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Die Energiewende voranbringenMit 2 Prozent zum 1,5-Grad-Ziel

Ein Fünfzigstel der Fläche Deutschlands soll künftig für Windkraft genutzt werden. Ist das viel oder wenig? Und was bedeutet der Wert genau?

2,6 Prozent der Fläche Deutschlands sind derzeit durch Straßen belegt Foto: blickwinkel/imago

Dass etwa 2 Prozent der Fläche Deutschlands für Windparks gebraucht werden, wenn das Land klimaneutral werden soll, ist nicht neu. Doch bisher war das ein sehr theoretischer Wert, der vor allem Fachleuten bekannt war. Jetzt will der neue Wirtschaftsminister Robert Habeck dieses Ziel auf einmal ernst nehmen, weil es zwingend erforderlich ist, um die deutschen Klimaziele zu erreichen und das Land damit zumindest in die Nähe des 1,5-Grad-Pfads zu bringen. Und damit rücken die 2 Prozent ins Zentrum der politischen Debatte – ein Grund, sie sich einmal etwas genauer anzuschauen.

Sind 2 Prozent der Fläche Deutschlands viel oder wenig? Das kommt auf den Vergleichsmaßstab an. Die Zahl mag zunächst nach wenig klingen, entspricht aber fast der dreifachen Fläche des Saarlands, oder auch einem Drittel der Fläche Hessens. Und es ist etwa viermal so viel wie jene 0,5 Prozent der deutschen Fläche, die schon jetzt für Windparks zur Verfügung stehen.

Als Vergleich können auch andere Nutzungsformen dienen: So sind 2 Prozent der Fläche weniger als die 2,6 Prozent, die derzeit durch Straßen belegt sind, oder die 2,3 Prozent, auf denen sich Gewässer befinden. Und die Fläche, auf der Energiepflanzen wie Mais angebaut werden, ist mit 6,6 Prozent mehr als dreimal so groß wie die künftig für Windkraft vorgesehene Fläche.

Der Vergleich mit anderen Nutzungsarten führt allerdings in die Irre, denn wenn eine Fläche für die Windkraftnutzung freigegeben wird, steht ein Großteil davon ja weiterhin für andere Nutzungen zur Verfügung, wie das Umweltbundesamt betont. Dauerhaft belegt sind lediglich die Fläche des Windradfundaments, eine Kranaufstellfläche für mögliche Reparaturen und ein Weg zur Anfahrt.

taz am wochenende

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Schlusslicht Bayern

Die „Fachagentur Windenergie an Land“ schätzt, dass im Wald eine Fläche von insgesamt 4.600 Quadratmetern pro Windrad benötigt wird. Legt man den gleichen Wert im offenen Gelände zugrunde (was eine deutliche Überschätzung sein dürfte) und geht davon aus, dass in einem modernen Windpark etwa fünf Windräder auf einem Quadratkilometer (also auf einer Million Quadratmeter) stehen, ergibt sich, dass gerade mal 2,3 Prozent der Fläche eines Windparks – und demnach künftig rund 0,05 Prozent der Fläche Deutschlands – tatsächlich durch die Windkraft belegt werden; auf dem Rest der Windparkflächen kann weiterhin Landwirtschaft betrieben werden oder Wald stehen.

Während der tatsächliche Flächenbedarf der Windkraft also sehr viel kleiner ist, als die 2 Prozent vermuten lassen, ist die Fläche, von der aus sie wahrgenommen werden kann, natürlich sehr viel größer – denn Windräder sind ja auch noch aus vielen Kilometern Entfernung zu sehen.

Bisher gibt es zwischen den Bundesländern große Unterschiede: Schleswig-Holstein, Hessen und Brandenburg haben schon etwa 2 Prozent ihrer Flächen für Windparks ausgewiesen – entsprechend oft sind die Windräder in der Landschaft zu sehen.

In Sachsen sind dagegen nur 0,2 Prozent der Landesfläche für Windkraft freigegeben, in Bayern sogar nur 0,1 Prozent; dort macht eine extreme Vorgabe zum Abstand zu Wohnhäusern den Bau von Windrädern praktisch unmöglich. Die Bundesregierung strebt nun an, die Windräder künftig gerecht im Land zu teilen. Auch in Bayern wird man sich also in den nächsten Jahren an den Anblick gewöhnen müssen, der anderswo schon lange üblich ist.

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8 Kommentare

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  • Es müssen möglichst hohe (!) Türme sein, und die windstärksten (!) Standorte müssen ausgewählt und ausgewiesen werden. Denn da oben weht immer ein Wind. Und die Windstärke fließt mit theoretisch Potenz 3, praktisch ca. Potenz 2,5 in die Stromausbeute ein.

    Gute Standorte sind häufig auch dort, wo alte Burgen stehen. Auf den Höhenzügen im Schwarzwald etwa.

    Dann müssen Kommunen und Genossenschaften und Industrie mit Hilfe des Bundes in regionale Windparks (und auch andere effiziente, nachhaltige Kraftwerke und Energieträger) inkl. Speicherkapazitäten investieren, um ihre höchsteigene (!), unabhängige Energieversorgung eigenhändig im Einklang mit der Natur zu sichern.

