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Die Geister aus der Flasche

Von Menschen mit „großen Nasen“ und anderen Verführungsmitteln: Eine Ausstellung zur Kulturgeschichte des Parfums im Deutschen Technikmuseum Berlin  ■ Von Katja Stopka

„Großmutter, Großmutter“, fragt das Rotkäppchen, „warum hast du so eine große Nase?“ „Damit ich dich besser riechen kann“, antwortet die vermeintliche Großmutter und benutzt dann statt der Nase doch lieber das Maul.

Tatsächlich ist der Geruchssinn des Wolfes weitaus sensibler als der des Menschen. Allerdings gibt es auch unter Menschen eine Spezies mit besonders „großen Nasen“. „Les grand nez“ werden in Frankreich die Parfümeure genannt, die mit ihrem Riechvermögen die unzähligen Düfte herausfiltern, die heute wie eine zweite Haut zwischen Kleidung und Körper getragen werden.

Der Karriere dieser Kreationen widmet das Deutsche Technikmuseum Berlin derzeit eine kleine, aber umfassende Ausstellung: „Duft — Kulturgeschichte des Parfums“ durchläuft noch einmal Geschichte, Herstellung und Eigenschaften des stofflosen Stoffs, der die Sinne stimuliert und Empfindungen auslöst, die weder von der Kraft des Willens noch der Vernunft gebändigt werden können.

Der historische Teil informiert mit Stelltafeln über Anwendungs- und Verarbeitungsformen sowie über die kulturellen Bedeutungen der Wohlgerüche vom Altertum bis zur Gegenwart. Vor mehr als 5.000 Jahren, so erfährt man, dienten künstliche Düfte dazu, den bestialischen Gestank von brennenden Tieropfern zu übertünchen. Hier liegt auch der Ursprung des Wortes Parfum: Durch den aromatisierten Rauch — per fumum — hofften die Menschen göttliches Wohlgefallen zu erlangen. Von einem berühmten Duftmord wiederum weiß die Bibel zu berichten: Bevor Holofernes das Schwert der Judith in seinem Nacken spürte, war er bereits ihrem betörenden Duft zum Opfer gefallen.

Die ersten flüssigen Parfums entstanden als ein in Alkohol aufgelöstes Gemisch von Duftstoffen bereits im 13. Jahrhundert. Als begehrter Luxusartikel für Damen setzte es sich allerdings erst im Zeitalter der Industrialisierung durch. In den 60er Jahren unseres Jahrhunderts erlaubte es der Zeitgeist endlich auch Männern, sich mit den Wohlgerüchen aus der Flasche zu umwehen – Parfums wie Vetiver und Paco Rabanne pour homme erweiterten die Palette männlicher Verführungskünste, so daß jetzt auch Frauen den Düften des anderen Geschlechts zum Opfer fallen konnten. Den allerletzten Schrei in dieser Entwicklung hat Calvin Klein kreiert: Mit seinem geschlechtsunspezifischen Duft CK one wußte er den Trend der 90er Jahre, geschlechtliche Differenzen zum Verschwinden zu bringen, listig in den Flakon zu bannen.

Neben detaillierten kulturgeschichtlichen Auskünften erhält man auf dem Parcours im Technikmuseum allerhand Informationen über die vielzähligen Rohstoffe, Herstellungs- und Verarbeitungsverfahren von Parfums. Praktischerweise wurde auch das Modell einer Destillierapparatur aufgebaut. Zu kurz kommt leider der Beitrag zu der Bedeutung und dem Bild der Düfte in Literatur, Kunst und Werbung.

Vor allem aber ist der Teil der Ausstellung gelungen, der den Akzent auf spielerischen und interaktiven Umgang mit Düften legt. An sogenannten Duftorgeln kann man die wichtigsten Grundbausteine von Parfums erschnuppern und sein eigenes Riechvermögen testen. Darüber hinaus lädt eine CD- ROM zu einer selbstorganisierten Reise durch die Parfumkultur ein. Am elektronischen Medium zeigt sich dann seine schon oft beklagte Sinnesfeindlichkeit – der Nase hat es rein gar nichts zu bieten. Um die virtuelle Reise trotzdem auch geruchlich zu einem Erlebnis werden zu lassen, versprühen zusätzlich installierte Düsen Duftnoten zur Strapazierung unseres vierten Sinns.

Bis 1.3. 1998, Deutsches Technikmuseum, Trebbiner Straße 9. Katalog 24 Mark

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