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Die Formen des OpferismusStellt euch nicht so an!

Warum regen wir uns dauernd über Gedöns auf – über N-Wörter oder enthemmte Männer? Politisch sind das doch alles Nebenschauplätze.

Einfach mal locker machen. Bild: Juttaschnecke/photocase

Ich weiß, dass dieser Text viele ärgern wird. Weil sie sich nach Lektüre beleidigt, entwertet, gekränkt und verletzt fühlen. Solche – allerdings erwartbaren – Reaktionen zu bewirken liegt nicht in meiner Absicht.

Mir geht es nur darum: Nicht nur in diesem Land (sondern auch im politisch korrekten Amerika) hängen sich jene Kräfte, die sich für politisch fortschrittlich halten, besonders innig an Fragen auf, die Diskurswolken in der öffentlichen Arena gebären, aber politisch nichts zur Folge haben. Mehr noch: Die tatsächlich wichtigen Fragen, um die es politisch gehen muss (und nicht nur: sollte), werden irgendwie zur Blässe gebracht.

Konkret: Mag sein, dass die Diskussion um schlimme Worte, ja die Umschreibung von literarischen Werken von Otfried Preußler oder Astrid Lindgren, wichtig ist. Okay, aber: Weshalb droht Menschen, die nicht von angeblich oder ernsthaft schlimmen Wörtern lassen wollen, der soziale Tod? Ist es böse, wenn einer das N-Wort sagt? Oder wenn einer von Behinderten und nicht von mobil Eingeschränkten spricht – kann das Anlass für Hass sein?

Ist es schon rassistisch, von Türken zu sprechen, wenn sie doch Deutsche längst sind? Oder ist gerade dies das Sprachverbrechen, nämlich Menschen das Türkische abzusprechen, weil sie ins deutsche Wir einverleibt werden?

Gedöns-taz

Gedöns ist Umwelt, ist, was wir essen, wie wir reden, uns kleiden. Wie wir wohnen, lernen, lieben, arbeiten. Kinder sind Gedöns, Homos, Ausländer, Alte. Tiere sowieso. Alles also jenseits der „harten Themen“. Die taz macht drei Wochen Gedöns, jeden Tag vier Seiten. Am Kiosk, eKiosk oder direkt im Probe-Abo. Und der Höhepunkt folgt dann am 25. April: der große Gedöns-Kongress in Berlin, das taz.lab 2015.

Ein Beispiel aus einem anderen Feld, auf dem auch viele öffentlich spielen, um sich verletzt und gekränkt zu zeigen: Ist es schon homophob, wenn eineR sagt, Schwule sollten keine Kinder adoptieren können? Muss man eine solche Person des politischen Hochverrats am Guten und Wahren zeihen? Oder reicht es nicht zu entgegnen: Nee, finde ich doch? Weshalb hat man in Baden-Württemberg mit den Kritikern der neuen Sexualkunderichtlinien nicht souveräner, lässiger und freundlicher umgehen wollen? Und wieso waren die Anzüglichkeiten eines Rainer Brüderle so skandalös – wenn man ihn doch hätte auch ins Leere laufen lassen können?

Baden und Suhlen im eigenen Leid

Kurzum: Was moniert wird, ist durch die Bank darauf gerichtet, Opfer zu sein, sich als gekränkt, schwer mitgenommen und – Achtung, schlimmstes Modekampfwort: – traumatisiert zu geben? Vom Umstand abgesehen, dass damit alle Traumen und Kränkungen nivelliert werden und schon ein Schubsen und Rempeln offenbar reicht, zum Kreis der Geschundenen gerechnet zu werden: Was hat das alles mit Politik zu tun?

Könnte man Angehörigen von Minderheiten, also, nun ja, Diskriminierten nicht beibringen: Wehrt euch so, dass ihr euch nicht zum Opfer macht! Der Standardspruch von Erwachsenen in den 50er Jahren, der Nachkriegszeit, zu ihren Kindern, waren sie hingefallen und hatten blutige Knie, war: Stell dich nicht so an! Nein, ein solcher Satz kann herzlos sein, aber er enthielt, bei aller Schroffheit, auch die Botschaft, dass ein Baden und Suhlen im eigenen Leid vielen dient, aber nicht das Leid selbst tilgt.

