Die Auflösung der Knesset in Israel: Das Ende eines Wunders
Israels Regierung war nicht ideal, aber besser als die Netanjahu-Jahre. Erstmals war eine arabische Partei dabei. Nun sind die Aussichten düster.

Große Freude bei Benjamin Netanyahu, kurz vor der Auflösung des Parlaments Foto: Ronen Zvulun/reuters
Jeder Tag, an dem die Regierung in Israel überlebt hat, war ein Wunder – eines der ambivalentesten Wunder, die das Land bisher zu bieten hatte. Denn eigentlich konnte niemand die Regierung vollen Herzens unterstützen. Den Rechten war allein die Tatsache, dass eine arabische Partei zum ersten Mal in der Geschichte Israels Teil der Regierungskoalition ist, ein Dorn im Auge; die Siedlungen schritten ihnen nicht schnell genug voran.
Linke besatzungskritische Organisationen wie Peace Now attestierten hingegen der Regierung, die Besatzung zu verschärfen und den Siedlungsbau noch schneller voranzutreiben, als dies unter dem vorherigen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu der Fall war. Viele palästinensische Israelis wiederum ärgerten sich über die verhältnismäßige Machtlosigkeit der islamischen Ra’am-Partei in der Regierung.
Doch hat die Bennet-Lapid-Regierung eine andere Sprechweise in den politischen Diskurs gebracht – fast möchte man sagen: eine „von Wertschätzung geprägte Sprechweise“. Das Land wurde regiert, ohne von persönlichen Interessen eines Netanjahu gelenkt zu werden. In Sachen Klima war die Regierung zwar lange nicht so progressiv und entschieden, wie man es sich hätte wünschen können. Doch die Regierung verschloss zumindest nicht die Augen vor dem Klimawandel.
Nach langer Agonie ist dieses Wunder nun zu Ende. Die Knesset löst sich erwartungsgemäß auf. Das Bündnis ist am sogenannten Westjordanlandgesetz zerbrochen. Dieses Gesetz zeigt die Ungleichbehandlung von Palästinenser:innen und jüdischen Israelis im Westjordanland so unverschämt offen, dass es eine Schande gewesen wäre, wenn keine:r der besatzungskritischen Linken in der Regierung aufgestanden wäre und rebelliert hätte.
Jetzt ist das Wunder vorbei, und es kann nur schlimmer kommen – eine erneute Pattsituation und ein darauf folgender Zyklus an Neuwahlen. Oder eine rechtsreligiöse Koalition unter Netanjahu, die von rechter Hetze und den persönlichen Interessen des in Korruptionsfällen angeklagten Netanjahu geprägt sein wird. An ein neues Wunder glauben die Wenigsten.
Die Auflösung der Knesset in Israel: Das Ende eines Wunders
Israels Regierung war nicht ideal, aber besser als die Netanjahu-Jahre. Erstmals war eine arabische Partei dabei. Nun sind die Aussichten düster.
Große Freude bei Benjamin Netanyahu, kurz vor der Auflösung des Parlaments Foto: Ronen Zvulun/reuters
Jeder Tag, an dem die Regierung in Israel überlebt hat, war ein Wunder – eines der ambivalentesten Wunder, die das Land bisher zu bieten hatte. Denn eigentlich konnte niemand die Regierung vollen Herzens unterstützen. Den Rechten war allein die Tatsache, dass eine arabische Partei zum ersten Mal in der Geschichte Israels Teil der Regierungskoalition ist, ein Dorn im Auge; die Siedlungen schritten ihnen nicht schnell genug voran.
Linke besatzungskritische Organisationen wie Peace Now attestierten hingegen der Regierung, die Besatzung zu verschärfen und den Siedlungsbau noch schneller voranzutreiben, als dies unter dem vorherigen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu der Fall war. Viele palästinensische Israelis wiederum ärgerten sich über die verhältnismäßige Machtlosigkeit der islamischen Ra’am-Partei in der Regierung.
Doch hat die Bennet-Lapid-Regierung eine andere Sprechweise in den politischen Diskurs gebracht – fast möchte man sagen: eine „von Wertschätzung geprägte Sprechweise“. Das Land wurde regiert, ohne von persönlichen Interessen eines Netanjahu gelenkt zu werden. In Sachen Klima war die Regierung zwar lange nicht so progressiv und entschieden, wie man es sich hätte wünschen können. Doch die Regierung verschloss zumindest nicht die Augen vor dem Klimawandel.
Nach langer Agonie ist dieses Wunder nun zu Ende. Die Knesset löst sich erwartungsgemäß auf. Das Bündnis ist am sogenannten Westjordanlandgesetz zerbrochen. Dieses Gesetz zeigt die Ungleichbehandlung von Palästinenser:innen und jüdischen Israelis im Westjordanland so unverschämt offen, dass es eine Schande gewesen wäre, wenn keine:r der besatzungskritischen Linken in der Regierung aufgestanden wäre und rebelliert hätte.
Jetzt ist das Wunder vorbei, und es kann nur schlimmer kommen – eine erneute Pattsituation und ein darauf folgender Zyklus an Neuwahlen. Oder eine rechtsreligiöse Koalition unter Netanjahu, die von rechter Hetze und den persönlichen Interessen des in Korruptionsfällen angeklagten Netanjahu geprägt sein wird. An ein neues Wunder glauben die Wenigsten.
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Kommentar von
Judith Poppe
Auslandskorrespondentin
Jahrgang 1979, Dr. phil., lebt in Tel Aviv, seit 2019 Korrespondentin für Israel und die palästinensischen Gebiete.
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