Deutsche Politik nach Brand in Moria: Wir wollen das nicht schaffen
Deutschland nimmt 150 Minderjährige auf, 13.000 sind in Moria obdachlos. Dass sich Seehofer für diese „humanitäre Leistung“ feiert, macht fassungslos.
A ngela Merkel und Horst Seehofer waren im Flüchtlingsherbst 2015 Kontrahenten. Aber sie haben daraus die gleiche Schussfolgerung gezogen. Deutsche Grenzen sollen nie mehr offen für Flüchtlinge sein, wenn sich Europa nicht beteiligt. So lautet die neue Doktrin. Sie gilt – egal, wie viele im Mittelmeer ertrinken, egal, ob das Lager Moria niederbrennt, egal ob deutsche Großstädte anbieten, Flüchtlinge aufzunehmen.
Deutschland wird 150 Minderjährige aufnehmen, in Moria sind 13.000 obdachlos. Dass sich Horst Seehofer für diese „humanitäre Leistung“ feiert, macht fassungslos und wirft mal wieder die Frage auf, in welcher Welt der Innenminister lebt. Auch in der Union gibt es viele, die wissen, dass Deutschland ohne Risiko mehr tun kann, ja muss. Doch die neue Merkel-Seehofer-Doktrin heißt: Wir schaffen das nicht – und wollen es auch nicht.
Taktisch war Merkels Ansage, zusammen mit Frankreich und ein paar anderen Ländern 400 Minderjährige aus Moria aufzunehmen, sehr geschickt. Man zeigt, dass man etwa tut, signalisiert flüchtige Aufmerksamkeit, simuliert eine europäische Lösung und hält die Sache damit für erledigt. Moralisch ist das ein Offenbarungseid.
Seehofers Argument, dass eine weniger engherzige Politik eine gemeinsame europäische Asylpolitik verhindere – weil die anderen dann immer wüssten, dass die deutschen Grenzen ja offen seien – ist fadenscheinig. Die EU-Asylpolitik ist seit Jahren blockiert – und diese Blockade verhärtet sich nicht, wenn ein paar Tausend aus Moria nach Freiburg, Erfurt oder Berlin kämen. Und sie lockert sich nicht, wenn im Winter Tausende in Moria vor sich hin vegetieren.
Und nun? SPD-Chefin Saskia Esken fordert wegen Seehofers Moria-Politik einen Koalitionsausschuss. Das ist angemessen, hoffentlich bleibt Esken damit in der SPD nicht alleine. Denn realpolitisch kann nur die SPD noch zeitnah etwas erreichen. Ob das Engagement von Norbert Röttgen und anderen Christdemokraten für eine größere Lösung mehr als ein One-Hit-Wonder ist, wird man sehen.
Auf jeden Fall gilt es, weiter öffentlichen Druck auszuüben und – wie es Bundesländer, Städte und Kommunen tun – zu zeigen, dass man Flüchtlinge aufnehmen will. Denn die Republik ist, anders als Seehofer und Merkel, fähig zu Solidarität.
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