In Wahrheit haben diese Formen des Opferismus („Du bist traumatisiert, willst du das nicht einsehen?“) eine zur umsatzstarken Branche aufgeplusterte Schar von Helfern. Es sind Interpreten des Schlimmen, das anderen widerfährt. Jede Goodwillkampagne, die im Übrigen meist der Staat finanziert, für Minderheiten birgt ein Arbeitsplatzversprechen: Wäre das Leiden am Ende, müsste es keine DeuterInnen geben. Da das in deren Interesse nicht liegt, kann das Beklagenswerte nicht verschwinden.

Wir haben uns zu viel mit Gedöns beschäftigt, die linken Milieus haben zugelassen, dass die Fragen, um die es in allem Ernst gehen muss, nicht im Fokus standen. Sei es der Klimawandel, die Demokratie, die globale Gerechtigkeit oder auch der Sozialstaat schlechthin, von dem man (Pierre Bourdieu), als wichtigstem europäischen Kulturgut der Moderne sprechen muss?

Sage jetzt niemand, dass man das alles nicht gegeneinander ausspielen dürfe. Doch, das sollte man: Der Kampf um die ökologische Transformation oder die Abwehr eurasisch-totalitärer Strategie russischer Provenienz sind wichtiger als eine Wortpolitik, die ohnehin immer von sprachpolizeilichem Charakter war. Das sind die Fragen, um die es gehen muss. Wer das Kürzel LGBTI* nicht auswendig aufsagen kann, ist noch nicht transphob. Mit dem geißelnden Wortanhängsel -phob ist sowieso noch nichts gewonnen: Irgendwann sind alle -phob, also Feinde: Weil jedeR Fehler macht.

Es wird ja nicht so eintreten, aber ein Schlussstrich unter diese Debatten wäre erholsam. Reicht für die kleinen Kämpfe des Alltags nicht, Betroffene (noch so ein Wort!) stark zu machen? Und sich darauf zu verständigen: Anstand zu wahren reicht. Nebenbei: Es gehört zum Leben, Kränkungen auszuhalten und nicht alles auf sich zu beziehen. Oder wird durch diesen Satz schon wieder ei_neR schwer gedemütigt?

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23 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • Ist ja interessant, dass kritische Kommentare hier erst freigeschaltet und dann einfach wieder gelöscht werden.

     

    Mein Beitrag war polemisch, sicher. Aber ich wüsste nicht, dass ich persönlich beleidigend geworden wäre. So viel zum Thema "sich in die Opferrolle bringen und Worte zu ernst nehmen."

     

    Bravo, liebe taz, ich hätte nicht gedacht, dass ihr mich noch mehr enttäuschen könntet als bisher.

    • @Klaus F.:

      Oder, um es noch mal anders zu formulieren: Wenn jemand ihr Gerede von der "Wortpolizei" in die berechtigte Linie mit den dummen Argumentationen einer Kelle und eines Pirincci stellt - dann stellen Sie sich doch einfach nicht so an.

  • Trotzdem ein Anfang?

    Herr Feddersen, sie bereiteten den Gedöns-Tag mit vor und schreiben nun gegen eine Gedöns-Ideologie aus Wohlstandszonen an. Zurecht. Wenn das Gedönse früher auch so war, versteht man, warum der liebe Gott Eva aus dem Paradies vertrieben hat. Und den Trottel Adam gleich mit. Jedenfalls kam mir diese Idee beim Lauschen zur gendergerechten Sprache am Sonnabendmittag. Ein süßes Geheimnis des narzistischen Sprachfurors und der Antidiskriminierungspädagogik in nicht einfacher Sprache wurde auch gelüftet: Prof x nennt sich bald anders. Wohl auch irgendwie einfacher für die nicht akademisierten Menschen. Immerhin, der zivilisatorische Lack bei der Veranstaltung im Haus der Kulturen der Welt hielt: kein Busen zog blank, Riechfläschchen und Dildos blieben stecken. Ein Anfang?

  • Ist eigentlich mal irgendjemandem aufgefallen, dass es ja gar nicht die "Opfer" sind bzw. nicht alle, die z.B. bei der Sprache die politisch korrekte Ausdrucksweise geachtet haben wollen?

     

    Ich kenne keinen männlichen Homosexuellen, der sich nicht als "schwul" bezeichnet.

