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Die „Mitte“, Pflege, ÓrbanIdeenstaubsauger Merkel

Die „Mitte“ will gegen Rechtsextremismus sein, tut aber nichts dafür. Pflegekräfte arbeiten immer noch zuviel und Despoten bleiben Despoten.

Merkel sozialdemokratisierte schneller als der Schatten, den sie von der SPD übrig ließ Foto: dpa

t az: Herr Küpperbusch, was war schlecht vergangene Woche?

Keine Beweise für fremde Intelligenz in UFOs.

Und was wird in dieser besser?

Hoffnung auf unfremde Intelligenz.

Vergangene Woche hielt Angela Merkel ihre vermutlich letzte Regierungserklärung, es schwebte ein Hauch von Abschiedsstimmung und Bewunderung durch den Bundestag. Was werden Sie nach der Ära Merkel wirklich vermissen?

Ihre Lernfähigkeit. Sie kann das im Pirouetten-Stil: Ausstieg aus dem Ausstieg aus dem Atomausstieg, 2011. Im zäh-wie-Gummi-Stil: Gemeinsame europäische Schulden blockierte sie bis zur Pandemie. Und als „Ideenstaubsauger“: Von Mindestlohn bis Mütterrente sozialdemokratisiert sie schneller als der Schatten, den sie von der SPD übrig ließ. Willst du Merkel schmunzeln sehen, erzähle ihr von einem Projekt. Sie hört sich das an und nutzt die Zeit, ihre klügste Reaktion vorzubereiten. Sie ist zäh gegen das Schlechte, das ist gut. Und gegen das Gute, das ist schlecht.

Laut „Mitte-Studie“ sind die offen rechtsextremen Einstellungen in der Mitte der Gesellschaft weniger verbreitet als noch vor zwei Jahren. Gute Neuigkeiten, aber wer genau ist eigentlich diese „Mitte“?

Essen Sie bei McDonald’s? Nein! Und wie schmeckt Ihnen der Big Mac? Super! So lesen sich Details der Studie, wonach „rund 70 Prozent den Rechtsextremismus als größte Bedrohung sehen“, und zugleich eine zunehmende Zahl „selbst hart rechtsextremistisch formulierten Aussagen“ zustimme. 1.750 „deutsche Staatsbürger“ wurden telefonisch befragt, vermutlich antworteten 1.750, sie hätten den Sarrazin im Regal stehen, weil sie den mal geschenkt bekommen hätten. „Mitte“ scheint zu sein, wer das Erwünschte sagt gegen Rechtsextremismus; und zugleich rechtsextreme Haltungen teilt. So belegt die Studie eher, dass mehr Leute gern „rechtsextrem“ wären, wenn es nicht so schändlich klänge.

Pflegekräften aus dem Ausland, die in Deutschland Pa­ti­en­t:in­nen betreuen, steht der Mindestlohn zu. Das entschied das Bundesarbeitsgericht. Bedeutet das jetzt endlich faire Arbeitsbedingungen?

Nein, ein „Armageddon“ und einen „Tsunami“, wie Branchenverbände schockiert riefen. Das Geschäftsmodell funktionierte bisher, weil Frauen 24 Stunden am Tage arbeiteten oder sich bereit hielten – und dafür 30 Stunden pro Woche schlecht bezahlt bekamen. Wenn diese 30 Stunden nun nach Mindestlohn bezahlt werden, sind weitere 138 Stunden zu klären. Kurz: Sobald die gesetzlichen Standards eingehalten werden, erlebt diese Branche ihren Untergang. Die Kirchen als größte Arbeitgeber in dieser Branche sollten mit einem legalen, realistischen Arbeitsmodell vortreten.

Viel Kritik musste sich Ungarns Ministerpräsident Orbán diese Woche wegen seines homofeindlichen Gesetzes anhören – auch von der EU. Kritik ist ja schön und gut. Doch wie geht es jetzt weiter?

