Die Grünen bei der Europawahl: Ein Achtungserfolg
Immerhin knapp über 10 Prozent: Die Grünen verlieren leicht, werden aber drittstärkste Kraft und sehen sich laut Rebecca Harms „raus aus den Kartoffeln“.
BERLIN taz | Die Verunsicherung war groß in den Tagen vor der Wahl: Würde es diesmal wenigstens für das selbstgesteckte Ziel reichen? Dürfen die Grünen nach dem 8,4-Prozent-Debakel bei der Bundestagswahl wieder ein zweistelliges Ergebnis feiern? Selbst namhafte Parteistrategen antworteten darauf zuletzt mit Stirnrunzeln.
Nun bleibt den Grünen die Katastrophe erspart: Mit 10,8 Prozent liegen sie laut der ZDF-Hochrechnung immerhin knapp im zweistelligen Bereich – auf Platz drei hinter Union und SPD. Parteichefin Simone Peter sprach bei der Wahlparty von einem „Superergebnis“. Bundesgeschäftsführer Michael Kellner verkündete, die Grünen hätten sich „aus dem Tief nach der Bundestagswahl herausgestrampelt“. Und die Spitzenkandidatin Rebecca Harms versicherte: „Wir sind raus aus den Kartoffeln.“ Das ist neue grüne Bescheidenheit.
Denn gemessen an den 12,1 Prozent bei der letzten Europawahl schrumpft der große Erfolg zu einem kleinen Verlust zusammen. Damals holten die deutschen Grünen 14 Sitze. Diesmal ziehen voraussichtlich bestenfalls 11 Listenkandidaten ins Europaparlament ein.
Die Grünen haben zwar eine überdurchschnittlich europabegeisterte Wählerschaft, aber einen schwierigen Wahlkampf hinter sich – mit knappem Budget und geringen Profilierungsmöglichkeiten angesichts der Zuspitzung auf das schwarz-rote Duell um die Kommissionspräsidentschaft. Die Partei hatte zwar mit ihrem Protest gegen das transatlantische Handelsabkommen TTIP früh auf ein wichtiges Thema gesetzt. Dennoch blieb ungewiss, welche Massenwirkung der Streit um Chlorhähnchen und Investorschutzklauseln jenseits der grünen Stammwählerschaft entfalten würde.
Seit der vergeigten Bundestagswahl und dem Generationenwechsel im vergangenen Herbst wirken die Grünen nach wie vor auf Orientierungssuche. Ohne dieses stabile Ergebnis hätte ihnen wohl eine massive Personal- und Richtungsdebatte gedroht. Der Achtungserfolg bei der Europawahl ist zwar nicht die große Trendwende, dürfte aber vorerst die Kritiker aus den eigenen Reihen ruhigstellen.
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