Die Gewinner der Krise müssen helfen: Her mit der Coronasteuer!

Eine Verteilungsdebatte mitten in der Pandemie? Bloß nicht, werden manche sagen. Dabei müssen wir gerade jetzt über Vermögen und Profiteure reden.

Geldscheine und Münzgeld

Geld ist gerade auch in der Krise mal wieder genug da Foto: Thomas Imo/photothek/imago

Um die Kosten des kommenden Lockdowns zu finanzieren, macht der Staat wieder Schulden. Höchste Zeit, die Profiteure der Krise zahlen zu lassen.

Zehn Milliarden Euro, so viel Geld will Olaf Scholz bereitstellen, um jene Betriebe zu retten, die im November schließen müssen: Also Restaurants, Theater, Fitnessstudios. Es ist gut, dass diese Betriebe gerettet werden. Nicht gut ist, dass die Kosten für diese Rettung wieder von der Allgemeinheit getragen werden sollen.

Zu Beginn der Coronakrise haben Olaf Scholz und die Große Koalition endlich angefangen, Schulden zu machen. Sie konnten nicht anders. Scholz wurde gezwungen, die schwarze Null zu beerdigen, sie liegt auf dem Friedhof der politischen Ökonomie gleich neben der unsichtbaren Hand und der schwäbischen Hausfrau. Allesamt Theorien, die sich auch als Halloween-Kostüm eignen würden. Dass Schulden machen für einen Staat etwas anderes bedeutet als für einen Privathaushalt, haben dank Corona auch die letzten Liberalen verstanden.

Nur über die Einnahmenseite wird in der Coronapandemie bisher auffällig wenig gesprochen. Der Staat verschuldet sich und verteilt Geld über das Kurzarbeitergeld und andere Maßnahmen an nahezu alle Unternehmen. Die Botschaft, die er damit aussendet: Wir sitzen alle in einem Boot.

Es regiert die Gießkanne

Dass aber trotz der Pandemie viele Unternehmen weiterhin gutes Geld verdienen und einige gerade wegen der Pandemie ein besonders gutes Jahr hatten, berücksichtigt die Bundesregierung in ihrer Krisenpolitik nicht. Die schwarze Null ist abgelöst, jetzt regiert die Gießkanne.

Dabei machen Supermarktketten gerade Rekordumsätze, weil Menschen nicht mehr in der Kantine oder im Restaurant essen. Allein Dieter Schwarz, Eigentümer von LIDL und reichster Deutscher, soll in diesem Jahr 300 Millionen Euro reicher geworden sein. Das gleiche gilt für Lieferdienste von Essen (Lieferando) und allem anderen (Amazon hat seinen Gewinn verdreifacht). Es ist höchste Zeit, dass diese Profiteure an den Kosten der Krise beteiligt werden, durch eine Coronasteuer.

75 Prozent des Umsatzes aus dem November vergangenen Jahres sollen die Restaurantbetreiber und Hotelbetreiber erhalten. Drehen wir das Ganze doch um: Wer in diesem Jahr mehr Umsatz gemacht hat als im Vorjahr, zahlt auf diesen Überschuss eine Coronasteuer.

Es gibt noch genügend andere Profiteure der Krise, die Eigentümer von Pharmaunternehmen etwa, die mit einem Impfstoff noch reicher werden würden. Ein anderer Vorschlag wäre, Mietzahlungen für Privatwohnungen und Ladenbetriebe auszusetzen, wovon Arbeitnehmer und Restaurantbetreiber gleichermaßen etwas hätten. In der ersten Coronawelle haben Immobilienbesitzer weiter ihre Miete bekommen, oft nur deshalb, weil Ladenbesitzer und Kurzarbeiter die Finanzhilfen der Allgemeinheit an ihre Vermieter weitergeben mussten.

Akzeptanz verbessern

Eine Coronasteuer? Bloß nicht, werden manche sagen, bloß keine Verteilungsdebatte, gerade jetzt, wo die Nerven bei vielen eh schon blank liegen und das ominöse Wir zusammenhalten muss, zu dem Dieter Schwarz offenbar nicht gehört. Dabei ist es doch genau andersrum: Gerade eine andere Verteilung der Krisenkosten könnte die Akzeptanz der politischen Maßnahmen verbessern.

Es gibt keinen besseren Zeitpunkt als eine Krise, um über Vermögen, über Arm und Reich zu diskutieren. Erst in der Krise bekommt der Alltag Risse, können wir das, was wir sonst für normal oder natürlich halten, klarer sehen: als Ergebnis politischer Entscheidungen, die man auch ganz anders treffen könnte.

Im nächsten Frühjahr, wenn die Pandemie hoffentlich weitgehend unter Kontrolle ist, spätestens aber nach der nächsten Bundestagswahl wird es von interessierter Seite heißen, dass wir, wer auch immer das ist, den Gürtel jetzt aber wieder enger schnallen müssten. Wir sollten dann die Lehre der Krise nicht vergessen: Das alles auch ganz anders sein kann.

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Kersten Augustin leitet das innenpolitische Ressort der taz. Geboren 1988 in Hamburg. Er studierte in Berlin, Jerusalem und Ramallah und wurde an der Deutschen Journalistenschule (DJS) in München ausgebildet. 2015 wurde er Redakteur der taz.am wochenende. 2022 wurde er stellvertretender Ressortleiter der neu gegründeten wochentaz und leitete das Politikteam der Wochenzeitung. In der wochentaz schreibt er die Kolumne „Materie“. Seine Recherchen wurden mit dem Otto-Brenner-Preis, dem Langem Atem und dem Wächterpreis der Tagespresse ausgezeichnet.

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