    Ein afrikanischer Freund eines Jugendlichen, den ich betreute, sagte neulich ganz ernsthaft zu mir: "Ich bin sein Nigger!" und meinte damit "guter Freund, der hilft". Der kam eben nicht aus den Kreisen, die Wert auf den politisch korrekten Ausdruck legen.

     

    Und da fiel es mir auf:

    Das Ganze wird doch nur von bestimmten Kreisen inszeniert, die damit klarstellen wollen, dass sie eben doch was besseres sind. Sie sind diejenigen, die die politisch korrekte Ausdrucksweise beherrschen. Und sind nicht mit einem Afrikaner die Treppe runtergefallen, der nicht mal weiß, dass "Nigger" oder "Zigeuner" was rassistisches hat. Mit solchen Leuten wollen nämlich politisch korrekte Menschen nix zu tun haben. Da werden dann höchstens die sozialen Ausgaben für Menschen, die nicht mit dem goldenen Löffel im Maul geboren wurden, gestrichen.

    • @Age Krüger:

      Es gibt auch Biodeutsche die sich aus Protest Kartoffel nennen. Wohlgmerkt wird das Wort Kartoffel meistens aber eine Diffamierung. Sie würden sich nicht diffamiert fühlen wenn man sie mit dem K-Wort anspricht?

  • Zu dem Satz: "Es gehört zum Leben, Kränkungen auszuhalten und nicht alles auf sich zu beziehen. Oder wird durch diesen Satz schon wieder ei_neR schwer gedemütigt?" Es ist wahr, Kränkungen gehören zum Leben. Dennoch gibt es Menschen die stärker gekränkt und auch mal suizidal auf Kränkungen reagieren können.Und da hilft es nicht " sich darauf zu verständigen, Anstand zu wahren. Wenn es so einfach wäre, hätte es der Mensch doch schon längst umgesetzt, dann wäre die Welt doch schon längst in Ordnung und sogar ohen Krieg. Und oft reicht nicht allein der Wille, nicht gekränkt zu reagieren, auf objektiv betrachtet, gar nicht so Verletzendes. Ich denke ein stückweit kennen das alle und oftmals finden Menschen auch eine "anständige" Art, also so, dass es keinen stört, damit umzugehen. Aber es gibt die extremeren Formen, die sensibleren, empfindsameren, die teilweise aber auch mal ein Geschenk sein können aufgrund ihrer Tiefe. Den Grund sehe ich bei solchen "Überreaktionen" in sehr tiefen, unverarbeiteten Verletzungen, sehr oft schon in der Kindheit entstanden, die aus den bewussten Erinnerungen zwar raus sind, die Gefühle aber in dem Menschen gespeichert sind. Meine Einstellung ist, dass es nicht die einfachen Antworten gibt, nicht schwarz/weiß oder unanständig/anständig, gut/böse . Der Rest der Menschheit musste ja sehr dumm gewesen sein, wenn es so einfach wäre. Die Menschen und das Leben sind eben viel komplexer, meines Erachtens.

  • Selbstverständlich geht es darum, die Opfer verschiedener Formen von Gewalt zu stärken und ihnen zu helfen, wieder oder zum ersten Mal überhaupt zu einem selbstbestimmten Leben zu finden.

     

    Leider schießen Sie jedoch an diesem Ziel vorbei, indem Sie an dieser Stelle in die konservative Falle tappen: Das Opfer ist halt selber schuld, weil es sich ja "so anstellt". Oder: Weil es sich halt nicht genug gewehrt hat. Es ist eine Prämisse konservativen Denkens, dass der Schwache selbst schuld ist, wenn der Starke ihn übervorteilt und der Schwache dann unerträglich darunter leidet. Eine solche Einstellung festigt jedoch undemokratische Gewaltstrukturen; sie verkennt auf geradezu naive Weise, wie schwer es ist, sich effektiv gegen Machtmissbrauch zur Wehr zu setzen. http://www.bmartin.cc/pubs/99wh.html

     

    Zentraler Vorteil des Opferbegriffs ist ja, dass er die Schuld an der betreffenden Tat eindeutig dem Täter zuweist. Dies anzuerkennen stärkt diejenigen, die von Gewalt betroffen sind. Natürlich ist der Übergang zwischen unerträglichem Leiden und sich-im-eigenen-Leid-Suhlen fließend. Wir stärken Überlebende jedoch nicht, indem wir bestimmte Debatten für beendet erklären. Wir stärken sie, indem wir ihnen das Recht geben, ihnen von der Gesellschaft zugewiesene traditionelle Rollen zu hinterfragen. Das geht aber nicht ohne Debatte.