Wenn man von Filmen und Büchern schwul werden kann, was zum Teufel hat Orbán konsumiert, um ein so stattlicher Vollorbán zu werden? Luxemburg und Holland deuten einen Rauswurf Ungarns als wünschenswert an – wissend, dass ihnen dazu Macht und Mehrheit fehlt. Und Orbán bedient patriotische Gefühle daheim, indem er in Europa fleißig Feinde sammelt. So ist auch dieser Fall – wie die Fräse gegen Polens freie Justiz – nur ein Argument mehr für einen wirksameren Rechtsstaatsschutz in der EU. Keine Grundrechte, keine Kohle. So einfach wär’s.

Die Uefa verschanzt sich hinter ihren Statuten und verbietet, dass das Münchner Stadion in Regenbogenfarben leuchtet. Hat die Uefa damit ein Eigentor geschossen?

„Diversity“ läuft stets Gefahr, als schmierige Gratis-Charity desodorierend auch noch unter die schlimmste Schurkenachsel gesprüht zu werden. Macht Eindruck und kostet nix. Hier ergab sich, dass in der Uefa zwei konkurrierende Geschäftsmodelle Krieg bekamen: hemmungslose Ranschmeiße an Antirassismus und LGBTQ, und Willfährigkeit gegen potente Despoten. Hat schon etwas Literaturpreiswürdiges, fein unversöhnliches Lügengebäude mit einem Regenbogen zu markieren.

Die deutsche Nationalmannschaft hangelt sich ins Achtelfinale, Leon Goretzka schießt das entscheidende Tor zum Ausgleich. Haben die Deutschen noch Chancen auf ihr Sommermärchen?

Für Goretzkas Herzgeste gen Hooligans hat sich die Sause jetzt schon gelohnt.

Und was machen die Borussen?

Die ganzen Transfergerüchte erinnern mich ungut an die Zeit, als ich mir keine Latein­vokabeln merken konnte.

(Fragen: cas, mlr)

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Friedrich Küppersbusch
Jahrgang: gut. Deutscher Journalist, Autor und Fernsehproduzent. Seit 2003 schreibt Friedrich Küppersbusch die wöchentliche Interview-Kolumne der taz „Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?".
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3 Kommentare

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  • 9G
    95820 (Profil gelöscht)

    "Wo klaufen Sie denn, wo klaufen Sie denn?" "Bei Sozis?" "Oooh. Hui. Wie gemein!" @0.31 min www.youtube.com/watch?v=RqtJSPcqHn8

  • Zitat 1: „So belegt die Studie eher, dass mehr Leute gern ‚rechtsextrem’ wären, wenn es nicht so schändlich klänge.“

    Zitat 2: „Hier ergab sich, dass in der Uefa zwei konkurrierende Geschäftsmodelle Krieg bekamen: hemmungslose Ranschmeiße an Antirassismus und LGBTQ, und Willfährigkeit gegen potente Despoten.“

    Ob die Studie aus Zitat 1 wohl unter Mitwirkung der Uefa-Typen aus Zitat 2 entstanden ist? 🤔

    Mir scheint, der Fußball ist nicht zuletzt deswegen der ergiebigste Goldesel unter allen Sportarten, weil Fans und Organisatoren sich mental überaus ähnlich sind. Außen bunt und innen braun. Wobei - außen bunt? Eigentlich nicht. Eigentlich versichern sich König Kunde und König Dealer permanent gegenseitig, wie schick sie gekleidet sind, obwohl sie beide keinen Faden Irgendwas am nackten Körper haben. Baron Münchhausen wäre begeistert. Der Sport ist halt doch als kleiner Bruder des Krieges geboren, auch wenn das heute niemand mehr wahrhaben will.

  • "Keine Grundrechte, keine Kohle. So einfach wär’s."



    Jein. Besser wäre es, die Kohle nicht der ungarischen Regierung in die Hand zu drücken, sondern gleich den zivilgesellschaftlichen Organisationen. Denn wenn wir sie der Regierung geben, versackt viel davon in den tiefen Taschen mächtiger Leute. Die Zivilgesellschaft könnte das Geld aber durchaus brauchen.



    taz.de/Sportlerinn...n-Ungarn/!5777913/