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Die AfD in der KriseDas Rezept ist abgelaufen

Sabine am Orde
Kommentar von Sabine am Orde

Das Nebeneinander der unterschiedlichen Strömungen hat maßgeblich zum Erfolg der AfD beigetragen. Jetzt ist es das Kernproblem der Partei.

Björn Höcke und Andreas Kalbitz auf einer AfD-Kundgebung unter dem Titel „Einigkeit macht stark“ Foto: Martin Schutt/dpa

D as Erfolgsrezept der AfD ging bislang so: Die Partei hatte für Rechte mit Abneigung gegen Geflüchtete, die EU, die 68er und die Kanzlerin je nach Bedarf Unterschiedliches im Angebot. Die einen orientierten sich erst an dem Wirtschaftsliberalen Bernd Lucke, später an Jörg Meuthen und blendeten den unappetitlichen rechten Rand aus. Die anderen machten den rechtsextremen Björn Höcke zu ihrer Lichtgestalt und nahmen die „Luschen“ am anderen Ende nicht so wichtig.

Der Traum der Neuen Rechten von einer Sammlungsbewegung schien wahr zu werden: Die AfD hat von der bürgerlichen Mitte bis ins rechtsextreme Lager Diskurse beeinflusst, WählerInnen mobilisiert und so die Grenze zwischen demokratischen und antidemokratischen Rechten verwischt. Erfolg folgte auf Erfolg, zusammen zog das eigentlich fragile Bündnis mit einem zweistelligen Ergebnis in den Bundestag.

Doch dieses Erfolgsrezept funktioniert nicht mehr. Mehr noch: Es ist zum Kernproblem der AfD geworden. Der Machtkampf, der um den Rausschmiss des rechtsextremen Drahtziehers Andreas Kalbitz tobt, geht weit tiefer als die Frage, ob sich Parteichef Meuthen oder Kalbitz durchsetzen wird. Es geht um die inneren Widersprüche der Partei.

Die AfD hat grundlegende Fragen nicht geklärt: Will sie in die Regierung oder Fundamentalopposition bleiben? Setzt sie auf Reform oder Sturz des Systems? Soll der Sozialstaat ab- oder völkisch umgebaut werden? Und wie viel Einfluss räumt man überzeugten Rechtsextremisten ein? Jede dieser Fragen ist ein Grundsatzkonflikt.

Berauscht vom Erfolg, konnte die AfD dies immer wieder beiseiteschieben, ab und zu wurde einE ParteichefIn ausgewechselt, einige Mitglieder gingen. Dann machte man, weiter nach rechts gerückt und mit einem neuen, vermeintlich moderatem Feigenblatt an der Spitze, weiter wie zuvor. Hatte wieder Erfolg und neue Posten zu verteilen.

Der interne Machtkampf tobt heftig

Doch damit ist erst mal Schluss. Die AfD steckt – nicht nur coronabedingt – in der Krise. Die Umfragewerte sinken, die Partei dringt mit ihrem alten Thema nicht mehr durch und findet kein neues. Der interne Machtkampf tobt so heftig wie vielleicht noch nie.Das liegt auch am Verfassungsschutz, der prüft, ob nach dem „Flügel“ auch die Gesamtpartei beobachtet werden soll. Wollen die, die sich für gemäßigt halten, eine Beobachtung verhindern, dann müssen sie jetzt an Kalbitz, Höcke und Co ran. Oder ihr Traum von einer Regierungsbeteiligung ist ausgeträumt, möglicherweise auch der Beamtenstatus dahin. Einfach weitermachen geht nicht mehr.

Die Ausgangslage ist zudem anders als bei vorherigen AfD-Machtkonflikten. Mehrheiten im Bundesvorstand und im Schiedsgericht der Partei haben Kalbitz vor die Tür gesetzt. Damit ist der vielleicht einflussreichste Rechtsextremist der AfD derzeit kein Parteimitglied mehr. Die Gremien haben den „Flügel“ geschwächt. Die Lage kann sich allerdings wieder ändern, wenn das Berliner Landgericht über Kalbitz’ Klage gegen die Annullierung seiner Mitgliedschaft entscheidet.

