? „Das dürfte in Russland als konkrete Kriegsvorbereitung wahrgenommen werden“, so die Linken-Fraktionschefin Sarah Wagenknecht. Auch Dietmar Woidke äußerte sich kritisch: „Das hilft uns nicht weiter“, sagte der brandenburgische Ministerpräsident.
Bundeswehrsoldaten in Litauen
„Was ein SPD-Mann sagt, ist das eine“, so Marek Świerczyński, Analyst und Sicherheitsexperte beim Warschauer Beratungsunternehmen „Polityka Insight“. Die meisten Entscheidungsträger in Deutschland sähen die Sache anders. Das zeigt, dass 500 Soldaten der Bundeswehr schon am 19. Januar nach Litauen geschickt werden. Sie sind Teil der „Enhanced Forward Presence“ (EFP) – einer Mission, an der sich im Baltikum noch weitere Nato-Länder beteiligen, etwa Großbritannien oder Kanada.
Die US-Truppenverlegung ist eine der größten der Armee seit dem Ende des alten Ost-Westkonflikts. Beschlossen wurde sie auf dem Nato-Gipfel im vergangenen Juli in Warschau, was Vertreter der regierenden PiS-Partei (Recht und Gerechtigkeit) gerne betonen. Zwar können sie das als Erfolg für sich verbuchen, aber alle anderen Parteien im Sejm, dem polnischen Unterhaus, stimmen der Präsenz von US-Truppen im Land zu.
„In Sachen Sicherheitspolitik herrscht ein weitgehender Konsens über alle politischen Lager hinweg“, sagt Berater Świerczyński. Selbst in der polnischen Gesellschaft seien es nur einige „Ultrapazifisten“, die protestieren würden.
Die US-Truppen rotieren nach neun Monaten, sie werden dann also durch neue Einheiten ersetzt. Ob es bei diesem Prinzip bleibt, wenn in Washington erst einmal Donald Trump Präsident ist, weiß derzeit allerdings keiner.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu
Wanted wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Jeder fünfte Schüler psychisch belastet
Wo bleibt der Krisengipfel?
Krieg in der Ukraine
USA will Ukraine Anti-Personen-Minen liefern