Deutsche Rüstungsexporte an die Türkei: Versprechen gebrochen
Ex-Außenminister Gabriel versicherte, man werde keine Rüstungsgüter für die Türkei genehmigen. Offensichtlich war das gelogen.
![Ein Panzer mit Besatzung Ein Panzer mit Besatzung](https://taz.de/picture/2614650/14/20270472.jpeg)
Das geht aus der Antwort von Matthias Machnig, Staatssekretär des Wirtschaftsministeriums, auf eine schriftliche Frage des Grünen-Bundestagsabgeordneten Omid Nouripour hervor. Welche Art von Rüstungsgütern exportiert werden sollen, darüber ist in der Antwort nichts zu erfahren.
Nouripour, zugleich Grünen-Sprecher für Außenpolitik, sagte der taz, er glaube, „dass diese Information extra zurückgehalten wurde, um Sigmar Gabriel auf seinen letzten Metern als Außenminister zu schützen“. Es sei offenkundig dass „die Bundesregierung die Öffentlichkeit bewusst belogen“ habe. Die Arbeitszeit der neuen Regierung beginne so „mit einer gravierenden Lüge“.
Immer wieder wurde über deutsch-türkische „Deals“ im Zusammenhang mit der Freilassung von deutschen Staatsbürgern aus türkischer Haft spekuliert, so auch im Fall des Journalisten Deniz Yücel. „Ein Zusammenhang drängt sich auf“, sagte Nouripour dazu. Es sei jetzt an der Bundesregierung, alles auf den Tisch zu legen. „Ansonsten gibt es wenig Grund, ihrem Wort in dieser Angelegenheit noch zu glauben“, so Nouripour.
Rüstungsexporte trotz „Beachtung der Menschenrechte“
In seiner Antwort vom 13. März, die der taz vorliegt, schreibt Matthias Machnig (SPD), dass die Bundesregierung nach dem 20. Januar 2018, dem Beginn der türkischen Militäroperation, „unter dem Eindruck des türkischen Militäreinsatzes in Nordsyrien nur in Einzelfällen Genehmigungen für Ausfuhren erteilt“ habe. Die Genehmigungen stünden im Zusammenhang mit internationalen Rüstungskooperationen oder dienten der Nato-Bündnisverteidigung, so Machnig. Die Antwort endet mit dem Satz: „Der Beachtung der Menschenrechte wird bei Rüstungsexportentscheidungen ein besonderes Gewicht beigemessen.“
Angesichts der aktuellen Situation um Afrin verdient der letzte Satz Machnigs besondere Aufmerksamkeit. Denn die genehmigten deutschen Rüstungsexporte werden zu einem brisanten Zeitpunkt bekannt: Nach eigenen Angaben begannen die türkischen Streitkräfte bereits damit, die Stadt Afrin zu belagern, in der bisher auch Kriegsflüchtlinge aus anderen Teilen Syriens Schutz gefunden hatten. Befürchtet wird nun ein langwieriger und blutiger Häuserkampf, dem viele Zivilsten zum Opfer fallen könnten.
Ibrahim Kalın, Sprecher des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan, erklärte am Donnerstagmorgen im türkischen Staatsfernsehen TRT, dass bereits 70 Prozent des Gebietes von Afrin „gesichert“ sei. Er erwarte, dass „auch das Zentrum von Afrin in sehr kurzer Zeit von Terroristen gesäubert sein wird.“ Während die Türkei die kurdische PYD und ihre Verteidigungseinheiten YPG in Afrin als „Terrororganisation“ einstuft, verbündeten sich die USA mit den Kurden im Kampf gegen den sogenannten Islamischen Staat.
Anfragen in den vergangenen Monaten
Bereits vor Nouripours Anfrage forderten Bundestagsabgeordnete Auskunft über deutsche Rüstungsexporte in die Türkei. Zuletzt antwortete das Wirtschaftsministerium am 9. März auf eine schriftliche Frage der Grünen-Abgeordneten Agnieszka Brugger. Im Februar fragte Brugger nach Einzelgenehmigungen für Kriegswaffen und sonstige Rüstungsgüter sowie bereits ausgeführte Exporte in die Türkei seit dem ersten Januar 2018. Das Wirtschaftsministerium antwortete ihr, dass 34 Ausfuhrgenehmigungen im angegbenen Zeitraum erteilt wurden. Der Wert der genehmigten Exporte fand sich in der Antwort nicht.
Im Laufe des Donnerstags wird der Bundestag über das Vorgehen der Türkei in Syrien debattieren. Dem Bekanntwerden der genehmigten Rüstungsexporte dürfte in der Diskussion großes Gewicht zukommen.
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