Die Kunst der Woche: Papier, ins Rollen gebracht

Das Haus des Papiers lädt zum Papierkunstfestival „papier & klang“. Als Erstes eröffnet hat eine Ausstellung im Willy-Brandt-Haus. Ein genialer Auftakt.

Blick auf eine Masse aus unzähligen gerollten Kugeln aus Papier. Das Papier ist weiß, mit schwarzen und roten Elementen, die wieder aus dem Papier hervorblitzen.

Seit 1991 formt Nham-hee Völkel-Song die Papierperlen-Installation „Saatgut der Worte“ neu Foto: Carsten Schmale; VG Bild-Kunst 2023

Papier in all seinem materiellen Potential, vom delikaten Bildträger bis zur raumaktivierenden Installation – alls das feiert das vom Haus des Papiers präsentierte Kunstfestival „papier & klang“. Neben Ausstellungen im Willy-Brandt-Haus, im Museum für Kommunikation Berlin, im Projektraum Die Möglichkeit einer Insel und im Haus des Papiers selbst umfasst das Festival Performances und Projektwerkstätten, unter anderem in der Jugendkunstschule FRI-X BERG, in der ein Kinderpapierorchester entstand.

Die Anfang Juli eröffnete Ausstellung im Erdgeschoss und den Räumen der Regine-Hildebrandt-Galerie im Willy-Brandt-Haus ist so vielfältig und reich bestückt, dass an dieser Stelle nur einige Positionen genannt seien, um die Bandbreite, mit der der Werkstoff hier zelebriert wird, abzubilden.

Für ihre Installation „Der Lärm der Stille“ im Erdgeschoss hat Jutte Steudle Papierbahnen mit Acryl und Lack in matten Schwarz- und Salbeitöne eingestrichen. Locker über einen Bauzaun geschwungen, überlagern sie Schichten in Zartrosa und hellem Blau, das auf den heruntergeklappenden Rückseiten hervortritt. Die von Hand gerissenen Ränder, die zerknüllte und wieder flach gestriche Oberfläche, das Auslaufen über den Boden, sie machen die Großzügigkeit des Materials im Raum erfahrbar.

Festival papier & klang, bis 3. 9., Ausstellung Willy-Brandt-Haus, Di.–So. 12–18 Uhr, Stresemannstr. 28; weitere Eröffnungen, je 18 Uhr: 20. 7., Museum für Kommunikation; 3. 8., Die Möglichkeit einer Insel; 10. 8., Museum Haus des Papiers; Programm: papierundklang.com

Sandra Lakićević wiederum hat im Tintenstrahlverfahren gedruckte Fotografien so dicht zusammengefaltet und von Hand gewebt, dass sie im Relief versinken, von ihm aborbiert werden und seiner Form, die hier als organischer Rundumfächer erscheint, komplett den Bildraum überlassen. Eine fantastische, anziehende skulpturale Arbeit, die Lust auf ihre anderen “Marks, Gaps and Windows“ macht.

Martin Sprengler setzt nicht weit davon entfernt das Innere des zu Pappe gewordenen Zellstoffs in Szene, wenn er für seine dreidimensionale Zeichnungen „Ideal (L)“ und „Ideal (R) (Sollbruch)“ aus mit Gesso bestrichener Wellpappe Gebäude freilegt. Im rechten Bild erreichen sie einen Punkt der Stauchung, die sie an die Grenze des Kollabierens drängt. Noch werden sie gehalten.

Skulpturale Papierartbeit in einem transparenten Rahmen aus Plexiglas. Gefaltete und gewebte Fotos, bilden die Form eines O, die unteren Ecken sind ausgerissen. Am Rand und in der Mitte sind weiße Streifen aufgetragen

Sandra Lakićević, „Undescribed“ Foto: Holger Biermann

Immersiv und freischwebend

In den oberen Räumen lässt Astrid Busch mit einer großformatigen All-Over-Faltung ihre abstrakten Fotoarrangements eine Reduzierung in Schwarz, Grau und Weiß erfahren, die das Immersive ihres Worldbuildings noch verstärkt.

Bei Fee Kleiß' Objekt „Undescribed“ stellt sich aus Produktionsresten, die sich hier in feinen dünnne Streifen in Gelb, Schwarz und Ocker umeinander schlingen, ein ebenfalls kongenialer Effekt ein, der an freischwebende, implodierende Materie erinnert.

Gegenüber eine großartige Installation von Nham-Hee Völkel-Song. Unter leichtgewichtigen, vertikal gehängten und teils kalligraphierten Streifen tummeln sich geformte Bällchen aus Papier und Wasser, aus denen bedruckte Stellen hervorblitzen. Auf mehreren Sockeln bilden sie Gruppen, rücken dicht zusammen oder machen sich scheinbar auf den Weg. Die Dumplings, wie die Künstlerin ihre von Hand geformten Kleinplastiken nennt, bringen hier alles ins Rollen.

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