     

    Das bedeutet natürlich nicht, dass alle anderen Themen damit unwichtig werden. Der eine findet den Kampf gegen den Klimawandel wichtiger, jemand anders globale Gerechtigkeit oder den Kampf gegen staatliche Überwachung. So ergänzen sich die verschiedenen Debatten in einer pluralistischen demokratischen Gesellschaft.

     

    Und was N-Wörter und "Behinderte" betrifft: Jeder neue Begriff kann wieder dazu verwendet werden, die damit bezeichneten Menschen abzuwerten. Deshalb muss vermutlich jede Generation aufs Neue passende Worte finden, die ausdrücken, was sie sagen will.

    • @Smaragd:

      Das mit dem N-Wort ist so eine Sache. Gerade in dem Fall kann man sehr gut sehen, wie eine Bezeichnung für eine Gruppe zum abwertenden Begriff wird, um durch den nächsten "neutralen" Begriff ersetzt zu werden. Dieser wird alsbald wieder abwertend gebraucht usw.; "Niger" (einfach die lateinische Bezeichnung für Schwarz), zu "Nigger" (Schimpfwort). Im Deutschen war "Neger" vor etlichen Jahren noch ein neutraler Begriff, man lese die Publikationen von J. E. Behrendt zum Jazz! Dieser Mann war alles andere als ein Rassist. Dann kam hier "Schwarzer" (nach kurzer Zeit ebenfalls nicht mehr akzeptiert) usw.

       

      Viel besser ist die Art und Weise, wie Juden mit dem Wort "Jude" umgehen. Sie verwenden es stolz zur Eigenbezeichnung und machen es auf diese Weise immun gegen abwertenden Gebrauch. Übrigens ist "schwul" sogar umgekehrt vom Schimpfwort zur offensiv verwendeten Eigenbezeichnung geworden.

  • Ehrlich jetzt? Unfassbar!

    Ich (und offenbar viele andere auch laut Herrn Feddersen), sollte mich wirklich häufiger von privilegierten weißen deutschen akademischen Mittelschichts-Männern dazu belehren lassen, wann (meine) Betroffenheit, Ärger und politischer Widerstand gegen gesellschaftliche Herrschaftsverhältnisse berechtigt sind, die Welt wäre dann ja scheinbar viel einfacher und auch besser...

     

    Herr Feddersen sollte vielleicht ein eigenes Blatt gründen mit Herrn Jörges, Herrn Martenstein & co. vielleicht auch noch Frau Birgit " dann knöpf doch die Bluse zu" Kelle dazu einladen, ok, wobei letztere würde jetzt vielleicht nicht so gut passen, weil sie nicht vorgibt, links-liberal zu sein...

     

    Ich könnte hier Seiten dazu schreiben, wieso diese Bagatellisierung aus meiner Sicht so gar nicht geht, aber da ich mich damit bereits täglich bei meiner Arbeit mit Studierenden Anfang bis Mitte 20 beschäftige, wenn sie solche Sichtweisen vertreten, weil sie bisher noch keine Gelegenheit hatten, sich kritisch mit gesellschaftlichen Herrschaftsverhältnissen und dabei auch ihrer symbolischen Gewalt (!!!) auseinanderzusetzen, und die taz las, damit ich das nicht auch noch in meiner Freizeit machen muss, mach ich's wie Herr Feddersen es sich wünscht: Ich reg mich nicht weiter auf! Sondern hab einfach soeben mein taz-Abo gekündigt, übrigens als letzte in meinem linken Freund*innen- und Kolleg*innenkreis, in dem schon seit Jahren keiner mehr die taz wegen genau solcher Artikel liest.

  • "Der Kampf um die ökologische Transformation oder die Abwehr eurasisch-totalitärer Strategie russischer Provenienz sind wichtiger als eine Wortpolitik...", auch die Abwehr einer euroamerikanisch-totalitären Strategie us-amerikanischer Provenienz sei hier als übergeordnetes Ziel erwähnt, oder leben wir etwa in einer Zeit demokratischer Innovation, welche uns von Troika-Kommissionen und Geheimabkommen beschert wird? Ansonsten mal eine erfreulich nüchterne Betrachtung in der Zeitung die angesichts der Benennung von der Leyens zum Bundesfeldmarschall von einer "genderpoltischen Sensation" schwärmte! Da ist Reflexionspotential drinne!