Der Konflikt tobt inzwischen selbst in der Bundestagsfraktion, die sich bislang rühmte, ganz ohne Flügelkämpfe auszukommen – und keiner kann ihn mehr so richtig einhegen. Alexander Gauland, der die Partei bislang zusammenhielt, hat diese Rolle verspielt. Gauland, ohnehin alt und müde, hat sich auf Kalbitz’ Seite gestellt und ist durch das Urteil des Schiedsgerichts nun geschwächt. Dann attackierte er, zum Entsetzen mancher Mitglieder, das Gericht, immerhin das höchste Parteigremium.

Steht also eine Spaltung an? Auch wenn alles darauf zuzusteuern scheint: Ausgemacht ist das nicht. Freiwillig wird keine der beiden Seiten auf Namen und Strukturen der AfD verzichten. Auch will der „Flügel“ nicht zur Lega Ost schrumpfen, die Gemäßigteren wollen auf die Höhenflüge der Ostverbände und Stimmen von Rechtsradikalen nicht verzichten. Die AfD steckt in einem fast ausweglosen Dilemma.

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Sabine am Orde
Innenpolitik
Jahrgang 1966, Politikwissenschaftlerin und Journalistin. Seit 1998 bei der taz - in der Berlin-Redaktion, im Inland, in der Chefredaktion, jetzt als innenpolitische Korrespondentin. Inhaltliche Schwerpunkte: Union und Kanzleramt, Rechtspopulismus und die AfD, Islamismus, Terrorismus und Innere Sicherheit, Migration und Flüchtlingspolitik.
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11 Kommentare

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  • letztendlich ist die afd frucht der ideologischen beliebigkeit der kanzlerinnenpartei - sowie profunde ablehnung des apodiktisch "alternativlosen" , auch die vielfachen bindungen zur spd sind stark erlahmt , zu unterschiedlich die sprache von strasse und gremien , willy s leitspruch zur ölkrise , „ zunächst muss an die eigenen leute gedacht werden „ , einst binse - heute gern faschistoid. entgegen der medialen darstellung wird sie zumindest im westen vielfach von leuten gewählt , welche früher als staatstragend wahrgenommen wurden – ( hohe ) beamte , armee , juristen , ökonomen , naturwissenschaftler , professoren – man hält sich für rechtstreuer als administration und humanitärer imperativ , letztere art 16 I gg nicht als die stets geforderte europäische lösung anerkennend , die genfer konvention extensivierend , die grenze als vorschlag. der vulgäre teil der afd - mehr degoutant als magnetisch - wird als solcher erkannt und mangels alternative der kröte gleich geschluckt , wenn es die humorlosen jakobiner ärgert verschieben sich auch gern mal die sittlichen grenzen des sagbaren , zu unterschiedlich die bewertung des flapsigen als echte gefahr fürs gemeinwesen , zu gross die allgegenwärtige unterordnung des gestern unter das heute , zu gering der anteil der stetig fordernden an der bewältigung der beträchtlichen kosten , zu gross die inanspruchnahme des sozialstaates - mit 1 /3 der einkünfte wohl ausgereizt , zumindest so die bildhafte sprache einer desolaten infrastruktur. denn wie soll man den „ schon länger hier lebenden „ erklären , dass ihr anteil zwangsläufig sinkt ? und im osten ? nicht schon wieder , sagt uns nicht erneut , was gedacht werden darf und soll. unsere biographien sind entwertet , bitte gönnt uns das ethnische band.



    im bundestag übrigens breite eintracht , opposition mitnichten . braucht es eine afd ? ich fürchte ja , zumindest bis hier das recht auf rechts allgemein annerkannt - in den unverhandelbaren grenzen von verfassung und strafrecht .

    • @oliver pasch:

      Warum machen Sie sich eigentlich soviel Mühe einen langen Kommentar zu verfassen, wenn Sie ihn dann anschließend in einer Form hinrotzen bei dessen äußeren Anblick ihn schon 99% der Leute gar nicht lesen wollen?

    • @oliver pasch:

      Es gibt kein Recht auf Rechts.

  • Na na, keine Angst... Landolf Ladig hat schon einen Volkshochschulkurs in Postkartenmalerei belegt und arbeitet bereits an seiner ersten Biographie...

