Die Gesellschaftskritik: Zahlen, die knallen
Reiche werden reicher. Arme ärmer. Doch ist es wirklich so extrem? Oxfams ungenaue Vergleichsstudie und die Kraft einer Zahl.
Vor zwei Jahren waren es fünfundachtzig. 2015 achtzig. 2016 zweiundsechzig. Und jetzt also acht? Die acht reichsten Menschen der Welt sollen laut einer Studie der Hilfsorganisation Oxfam so viel besitzen wie die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung. Oxfam veröffentlicht diese Vergleichsstudie jedes Jahr kurz vor dem jährlichen Treffen des Weltwirtschaftsforums in Davos.
Aber ist die Ungleichheit in der Welt wirklich so stark gestiegen? Stimmt die Zahl Acht? Untersucht man die Studie, erkennt man die statistischen Mängel. Als Datengrundlage dienen Oxfam der Vermögensbericht der Credit Suisse und die Liste des Forbes Magazine mit den 500 reichsten Menschen der Welt. Beide Erhebungen basieren aber auf Schätzungen.
Die Credit Suisse erhebt das Vermögen der Menschen nach Abzug aller Schulden. Das bedeutet, dass ein Student, der einen Studienkredit aufnimmt, ärmer ist als jemand, der nie einen Kredit gewährt bekäme, also beispielsweise ein Müllsammler am Strand von Rio de Janeiro.
Für die Schweizer Kreditanstalt ist das Verfahren schlüssig. Ihnen geht es um Zukunftsmärkte. Was Oxfam nutzt, ist ein Nebenprodukt dieser Berechnung, quasi alle, die nichts und weniger haben. Eine neue Methode für den Vergleich mit der Forbes-Liste hat Oxfam jetzt zu der alarmierenden Zahl Acht gebracht. Und die wird ausgeschlachtet.
Wie die Süddeutsche Zeitung berichtet, sei die Zahl laut einem Oxfam-Sprecher nicht entscheidend. Ein Skandal sei die Ungleichheit zwischen Arm und Reich so oder so. Oxfam, ein internationaler Verbund von verschiedenen Hilfs- und Entwicklungsorganisationen, macht die Zahl aber zum Aufhänger ihrer Kampagne. Warum?
Weil es knallt. Die Zunahme der Ungleichheit hat die OECD ebenfalls festgestellt. Allerdings wissenschaftlich fundiert. Dagegen wirkt Oxfam jetzt wenig glaubwürdig.
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