Devendra Banhart über neues Album: „Meine Musik ist reinstes Berghain“
Der Folk-Musiker Devendra Banhart kann auch zart. Ein Gespräch über Nachhaltigkeit, Inspirationen und Haare im Fahrtwind.
taz.am wochenende: Herr Banhart, Ihr neues Album heißt „Ape in Pink Marble“…
Devendra Banhart: Können Sie den Titel ins Deutsche übersetzen?
Affe in rosa Marmor
Affe in rosa Marmor.
Auch die Übersetzung verrät mir nicht, was dieser Titel bedeutet.
Dann sind wir schon zwei. Willkommen im Club!
Was mir dagegen sofort aufgefallen ist, wie langsam diese 13 Songs sind. So zart, so anrührend! Verglichen damit war der Vorgänger „Mala“ Überschall.
Ich bin da von mir selbst enttäuscht, denn die neuen Songs sind immer noch nicht so sanft und behutsam, wie ich sie gerne hätte. Ich bin zu hektisch. Daher sind diese Songs im Rahmen dessen, wie ich sie spielen kann, dazu angetan, in dem Club in Berlin zu laufen, wie heißt er noch?
Berghain.
Genau, verglichen mit dem, was ich für sanft halte, ist mein neues Album reinstes Berghain.
Das muss ich erst mal sacken lassen!
Eines Tages werde ich Musik komponieren, die pure Nachhaltigkeit ist und bar jeder Aggression. Sanftheit ist ein relativer Begriff. Für mich klingt „Ape in Pink Marble“ wie Industrial-Noise.
Als wir uns das letzte Mal getroffen haben, waren Sie nach New York gezogen, um dem Geist des Musikers Arthur Russell näher zu sein. Das hallt nach auf „Ape in Pink Marble“
Stimmt, ich habe 2013 auch einen Song zu dem Russell-Tribut-Album „Red Hot and Arthur“ beigesteuert. Nachdem ich „Losing my Faith in Nightlife“ eingespielt hatte, merkte ich, dass meine Zeit in New York abgelaufen war. Das lag aber auch an Luther Burbank.
Wer ist das?
Er hat die Songs des neuen Albums inspiriert. Burbank war ein renommierter Botaniker, er züchtete eine Kaktusart ohne Stacheln.
Never trust a Hippie.
Im Ernst, Burbank ist ein kalifornischer Heiliger, Paramahansa Yogananda hat ihm die „Biography of a Yogi“ gewidmet. Ich las begeistert in der Burbank-Biografie „The Garden of Invention“. Die Beschreibungen von Flora und Fauna haben mir Kalifornien wieder nähergebracht. Wenn ich wegen Arthur Russell nach New York gezogen bin – durch Luther Burbank bin ich zurück nach Kalifornien.
Alle 13 Songs haben einprägsame Melodien. Ich höre Anklänge an die frühen Fleetwood Mac, nicht die Kokain-Fleetwood-Mac der mittleren Siebziger, die alle Popper mögen, sondern Fleetwood Mac mit Peter Green, im Speziellen den Song „Albatross“.
Wenn ich fünf Songs aufzählen müsste, die für mein Leben bedeutsam sind – „Albatross“ ist darunter. Eigentlich will ich Ihnen das gar nicht erzählen, jetzt denken Sie, ich komponiere Plagiate.
Aber nein! Das war ein Kompliment, außerdem klingen ja noch viele andere Einflüsse an. Jetzt verraten Sie mir bitte Ihr Geheimrezept.
Ich mache immer weiter, worin ich gut bin: Bei mir ist das die Verbindung aus Kompositionsprozess und Spielpraxis. Ich versuche, besser zu werden, kriege es aber nie hin. Beim Scheitern bin ich nicht allein, das geht vielen Kollegen ähnlich. Entweder wir komponieren immer den gleichen Song, oder wir versuchen, ihn besser zu spielen. Irgendwann habe ich aufgegeben, meine Fehler zu korrigieren. Ich mache keine Musik, um reich zu werden. Ich mache auch keine Musik, damit ich mit Ihnen darüber reden kann. Ich mache auch keine Musik, weil sie mir Schmerzen bereitet. Und ich mache auch keine Musik, weil ich selbstzufrieden bin. Ich mache Musik, damit ich mich frage, warum ich Musik mache.
Bärtige Songwriter, die jammervolle Lieder singen, gibt es viele. Sie fallen schon mit Ihrem Auftaktsong „Middle Names“ und der Einstiegszeile „I pretend when I look in your eyes“ aus diesem Schema. Ist das Ihre Antwort auf das Bedürfnis nach Glaubwürdigkeit?
