Die Krise des Euro: Brüssel will strafen

Die EU-Kommission will eine besser abgestimmte Wirtschaftspolitik der Staaten. FDP und Grüne sehen nationale Souveränität eingeschränkt, Merkel bleibt europäisch gelassen.

Europa-Schirm, fotografiert in der Nähe von EU-Gebäuden in Brüssel. Bild: dpa

In Brüssel versucht man sich seit Tagen im Gesundbeten. Vor einer Woche bestätigten die Staatschefs der Euroländer die Nothilfe für Griechenland. Am Sonntag beschlossen die Finanzminister aller EU-Staaten ein auf drei Jahre befristetes 750 Milliarden Euro schweres Garantieprogramm für bankrottgefährdete Mitglieder. Und am Mittwoch präsentierte die EU-Kommission einen Plan, wie die Eurozone zu alter Stabilität zurückfinden kann.

Die Vorschläge, die zunächst die Stimmung in den Mitgliedsstaaten testen sollen, stützen sich auf vier Säulen: Zum einen soll der Stabilitäts- und Wachstumspakt strenger durchgesetzt werden. Mitgliedsstaaten, die sich in konjunkturstarken Jahren kein Sparpolster zulegen, sollen die EU-Subventionen gekürzt werden. Neben der Neuverschuldungsgrenze von 3 Prozent soll auch die Gesamtschuldenlast von 60 Prozent künftig rigoroser überwacht werden.

Das steht schon jetzt im Stabilitätspakt und wird daher nicht auf Widerspruch stoßen. Doch das Drohpotenzial bleibt unverändert schwach. Derzeit laufen gegen 24 der 27 EU-Mitglieder Defizitverfahren, ohne dass sie politische oder finanzielle Konsequenzen fürchten müssten. Geldstrafen, wie sie der Stabilitätspakt vorsieht, sind zumindest in mageren Jahren keine Option. Doch die Idee, die die EU-Kommission nun wiederbelebt hat, ist gleichermaßen hilflos. Wer über seine Verhältnisse lebt, dem sollen Mittel aus den Brüsseler Fördertöpfen gestrichen werden. Griechenland ruft diese Mittel aber schon jetzt nicht mehr ab, weil Athen die nötige nationale Kofinanzierung nicht mehr aufbringen kann.

Als zweites Element sollen die Mitgliedsstaaten, vor allem die Euroländer, ihre Wirtschaftspolitik besser abstimmen. Dabei sollen Parameter wie die Außenhandelsbilanz, die Produktivität, die Lohnstückkosten sowie Arbeitslosenquote, Kaufkraft, Börsenkurse, Kreditzinsen und Immobilienpreise eine Rolle spielen. Diese Forderung wird durch einen dritten Vorschlag ergänzt, der in den Hauptstädten der Mitgliedsstaaten für viel Aufregung sorgt. Die EU-Kommission will vorab Einfluss auf die nationalen Haushaltspläne nehmen.

In Berlin waren sich FDP und Grüne sofort einig, dass sie eine derartige Einschränkung nationaler Souveränität nicht hinnehmen werden. Renate Künast, Fraktionschefin der Grünen, sieht das "Königsrecht des Parlaments" beeinträchtigt. Und FDP-Chef Guido Westerwelle sagte: "Nicht die EU beschließt die Haushalte, sondern der Deutsche Bundestag, die nationalen Parlamente." Nur die Bundeskanzlerin, die das französische Konzept einer "Wirtschaftsregierung" lange abgelehnt hatte, zeigte sich gelassen. Bei der Karlspreisverleihung in Aachen sagte sie gestern: "Scheitert der Euro, dann scheitert Europa, dann scheitert die Idee der europäischen Einigung." In der Wirtschafts- und Finanzpolitik sei deshalb eine engere Verzahnung nötig. Widerspruch kam ausgerechnet aus Frankreich, obwohl Staatspräsident Nicolas Sarkozy das Konzept einer europäischen Wirtschaftsregierung ins Gespräch gebracht hatte. "Das Parlament und nicht die EU-Kommission entscheidet über den Haushalt eines Landes", sagte Regierungssprecher Luc Chatel.

Als viertes Element will die Kommission den am vergangenen Sonntag von den Finanzministern beschlossenen Hilfsfonds für schwächelnde Eurostaaten zu einer Dauereinrichtung machen. Wer seinen Staatshaushalt gegen die Wand fährt und wie Griechenland für Anleihen hohe Zinsen zahlen müsste, kann sich künftig in Brüssel billiger Geld besorgen. Die EU-Kommission spielt den Strohmann am Finanzmarkt und gibt die günstigen Zinsen weiter. Das System hat nur einen Haken: Es ruiniert den Ruf der Eurozone und führt dazu, dass am Ende kein Land mehr bezahlbare Kredite bekommt. An den Devisenmärkten kommt deshalb kaum Zuversicht auf. Nachdem die Garantieerklärung für Griechenland vom Wochenende den Eurokurs kurzfristig nach oben katapultiert hatte, war er bis zum Börsenschluss gestern fast wieder auf den niedrigen Stand vom vorigen Freitag gefallen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.