Die AfD und der Verfassungsschutz: Maaßen en miniature
Ein AfDler arbeitet beim Verfassungsschutz, Pegida hält er für harmlos. Den AfD-Vorstand könnte er bald zum Umgang mit dem Geheimdienst beraten.
„Für mich handelt es sich um Szenen einer unheimlichen Nähe, um einen Fall Maaßen en miniature“, sagt Kerstin Köditz der taz. Für die Landtagsfraktion der Linken ist sie in der Parlamentarischen Kontrollkommission. Seidel begegnete ihr vor knapp drei Jahren schon. Bei der Vorstellung für einen Listenplatz zu Landtagswahl 2014 in Weinböhla versuchte Seidel mit seiner beruflichen Tätigkeit ein politisches Mandat zu erringen.
In der Selbstbeschreibung gab er an, „1994 nach einem langwierigen Auswahlverfahren in das sächsische Innenministerium“ gewechselt zu haben und 1996 in ein „Beamtenverhältnis als Verwaltungsbeamter“ berufen worden zu sein. Dort, im Innenministerium, schrieb er, begleitete er „mehrere Aufgaben in Bezug auf Innere Sicherheit mit Schwerpunkt Extremismus“ und verfasste „entsprechende Analysen“. „Ich bin Sicherheitsüberprüfter der höchsten Sicherheitsstufe SÜ3 und habe Umgang mit Verschlusssachen mit Einstufungsgrad ‚geheim‘“, so Seidel. Vielleicht etwas ungeschickt für einen Geheimdienstbeamten: als „Urheber“ der zitierten Datei mit der Seidel-Selbstdarstellung wurde „lfv23011“ angegeben.
Köditz bat 2015 den Präsident des VS, Gordina Meyer-Plath, um ein Gespräch. Ohne Erfolg. „Herr Mayer-Plath lehnte mit der bemerkenswerten Begründung ab, er werde solche Fälle nicht ‚mit Außenstehenden‘ erörtern.“ In seiner Selbstdarstellung führte Seidel auch aus, dass die Medien „gleichgeschaltet“ seien, dass mit „ideologischer Keule anderslautende Meinungen“ angegangen und die „etablierten Parteien“ den Wählerwillen missachten würden. Ein persönliches Dienstgespräch folgte damals. Mit der Botschaft: „du, du, du“ überspitzt Köditz. „Die Reaktion des Geheimdienstes bestand also in einem erhobenen Zeigefinger für Seidel, weil er seinen Dienstcomputer privat genutzt hatte. Inhaltlich sah man offensichtlich kein Problem“, sagt sie.
Disziplinarmaßnahmen gefordert
Zu einem Umdenken führte das bei Seidel nicht. Im Gegenteil: Dem ARD-Fernsehmagazin Panorama sagt der Mann mit Glatze und Brille, kein Problem zwischen seiner beruflichen Tätigkeit und seinem politischen Engagement zu sehen. Am 1. September dieses Jahres war er privat beim so genannten „Trauermarsch“ der AfD in Chemnitz. Rechtsextreme will er bloß vereinzelt wahrgenommen haben, er bedauert, an dem Tag Lutz Bachmann nicht persönlich begegnet zu sein. „Wenn man schon mal die Chance hat, würde ich ihm ja auch mal Guten Tag sagen“, meint er zu dem Pegida-Gründer, der wegen Einbruch, Körperverletzung und Volksverhetzung verurteilt ist.
Auch, dass das Bundesamt und das Landsamt Sachsen des VS die „Identitäre Bewegung“ (IB) als rechtsextrem einstufen, kann er gegenüber dem Fernsehmagazin nicht nachvollziehen. Die Identitären würden lediglich „intelligente Aktionsformen“ betreiben. „Die ketten sich an keine Schienen, an keine Baufahrzeuge, an nichts. Die hängen Plakate auf, da steht nichts Verbotenes drauf, soweit ich das feststellen kann“, meint der Leiter des AfD-Landesfachausschusses 5, der zuständig ist für die Erarbeitung von Konzepten im Bereich Innere Sicherheit, Justiz und Datenschutz.
Seidels Einschätzung zur IB hält Stephan Kramer, Präsident des VS Thüringen, gegenüber Panorama für „bedenklich“, da ein VS-Mitarbeiter „ein Beobachtungsobjekt quasi öffentlich von der Eigenschaft als Beobachtungsobjekt freisprechen will“. Köditz sagt der taz dazu: „Ein Beamter unterliegt einer besonderen Treuepflicht, dazu gehört auch, dass Entscheidungen seines Dienstherrn nicht öffentlich in Zweifel gezogen werden dürfen“. Sie erwartet nun, dass in einem rechtlich einwandfreien Verfahren Disziplinarmaßnahem eingeleitet werden.
Fernsehtipp: Panorama: Donnerstag, 20. September, 21.45 Uhr, Das Erste
Anm. d. Red.: In einer früheren Version dieses Artikels hieß es, Hendrik Seidel sei immer noch Vize-Vorsitzender des Kreisverbands Mittelsachsen. Wir haben den Fehler korrigiert.
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