  • Warum sollten wir als (politische) LeserInnen und MacherInnen der taz eigentlich "ab[]sehen vom Umstand", dass mit dem "Opferismus", an dem sich "jene Kräfte, die sich für politisch fortschrittlich halten, besonders innig [auf]hängen", weil damit "Diskurswolken in der öffentlichen Arena" zu erzeugen sind, "alle Traumen und Kränkungen nivelliert werden"?

     

    Ich finde, das sollten wir nicht tun. Schließlich hat Ines Kappert höchstwahrscheinlich recht, wenn sie vermutet, dass "die EU-Chefs [...] einen Teufel für die [im Mittelmeer] ertrinkenden Flüchtlinge tun [werden]", weil sie "wiedergewählt werden“ wollen und "die Rechten [...] ihnen im Nacken [sitzen)". Gedöns? Ist das ja wohl nicht.

     

    Nein, das Gezeter um einzelne Begriffe und Befindlichkeiten ist nicht unpolitisch. Es ist schlicht die Pest angesichts der Aufgaben, vor denen die Menschheit gerade steht. Wenn "schon ein Schubsen und Rempeln [...] reicht, zum Kreis der Geschundenen gerechnet zu werden", dann macht das etwas mit den Menschen. Es macht sie im besten Fall wütend, im schlimmsten Fall passiv. Oder umgekehrt. Pegida lässt schön grüßen.

  • Lieber Herr Feddersen, Sie werfen da einiges durcheinander.

     

    Zum einen die Kultur der Privilegierten, händeringend nach dem 'richtigen Wort' zu suchen, um gute Menschen bleiben zu können. Zum anderen die jeweiligen Betroffenen (ja!), die dafür kämpfen, mit Respekt behandelt zu werden. Und das fängt nunmal damit an, wie man tituliert wird.

     

    Privilegiert ist mal diese, mal jener, je nach der Art von Diskriminierung, über die wir sprechen. Als Opfer führen sich aber vor allem die auf, denen 'zugemutet' wird, ihre Denke und ihr Sprech zu ändern.

  • Herr Feddersen, darf ich Sie zu einem Langsamen Walzer auffordern?

  • Ist leider nicht kalter Kaffee - sondern kalte Realität. Nicht nur dass die Opfer durch das Opfer sein erst recht zum unfähigen Opfer der Opferhilfsindustrie werden - warum studieren denn im Iran mehr Frauen als Männer? Sicher nicht weil dort ihre Opferrolle besonders gewürdigt wird!

    Die andere Seite sind die Täter - ohne Täter kann es keine Opfer geben. Ob phobiert, weggequoted, veleumdet oder unschuldig verhaftet. Die Opferindustrie weiss immer schon vorher, wer Opfer und wer Täter ist - Beweis des Gegenteils fast unmöglich.

    Doch es naht Rettung. Lasst uns die Opferindustrie erweitern und uns auch um die Opfer der Opferindustrie kümmern ;-)

    • @Velofisch:

      Was ist daran neu oder anders: frisch gebrüht ?

      • @lions:

        Das ist die falsche Frage, Anamolie. Wenn Sie glauben, es handele sich da um einen ganz alten Hut, der völlig aus der Mode ist, mögen sie damit ja recht haben. Hilfreich ist es aber nicht, Dinge, die für Einzelne angeblich sterbenslangweilig sind, nicht immer wieder zu erzählen. Ist schließlich nicht jeder ein Blitzmerker. Und manche Leute wachsen auch einfach dumm nach und müssen dazu lernen. Von wem, frage ich mich, wenn die, die schon begriffen zu haben meinen, sich zu fein sind für Wiederholungen?

        • @mowgli:

          Lassen Sie "Opfer" sprechen und das Gerüst der Hüter des kleinlichen Wortes fällt in sich zusammen. Die gesellschaftlichen Vorgaben darüber werden vom Alltag i.a.R. konterkariert. Wer mich in Political Correctness und Tabus belehren will, da sach ich mal: Jehova, Jehova, und kenne zum Glück genug, die das auch tun. Aus meiner Beobachtung sind es gerade junge Menschen, die sich dem "Sprachdiktat" widersetzen. Die Dummheit wächst m.E. nicht sonderlich nach; Also alles kein Aufreger wert.