    Dazu kommt: Solarstrom ist perspektivisch unschlagbar billig. Schätze 2040 gibt es Module in jeder Micky Maus. Zudem ist Stromnutzung in allen Bereichen um ein Vielfaches effizienter, als Verbrennung. Das senkt auch enorm den Primärenergiebedarf. Speicher werden in der Reihenfolge ihrer Effizienz aktiviert. Am effizientesten dürfte ein europaweiter Netzausgleich sein.

    Und nicht zuletzt muss einfach alles viel grüner werden! 🌱️

    Denn lebendige Biomasse und Humusaufbau binden enorme Mengen CO₂ – und Wasser. Wir müssen dringend weg kommen von Monokulturen und Herbiziden, hin zu Mischkulturen, Permakulturen, Agroforst, Etagenanbau, regionale Selbstversorgung und was es alles gibt in einer intelligenten Landwirtschaft der Zukunft. Unsere wichtigste Ressource sind unsere Gehirne.

  • Hier noch ein Vergleichswert zu den geplanten 2%: Aktuell sind 1,7% in Deutschland als Industrie- und Gewerbefläche ausgewiesen.

    Siehe www.destatis.de/DE...che-insgesamt.html

    Es soll also mehr Fläche neu bebaut werden, als aktuell als Industrie- und Gewerbefläche versiegelt ist. Ich finde das enorm!

    • @Martin Schneider:

      Der Autor rechnet doch vor, dass "gerade mal 2,3 Prozent der Fläche eines Windparks – und demnach künftig rund 0,05 Prozent der Fläche Deutschlands – tatsächlich durch die Windkraft belegt werden"

    • @Martin Schneider:

      Na ja, der Autor rechnet ja vor, dass nicht wirklich 2% der Landesfläche bebaut werden, sondern nur 2% der Landesfläche sich in einem ausgewiesenen Windpark befinden. Es ist also noch Landwirtschaft möglich.

  • 3G
    31841 (Profil gelöscht)

    Die Windräder müssen über eine Fläche verteilt werden. Im Wald bedeutet dies, dass die Standortbedingungen für die Bestände sich durch die Eingriffe verändern und damit die landschaftsökologischen Wirkungen des Waldes - bzw. ggf. der Holzäcker. Daher kann die versiegelte Fläche nicht als wirklichkeitsabbildende Bezugsgröße für die ökologische Bewertung taugen. Gibt es Begutachtungen, die den Verlust von potenziellen ökologischen Wirkungen von Wäldern durch die Veränderung infolge der Beanspruchung durch Windräder aufzeigen? -> @Herr Kreutzfeldt übernehmen Sie bitte!

  • Sehr schön! Ich möchte ergänzen, dass es auch auf die Anlagen-Größe ankommt. Ein 3 MW-Windrad benötigt ca. 300 m² Fundament. Kranflächen werden jeweils nur temporär benötigt und können anschließend wieder anderweitig genutzt werden.

    Mein aktueller Stand sind geschätzt 1 MW Nennleistung pro 100 m² versiegelte Fläche und 1 ha Abstandsfläche, ohne hierzu Studien vorliegen zu haben, woran ich sehr interessiert wäre. Somit komme ich auf am Ende 715 GW auf 7152 km². Kann jedoch dichter gebaut werden, entsprechend mehr.

    Höhere Anlagen können sich größere Windstärken zunutze machen. Daher sollten diese bevorzugt werden. 5 MW-Anlagen sind wohl der aktuelle Stand der Dinge. 143.000 davon bei 30 % Auslastung (sehr konsevativ, eher deutlich über 40 %) lieferten 6.267 TWh/a. Zum Vergleich: Bruttostromverbrauch 2019: 575 TWh. Primärenergieverbrauch 2016: 3.750 TWh, also inklusive Brennstoffe.

    Wir müssen die Dinger also einfach nur gebaut kriegen, dann entspannt sich die Lage fast von allein.

    • @What would The Doctor do?:

      Korrektur: Habe meinen Rechenfehler erneut reinkopiert. Also nochmal: 715 GW verbaute Nennleistung lieferten bei 30 % Auslastung

      715 GW * 24h/d * 365,25 d/a * 30 % ≈1.880 TWh/a.

      Nicht mehr ganz der Primärenergiebedarf. Dieser sinkt jedoch in dem Maße, wie wir fossile Brennstoffe substituieren.

      Zu schade, dass ich mich immer selbst korrigieren muss.

  • 3G
    31841 (Profil gelöscht)

    Die Darstellung des "Verbrauchs" von Landschaft in Form tatsächlich veränderter Bodenflächen führt in Bezug auf die ökologischen Folgen in die Irre.



    Als Beispiel für die darin enthaltene Verniedlichung von negativen landschaftsökologischen Wirkung von Windrädern sei der Hinweis genannt, dass auf dem "Rest der Windparkflächen" "Wald" stehen könne.



    Um Wald als Pflanzengesellschaft handelt es sich in Mitteleuropa biologisch dann, wenn er geschlossen ist. Wo Windräder drehen, wird es sich um eine aufgelichtete Holtplantage handeln. Ökologisch ist das hinsichtlich der Folgen, die damit verbunden sind, etwas ganz anderes.