: Die Lust der Regierung am politischen Suizid
Anlässlich der Kandidatenkür für die Regionalwahlen inszeniert die Mitte-links-Koalition in Rom einen handfesten Streit. Um Inhalte geht es nicht
ROM taz ■ „Wenn Berlusconi uns das Feld überlassen hätte, hätte er einen noch größeren Vorsprung bei den Wählern.“ Die Bilanz, die Premier D’Alema dieser Tage vom Erscheinungsbild seiner Mitte-links-Koalition zog, ist nicht gerade schmeichelhaft. In der Tat scheint es, als säßen die besten Wahlhelfer des oppositionellen Rechtsblocks um Berlusconi vor allem in der Regierung.
Am 16. April stehen in 15 der 20 italienischen Regionen die Wahlen der Präsidenten wie der Parlamente an – ein entscheidender Test für die Regierung D;Alema. Doch statt den Wahlkampf aufzunehmen, leistet sich Mitte-Links einen Hauskrach erster Güte.
Anlass ist die Nominierung des Kandidaten für das Amt des Regionspräsidenten in Kampanien. Erst fand sich kein Politiker aus dem Regierungslager, und jetzt hat die Koalition zwei Aspiranten. Der eine Anwärter ist der Linksdemokrat Antonio Bassolino. Widerwillig hat der populäre Bürgermeister von Neapel die Kandidatur angenommen. Als er sich weigerte, den Stuhl im Bürgermeisteramt für eine Politikerin der Partito Popolare Italiano (ein Splitter der früheren Christdemokratie) freizumachen, folgte die Rache auf dem Fuß. Die Partito Popolare kürte einen eigenen Kandidaten, forderte Bassolino zum Rückzug auf und droht, andernfalls allein gegen die Koalition anzutreten, wohlwissend, dass von einer Spaltung nur der Rechtskandidat profitieren kann.
Erneut zeigt die Regierungskoalition eine Lust am Suizid, die sich in den letzten Monaten bemerkbar machte. D’Alema träumte vor einigen Jahren von einem „normalen Land“ mit stabilen, handlungsfähigen Regierungen. Stattdessen verwaltet er einen kontinuierlichen Koalitionskrach. Dabei geht der Streit ungetrübt von inhaltlichen Kontroversen über die Bühne. Der Minister Antonio Maccanico konstatiert eine „Obsession“ der Regierungsparteien, die eigene Identität zu verteidigen. Der Grüne Mauro Paissan sieht die Koalitionspartner von einem „Syndrom der Sichtbarkeit“ befallen.
Sichtbar wollen alle sieben in der Regierung vertretenen Parteien sein, vorneweg die Kräfte der politischen Mitte. So verschleißen Romano Prodis Democratici den Ministerpräsidenten mit der Frage, ob er der Mann sei, mit dem man 2001 die Wahlen gewinnen könne. Die Udeur (ein weiterer christdemokratischer Splitter) gestaltet ihre Mitwirkung in der Koalition als Postenpoker. So beklagt sich die Partito Popolare über das „Hegemoniestreben“ D’Alemas und seiner Linksdemokraten und torpediert aus Angst vor „Gesichtsverlust“ die Bassolino-Kandidatur. Besser ehrenvoll sterben als ehrlos leben, verkündet der Popolare-Promi Ciriaco De Mita. In Bologna war die Koalition mit diesem Selbstmordrezept im letzten Jahr erfolgreich. Ehre hat ihr die Übernahme der roten Vorzeigestadt durch einen Berlusconi-Mann nicht eingetragen. MICHAEL BRAUN
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