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Die Beatsteaks in BautzenHier ist schon Pogen politisch

Die Beatsteaks sind auf AJZ-Tour. In Bautzen zeigt sich, dass ein Konzert ohne Statements politisch sein kann und wie vorsichtig Linke dort agieren.

Beatsteaks touren, Konzert in Bautzen Foto: Tim Lüddemann

BAUTZEN taz | Dass das Steinhaus in Bautzen ein umkämpfter Ort ist, würde man so rein optisch nicht meinen. Cremeweiß gestrichene Fassade mit hellblauen Fensterrahmen, innen hübsches Parkett und Kunst an den Wänden, große helle Besprechungszimmer, saubere Toiletten. Nach politischen Botschaften sucht man lange, nirgends Graffiti, kaum Banner oder Aufkleber, wo sie nicht hingehören.

Das Flair: eher Montessori-Grundschule als Autonomes Jugendzen­trum. „Das Steinhaus hat eine Transformation hinter sich, die viele noch verdauen müssen“, sagt Lisa Wendler, 25 Jahre alt. Sie kennt die Einrichtung noch, wie sie einmal war: zugesprayte Backsteinfassade, alles ein bisschen kaputter. „Diese Sterilität nach dem Umbau sorgt dafür, dass auch die bürgerliche Mitte ihren Weg hierhin findet. Und hat gleichzeitig zur Folge, dass die Subkultur erst mal skeptisch ist“, sagt sie. Wäre das Steinhaus ein Mensch, es würde bloß nicht provozieren wollen.

Während Wendler spricht, wuseln Kol­le­g:in­nen um sie herum, rufen sich über den Hof hinweg Anweisungen zu, im Hintergrund dröhnt der Soundcheck – denn heute findet hier eine Veranstaltung statt, die bestenfalls beide Gruppen anlockt. Mitte und Subkultur. Die Berliner Band Beatsteaks macht auf ihrer Tour durch ostdeutsche Jugendclubs Halt in Bautzen. Ungewöhnlicherweise steht da jetzt also ein Nightliner auf dem Parkplatz des Steinhauses, die knapp 400 Tickets waren sofort ausverkauft.

Kein „Schutzraum für wenige“

Sie wolle „das Angenehme mit dem Nützlichen“ verbinden, hatte die Band vorab verkündet, und dort auftreten, „wo der Gegenwind besonders doll ist“. Nordhausen, Roßwein, Görlitz, Cottbus, Halberstadt zum Beispiel. Und eben Bautzen. Dass der „Gegenwind“ in der 40.000-Einwohner-Stadt eher Tornadoqualitäten hat, hatte zuletzt der Wahl­abend gezeigt. Die AfD, eh schon stärkste Kraft im Stadtrat, gewann noch zwei Sitze dazu und ließ sogleich wissen, sich zuallererst das Steinhaus vorknöpfen zu wollen. Man werde „einen ganz großen Blick auf die Finanzierung“ werfen, sagte AfD-Spitzenkandidat Ralph Nitschke noch in der Nacht zum Montag.

Es ist nicht der erste Angriff auf das soziokulturelle Zentrum, in dem man Töpfern, Schach spielen, Yoga, Theater und Hausaufgaben machen oder einfach nur rumhängen kann. Erst Anfang des Jahres hatte die Fraktion des Bürgerbündnisses Bautzen (BBBz) im Kommunalparlament einen Antrag gestellt, dem Zentrum künftig 60.000 Euro Zuschuss zu streichen. Der Antrag hatte keinen Erfolg, Lisa Wendler, Netzwerkmanagerin im Steinhaus, wählt ihre Worte trotzdem mit Bedacht. „Wir waren über diesen Vorstoß erst mal überrascht, wussten aber auch: Wir finden da eine Lösung, man kann über alles sprechen.“ Oberste Devise des Steinhauses sei die Transparenz, allen immer offen zu kommunizieren, in welche Projekte welche Gelder fließen, sich nicht angreifbar machen: „Wir haben nichts zu verstecken, wir machen nur unsere Arbeit.“

Lisa Wendler, Mitarbeiterin des Steinhauses

Der ehemalige Geschäftsführer des Steinhauses hatte in einem Interview mal gesagt, dass seine Einrichtung „nicht aus einer ideologischen Bewegung nur Schutzraum für wenige“ sein solle. Das sei auch immer noch so, sagt Lisa Wendler, denn anders als in Großstädten, wo man sich in seine Kieze zurückziehen könne, kenne in Bautzen nun mal jeder jeden, „und da entsteht natürlich Reibung, wenn die Leute sagen, ihr seid ja nur ein Ort für die und die“. Als das Steinhaus vor ein paar Jahren die AfD zu einem Wahlforum einlud, war der Aufschrei in der linken Szene groß.

Bloß nicht die Fronten verhärten

Aber mit wem zu reden und mit wem nicht, sei eine Frage, die sich alle kulturellen Zentren gerade stellen müssen, „weil da so viel dranhängt“. Was sie damit meint: Die Fronten bloß nicht noch weiter verhärten, man ist ja schon gefährdet genug. So ist beispielsweise der „Happy Monday“ in Bautzen, an dem sich das Steinhaus wie viele andere Vereine beteiligt, explizit kein Gegenprotest zu den Montagsdemonstranten, sondern eine kulturelle Veranstaltung, bei der alle einfach Spaß haben sollen. Die Zivilgesellschaft in Bautzen, sie balanciert.

