Deutschsprachige Exil­fil­me: Aus der Ferne zurück geschaut

Eines von drei Highlights der Woche: Die Retrospektive „Der andere Wiener Film“ präsentiert Exilproduktionen jüdischer Filmschaffender 1934-1936.

Szene aus dem Film „Tagebuch der Geliebten“: Eine Frau im Nachthemd lehnt mit dem Rücken zur Kamera an einem Fenster und blickt hinaus

Läuft im Rahmen der Retrospektive “Der andere Wiener Film„: H. Kosterlitz' „Tagebuch der Geliebten“ Foto: Filmarchiv Austria

Philosophisch betrachtet, geht die Idee der Liebesheirat in Europa auf die Zeit der Aufklärung im späten 18. Jahrhundert zurück. Die Realität sah allerdings noch für lange Zeit ganz anders aus: Erst der relative Wohlstand der vergangenen hundert Jahre ermöglichte es den Menschen, sich Liebe überhaupt leisten zu können. Zuvor waren Eheschließungen in aller Regel zweckgebunden: Es ging um Versorgung und um die Mehrung des Besitzstandes. Auf Staatsebene kam die Politik dazu: Ehen untermauerten militärische Bündnisse oder wackelige Friedensverträge und sicherten Macht und Einfluss.

Insofern beschreibt der französische Film „Ein königlicher Tausch“ eine für das frühe 18. Jahrhundert völlig normale Begebenheit. Der französische Regent Herzog Philipp von Orléans schließt zur Friedenssicherung einen Handel mit dem spanischen Hof ab: Der gerade einmal elfjährige König Ludwig XV. soll die vierjährige spanische Infantin Maria Anna Victoria heiraten, während Philipps Tochter Louise-Elisabeth mit dem spanischen Thronfolger Don Luis vermählt wird.

Die Übergabe der beiden Mädchen an den jeweils anderen Hof inszeniert Regisseur Marc Dugain wie einen Geiselaustausch, der es im Grunde auch ist: Die Kinder müssen sich darauf einrichten, weder ihre Heimat noch ihre Eltern und Geschwister jemals wieder zu sehen. Interessant ist der Film vor allem deshalb, weil die vier Hauptfiguren ganz unterschiedlich mit den an sie gerichteten Erwartungen umgehen, jeweils vordefinierte Rollen auszufüllen, denen sie emotional oder intellektuell möglicherweise nicht gewachsen sind. Dabei wird letztlich vor allem eines deutlich: Damals musste man ganz schnell erwachsen werden (www.alamodefilm.de, Streams möglich über iTunes, Maxdome, videoload u. a.).

Der taz plan erscheint auf taz.de/tazplan und immer Mittwochs und Freitags in der Printausgabe der taz.

Restauration durch Werbung

Was man in der Cinémathéque Suisse nicht so alles restauriert und dann (umsonst) per Stream zugänglich macht: Zum Beispiel nie verwendete Werbefilme für das auch in Deutschland bekannte Schmerzmittel Togal, die Ernest und Gisèle Ansorge im Jahr 1955 als hübsche kleine Puppentrickfilme realisierten: Egal, ob sich da ein Skifahrer das Bein bricht, oder drei Frauen an einem rheumatischen Opa herumdoktern – eigentlich ist die Lösung des Problems Schmerz ja ganz einfach. Jedenfalls in der Werbung.

Aus Wien ins Exil

Im Filmarchiv Austria beschäftigt man sich derweil mit den Werken jüdischer Filmschaffender, die unter dem Druck nationalsozialistischer Politik früher oder später im Ausland Exil ersuchen mussten. Unter dem Titel „Der andere Wiener Film“ ist noch bis Ende Februar Online jede Woche ab jeweils Freitag kostenfrei ein ausgewählter Film zum Thema zu sehen.

Ab 12.2. ist dies „Tagebuch der Geliebten“ von Hermann Kosterlitz, ein Melodram, das die fiktionalisierte Liebesgeschichte zwischen der Malerin Maria Bashkirtseff und dem Schriftsteller Guy de Maupassant erzählt. Regisseur Kosterlitz machte später als Henry Koster in Hollywood Karriere – aber auch sein Drehbuchautor Felix Joachimson, alle Haupt­dar­stel­le­r*in­nen sowie weite Teile des technischen Stabes setzen sich seinerzeit aus jüdischen Künstlern zusammen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Lars Penning, geboren 1962. Studium der Publizistik, Theaterwissenschaft und der Allgemeinen und Vergleichenden Literaturwissenschaft an der FU Berlin. Freier Filmjournalist. Buchveröffentlichungen: Cameron Diaz (2001) und Julia Roberts (2003). Zahlreiche filmhistorische und –analytische Beiträge für verschiedene Publikationen. Lebt in Berlin.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.