  • Teilweise haben Sie Recht, Herr Feddersen.

    Allerdings muss Mensch sich deshalb nicht den Gebrauch rassistischer Begriffe als Freiheit und Ignoranz gegenüber den Erfahrungen anderer als effektives Handeln verkaufen lassen.

    Und leider wird es Interessierte geben, welche diesen Diskurs in eine solche Richtung lenken wollen.

    Das ändert dann wiederum auch nichts an den zu korrigierenden Verhältnissen.

    Und: die Normalität weißer deutscher Männer kann ebenso sehr suhlig und zugleich langweilig sein.

    • @aujau:

      Nein, mensch muss sich den Gebrauch rassistischer Begriffe und die Ignoranz gegenüber den Erfahrungen anderer natürlich nicht als Freiheit oder als effektives Handeln verkaufen lassen. Und wenn Sie nun nicht so schockiert auf Ihr eigenes zerkratztes Knie gestarrt haben, dass sie was anderes nicht mehr sehen konnten, haben Sie auch registriert, dass Ja Feddersen das gar nicht vorgeschlagen hat.

       

      Vielleicht sollten wir seinem Rat folgen und uns verständigen darüber, was "Anstand zu wahren" bedeutet. Ich finde, es bedeutet nicht, immer alles richtig machen zu wollen. Es bedeutet vielmehr, sein Verhalten zu ändern, wenn man es als Fehler erkannt hat. Und das erfordert nun mal eine Diskussion, kein Mundtodmachen.

       

      Es wird wohl immer zum Leben dazu gehören, Kränkungen auszuhalten - und sinnvoll zu parieren. Der heute als herzlos geltende Standardspruch der Nachkriegszeit, der auf dem Dorf noch bis in die 80-er Jahre hinein Verwendung fand, hat für Kinder, die sich geliebt wussten, nämlich noch eine zweite Bedeutung gehabt. Er hat auch gesagt: "Du bist stärker als Du glaubst." Wer so erzogen wird, der hat es später leichter, eine Bagatelle von einem echten Problem zu unterscheiden und fremdes Leid nicht glatt zu ignorieren, wo es zwar existenziell ist, aber nicht der eigenen Profilierung dienen kann.

       

      Menschen können viel mehr überleben als man glaubt. Selbst aus Lagern wie Auschwitz sind Einzelne zurückgekommen um neu anzufangen. Wir haben diesen Menschen sehr viel zu verdanken. Vielleicht alles. Wer den "nun ja, Diskriminierten" beibringen möchte, weder Opfer noch Täter zu sein, der sollte sich von der Patriarchenrolle verabschieden, finde ich. Wer das nicht möchte, der muss halt weiter um sich werfen mit "Modekampfworte[n]" aller Art. Er darf sich bloß nicht wundern, wenn Passivität alles ist, was er erntet. Er sollte sich wirklich große Ziele, solche, die man nur gemeinsam erreichen kann, also lieber nicht setzen.

      • @mowgli:

        Mein zerkratztes Knie war nicht der Grund, vor der Möglichkeit einer Vereinnahmung der Kritik an "Opferismus" durch interessierte Kreise zu warnen.

        Der Grund ist vielmehr, dass Mensch nicht in allen Punkten stellvertretend für andere bestimmen kann, was wichtig ist, wenn bestimmte Erfahrungen nicht geteilt werden.

        Von Mundtotmachen war bei mir übrigens auch nicht die Rede.

    • @aujau:

      Und: die Normalität weißer deutscher Männer kann ebenso sehr suhlig und zugleich langweilig sein.

       

      Interessant, diesmal in der Variation "deutscher" statt "heterosexueller" Männer.

      • @Frank Mustermann:

        Nun gut, dann eben auch in der Varation weißer deutscher heterosexueller Männer.

        Ich hoffe, Sie fühlen sich nun vollständig angesprochen.

  • Alles kalter Kaffee ! Man sehe sich Monty Pythons " Das Leben des Brian" an. Jehova, Jehova.....

     

    https://www.youtube.com/watch?v=2haQJ-dfNFE