Die Grünen bei der Niedersachsenwahl: Das Glas war schon mal voller
Die Grünen konnte Umfragehöhen nicht in reale Ergebnisse ummünzen. Ihr Wille, in der Landesregierung mitzureden, ist ungebrochen.
Als die ersten Zahlen über den Bildschirm flimmern, konzentriert man sich stattdessen auf den politischen Gegner: hämischer Jubel für das schlechte Abschneiden der CDU, Buhrufe für das zweistellige Abschneiden der AfD, die bis auf wenige Sitze an die Grünen heranrückt.
„Vom besten Ergebnis, das wir in Niedersachsen je hatten“, spricht Spitzenkandidatin Julia Willie Hamburg trotzdem und davon, dass die Grünen nun alles daransetzen würden, in der Regierung mitzugestalten. „Niedersachsen ist ja immer gut für einen Krimi“, sagt ihr Vize Christian Meyer, aber dieses Mal sehe es so aus, als könne man die bräsige Groko ablösen.
Und trotzdem: Mit ihren rund 14 Prozent haben die Grünen weniger gut abgeschnitten als erhofft und erwartet. In Umfragen lagen sie kurz vor der Wahl noch bei 16 Prozent, im Sommer sogar bei 20 Prozent und mehr. Dann kam auf Bundesebene Robert Habecks missglückter Talkshowauftritt mit dem Insolvenz-Fauxpas und die vermurkste Gasumlage.
Der Superstar der Grünen ging in den Sinkflug und die Umfragewerte in Niedersachsen gleich mit. Dazu zerrten Debatten um Atom- und Kohlekraftwerke an den Nerven.In Niedersachsen sprach man sich trotzdem Mut zu: Die Umfragewerte seien so schlecht gar nicht, die Unzufriedenheit mit der Ampelregierung im Bund bei den Anhängern anderer Parteien viel größer, der Sinkflug nicht mehr als ein Schluckauf.
Tapfer hielt man an der Strategie fest, für ein rot-grünes Bündnis zu werben, ohne eine Zweitstimmenkampagne zu fahren. Auch das war neu und Ausdruck eines gewachsenen Selbstbewusstseins. Nur starke Grüne könnten „den Turbo in der Energiewende“ garantieren, gehörte zu den Lieblingsclaims.
Mit dem Spitzenduo aus Julia Willie Hamburg und Christian Meyer glaubte man sich für alle Bereiche gewappnet: Julia Hamburg als junge Frau fürs eher urbane Publikum und mit dem Blick für Familienfragen, der Ex-Landwirtschaftsminister als bekennendes Landei für den ländlichen Raum und die Umweltbewegung.
Zerriebene zwischen den Großen
Am Ende lag es möglicherweise auch weniger an diesen beiden, dass die Grünen unter ihren Erwartungen blieben. Sie wurden schlicht zwischen den beiden Großparteien zerrieben, die das Rennen erfolgreich auf die Ministerpräsidentenfrage zuspitzten. Dazu kommt: Eine massive Krise produziert bei vielen nicht unbedingt Aufbruch- und Wechselstimmung.
Die Grünen konnten dagegen nur darauf setzen, als Koalitionspartner eben trotzdem gefragt zu sein. Vor der Wahl hatten sie sich alles offengelassen: Zwar liegen zwischen der niedersächsischen CDU und den niedersächsischen Grünen inhaltlich Welten und persönlich eine Menge alter Verletzungen.
Das liegt daran, dass die Landes-CDU hier sehr konservativ ist, vor einigen Jahren die grüne „Verräterin“ Elke Twesten in ihrer Fraktion aufnahm und damit das erste rot-grüne Kabinett unter Weil zu Fall brachte. Seitdem schenkte man sich im Landtag von Seiten beider Fraktionen nichts.
Kategorisch ausgeschlossen hatten die Grünen eine schwarz-grüne Koalition trotzdem nicht. Man wäre ja schön blöd gewesen, damit die eigene Verhandlungsposition zu schwächen. Und anderswo – in Schleswig-Holstein und NRW – scheint es ja auch zu funktionieren. Nach dem Wahltag hat sich die Option nun aber wohl schon rein rechnerisch erledigt.
Noch viel mehr hofften Hamburg und Meyer natürlich schon vorab auf eine Wiederbelebung der rot-grünen Koalition. In diese Richtung schielte am Sonntagabend auch die Bundespartei: Im ZDF sprach schon kurz nach 18 Uhr Parteichef Omid Nouripour von einem „Auftrag, dass wir regieren“.
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