Auch die Beatsteaks geben auf der Bühne später kein einziges politisches Statement ab. Die Band hatte vorab gesagt, dass die Konzerte in den AJZs keine „Wir sind mehr“-Veranstaltungen sein sollen, kein „Wir gegen die anderen.“ Es gehe auch darum, Menschen in die Jugendzentren zu locken, die vorher vielleicht Berührungsängste hatten.

In Görlitz beispielsweise habe sich ein Herr erkundigt, warum da so ein Auflauf wäre vor dem „kleinen Laden“ und dann gesagt „Ach, ich wollte hier ja immer mal hin, hab mich aber nicht getraut“, erzählt Peter Baumann, Gitarrist der Band vor der Show im Backstage. Ihr Gefühl nach einem halben Dutzend Konzerten in den ostdeutschen AJZs: Niemand da macht Dienst nach Vorschrift, alle sind „wahnsinnig engagiert“. Trotz Morddrohungen, eingeschlagener Fensterscheiben, und der konstanten Sorge vor gekürzten Fördermitteln.

Die schon seit über einem Jahr geplante Tour sei auf ungute Art „perfektes Timing“, darüber könne man sich natürlich nicht freuen, „aber irgendwie ein bisschen doch“, sagt Schlagzeuger Thomas Götz. „Man kam sich zumindest etwas weniger blöd vor zu Hause auf dem Sofa beim Beobachten der Wahlergebnisse.“

Um die Wahlergebnisse soll es vor Publikum dann aber nicht gehen. Die Beatsteaks geben ein Konzert, wie es überall hätte stattfinden können, versprechen bloß am Schluss, dass es dieses Mal keine 28 Jahre dauern wird, bis sie zurückkommen. Als ersten Song spielen sie „Traumschiff“, eine neue Single vom demnächst erscheinenden Album „Please“. „Some trouble is coming, some trouble might go“, heißt es da in den Strophen, und im Refrain: „Don’t give up, don’t give up, don’t give up, no, don’t give up, now, don’t give up.“ Es klingt ein bisschen wie eine Beschwörung. Nach einer guten halben Stunde in dem kleinen Saal tropft der Schweiß von der Decke, Brillen beschlagen, es ist unglaublich heiß und unglaublich ausgelassen.

Der süßeste Moshpit ever

Die Crowd ist text- und moshpitsicher bei Klassikern wie „Hand in Hand, „Cut off the top“ und „I don’t care as long as you sing“. „Detractors“, einen weiteren neuen Song, streut die Band ohne Ansage in der Mitte ein. Während „Gentleman of the year“ dreht Frontmann Arnim Teutoburg-Weiß eine ausgiebige Runde durchs Publikum, begrüßt gefühlt jeden Gast einzeln.

Der Altersschnitt war „so 35“, schätzt Anna Lina im Anschluss. Sie ist 16 Jahre und heute mit ihrer Freundin Charlotte, 15, hier. „Aber cool, mit Leuten, die ein bisschen älter sind abzuhängen, ist ein neuer Einfluss“, sagt sie und lacht. Beide haben sich beim Konzert verausgabt, dabei aber „neue Kraft gesammelt“. Denn seit der Wahl geht es ihnen „beschissen“, sie machen sich Sorgen, dass „was schiefgehen könnte und das Steinhaus nicht mehr das ist, was es mal war“. Anna Lina macht hier am liebsten Siebdruck oder trifft Freunde, die Einrichtung bedeutet ihr „übel viel“. Charlotte kommt meistens für Konzerte und findet gut, dass so viele lokale Bands sich dort ausprobieren können.

Ostwahlen 2024

Dieser Text ist Teil unserer Berichterstattung zu den Wahlen 2024 in Brandenburg, Sachsen und Thüringen. Die taz zeigt, was hier in diesem Jahr auf dem Spiel steht.

Charlie, ebenfalls 15, ist mit ihrem Vater aus dem 50 Kilometer entfernten Zittau gekommen, es ist schon ihr zweites gemeinsames Beatsteaks-Konzert. Die Schülerin engagiert sich im Bündnis „Zittau ist bunt“, das sich jeden zweiten Montag den rechtsextremen Montagsdemonstranten gegenüberstellt. Sie weiß aus ihrer aktivistischen Arbeit genau, wie schwierig es ist, große Bands in die kleinen Städte zu holen und findet es „sehr wichtig“, dass sich Acts wie die Beatsteaks auch außerhalb von Dresden und Leipzig blicken lassen.

Kurz politisch wurde es auf der Bühne dann doch, allerdings nicht bei den Beatsteaks, sondern davor. Das Chemnitzer Duo Tränen spielte spontan als Vorband und animierte das Publikum während ihres Songs „Duell der Letzten“ zur „Wall of love“. „Das ist der süßeste Moshpit ever“, rief Sängerin Gwen Dolyn von der Bühne herunter. „Klein, aber engagiert. So wie die linke Szene in Sachsen.“

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1 Kommentar

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  • Können wir bitte alle mehr Steinhaus sein!?!



    Fronten abbauen statt Kulturkrieg.



    Mit- statt gegeneinander.