Es gibt ein Interview mit Sly Stone, da wird er gefragt, wie er Songs komponiert. Er antwortet, dass er vor dem Spiegel singt: „Glaubst du der Person, die singt?“ Wenn er seinem Spiegelbild glaubt, lässt er den Song sein.
Befolgen Sie Slys Rat?
Hab’s noch nie ausprobiert. Wenn ich in den Spiegel schaue, bin ich meist überrascht. In meinen Gedanken schaue ich völlig anders aus. Egal, in dem Song „Middle Names“ geht es darum, wie man herausfindet, ob es jemand ernst meint. Ich ertappe mich oft dabei, dass ich jemandem prüfend in die Augen schaue.
Den vorletzten Song, „Linda“, singen Sie in Perspektive einer Frau, er klingt melancholisch.
Linda ist nicht traurig, sie ist ein Freigeist. Von außen mag es so wirken, als sei Linda melancholisch, das täuscht.
Mögen Sie die Charaktere, über die Sie singen? Manchmal wirkt es so, als machen Sie sich über sie lustig, wie in dem Song „Jon lends a Hand“.
Der Song ist ein Liebeslied an eine Frau, aber damit bekunde ich auch meine Zuneigung zu Jonathan Richman, im Text frage ich ihn, ob er mir beim Singen hilft. „Jonathan/Jonathan/These are your chords/I’m borrowing them/I give em back/When I’m done“. Und ja, ich mag die Frau sehr.
Und Linda?
Die auch, es wirkt so, als singe ich über ihr Scheitern, aber deshalb schalte ich mich als Instanz in den Text und ergehe mich in Melancholie. Linda ist eine Außenseiterin, sie scheitert, zieht um und startet wieder neu. Darin steckt Freiheit. Entsprechend haben wir den Song in ein Jazz-Arrangement gekleidet.
Aus Ihrer Musik spricht kindliche Freude an der Existenz, das begann mit Ihrem Hit „I feel just like a Child“ und zieht sich bis heute durch.
Sagen wir so, als Kind habe ich immer den pakistanischen Musiker Nusrat Fateh Ali Khan gehört. Seinen Song „Makki Madni“ hat mein Vater im Auto gespielt, als er mich zur Schule gefahren hat. Die Fenster waren unten, unser Haar flatterte im Wind und der Sound hat mich weggeblasen. Ich dachte, der Wagen fliegt in die Luft. Dazu ist Musik heute noch imstande. Sie bereitet mir Freude, das ist wichtig für mich. Eher drücke ich in meinen Songs Freude aus als irgendein anderes Gefühl. Das geschieht unbewusst.
Inzwischen singen Sie auch über Liebe.
Das Album: „Ape in Pink Marble“ (Nonesuch/Warner) enthält 13 aufreizend relaxte Songs, delikat in Bandbegleitung arrangiert und sehr einschmeichelnd. Banhart befindet sich in bestechender Form.
Das Buch: „I Left My Noodle On Ramen Street“ (Prestel Verlag, München). Vergangenes Jahr ist Banharts erster, weitgehend unbeachteter Band mit Zeichnungen erschienen. Der taz sagte Banhart, er „möchte endlich in Deutschland ausstellen!“.
Na klar, ich will eine Frau damit beeindrucken, bisher vergeblich. Deshalb komponiere ich doch Songs.
Und trotzdem singen Sie in dem Song „Lucky“: „I’m so very very lucky“ – ganz banal.
Moment, der Song ist nicht autobiografisch. Er handelt von einem wahren Schöngeist, der früher Bassist in meiner Band war: Lucky Remington arbeitet inzwischen als bildender Künstler. Als alter Utilitarist habe ich das Angenehme mit dem Nützlichen verbunden und ein universelles Sentiment wie das Glücksgefühl mit dem Privaten verknüpft. Damit sage ich Lucky, dass ich ihn mag.
Ein Liebeslied an einen Mann?
Nein, kein romantisches Liebeslied, ich habe Lucky gerne, warum soll ich das nicht durch Musik ausdrücken? Ich bin hetero, aber ich fühle mich eher wie eine alte Lesbe.
Letztes Mal fühlten Sie sich wie eine missbrauchte Bergziege. Bei unserem ersten Telefonat fragte ich, ob sie am anderen Ende der Leitung seien, und Sie antworteten …
Ja, sie ist dran …
Eigentlich hat das Album einen ernsten Hintergrund.
Ja. 2015 gab es in meinem Umfeld einige Todesfälle, die Trauerarbeit war Teil der Aufnahmen. Das Verdrängen hat geholfen, wir haben uns vorgestellt, dass wir im Fernen Osten in einer Hotellobby spielen.
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