  • Für vergammelte braune Soße von vorgestern gibt es kein Rezept. Man kann sie nur wegschütten.

  • 8G
    82286 (Profil gelöscht)

    ... und warum lassen wir sie nicht einfach in ihrem Saft schmoren?



    Ohne Kommentare und so.

  • 0G
    05838 (Profil gelöscht)

    Die AfD war nach dem Abgang von Lucke tot, kam auf 3,5% bei Umfragen, die auch mit Öffnung der Grenzen im Sept. 2015 nicht besser wurden. Der Boom der AfD kam erst durch die darauf folgende, öffentliche Agitation Seehofers gegen Merkels Vereinbarung mit Orban und Feymann. Die AfD der Nach-Lucke-Ära ist ein künstliches Gebilde, das ohne die Fehler von Herrn Seehofer schon lange tot wäre. Für die Denkweise von Höcke&Co gibt es in Deutschland keine 5% Anhänger.

    • @05838 (Profil gelöscht):

      in der Tat hat Seehofer mit seiner Polemik gegen die 2015 liberale Flüchtlingspolitik eine Flanke geöffnet, die ehemals konservative Wähler dazu verlockt nun mit der AfD Druck auf die Union auszuüben. Diese Phase it nun beendet und die AfD verliert Stimmen, wenn sie 'völkisch' auftritt.

  • schön :-)

  • in der brd kommt keine politische partei an die macht von der die weltmarktorientierten banken und konzerne nicht wollen dass sie an die macht kommt.da diese die eu brauchen und da sowohl der neoliberale-konservativ-reaktionäre national-kapitalistisch orientierte teile des mittelstandes mobilisierende als auch der von Björn Höcke angeführte flügel gegen die eu sind wird die afd nicht an die macht kommen.



    damit dass die brd sich vom neoliberalismus abwendet ist nicht zu rechnen.also wird das wähler*innen potential der afd langfristig weiter zunehmen.



    will man deren wahlerfolge begrenzen so darf die linke -die im westen wo es schwerer als im osten ist die armen mit rassismus gegeneinander auszuspielen -gute chancen hat die globalisierungsverlierer*innen durch eine politik der fundamentalopposition an sich zu binden sich nicht in koalitionen mit neoliberalen parteien kaputtprostituieren



    wenn demnächst die schwarz-grüne koaltition kommt verlieren die grünen viele wähler*innen an die linke



    unter der vorraussetzung dass die linke der versuchung des opportunismus widersteht und sich nicht kaputtprostituiert wie sich die spd kaputtprostituiert hat wird es der afd nicht gelingen sich im westen dauerhaft zu etablieren.

    die linke wird in der brd vermutlich nie an die macht kommen-aber das ist egal-denn dieser staat ist irreversibel im niedergang und wird im rahmen der politischen neugründung europas abgeschafft werden

    der Macron-ismus ist in frankreich so gut wie tot .damit ist der versuch einer neoliberalen machtübernahme in frankreich höchstwahrscheinlich endgültig gescheitert .frankreich wird nicht den weg der brd gehen.die brd kann als neoliberaler staat mit einem nicht mehr neoliberalen protektionistischen frankreich nicht mehr zusammenarbeiten. erst zerbricht die achse berlin-paris -dann zerfällt die neoliberale eu - an ihre stelle wird ein europäischer bundesstaat unter französischer führung treten in dem soziale gerechtigkeit wieder möglich sein wird

    • @satgurupseudologos:

      Deine Umschalttaste ist kaputt. Es wäre leichter, deine Behauptungen ernst zu nehmen, wenn Du ein bisschen mehr auf korrekte Rechtschreibung achten würdest.

      Deutschland hat in der EU am meisten zu sagen, alleine weil wir das größte SStimmrecht haben. Warum sollte Frankreich hier den Ton vorgeben? Zumal Frankreich und Deutschland oft der gleichen Meinung sind?

      Warum genau ist Deutschland jetzt neoliberal? Haben wir keinen Sozialstaat mit Grundsicherung und Krankenkassen?

      Wie genau beeinflussen die Konzerne die Wahlen? Ich verstehe nicht, wie die das schaffen sollen.