Deutsche Pleite in der Nations League: Doch noch nicht Weltmeister
Arg breitbrüstig ist der deutsche Tross ins Finalturnier der Nations League gegangen. Nach der Niederlage gegen Portugal ist nun Demut angesagt.
Man wolle sich mit einem Sieg in der Nations League Rückenwind holen auf dem Weg zum WM-Titel im nächsten Jahr. Das war die Botschaft, die Nagelsmann vor dem Spiel ausgesendet hat. Als Beispiel führte er Spanien an, das sich mit dem Nations-League-Titel 2023 Schwung für den Sieg bei der EM im Jahr darauf geholt hätte.
Da war sie wieder, die deutsche Fußballarroganz, die man doch eigentlich überwinden wollte, nachdem man als selbst ernannter Jäger des fünften Sterns für einen fünften WM-Titel 2018 zum Weltturnier nach Russland gefahren ist und nach der Vorrunde wieder nach Hause fahren musste. Nachdem man immer noch lautsprecherisch zur WM nach Katar 2022 gefahren ist und sich auch dort blamiert hat.
Gut, das war diese Heim-EM im vergangenen Jahr, bei der man gegen den späteren Turniersieger Spanien ein bravouröses Viertelfinale gespielt hat. Es war das beste und vielleicht einzig wirklich herausragende Spiel einer deutschen Fußballnationalmannschaft seit der WM 2018. An dem hat sich die Fußballnation und ein bisschen gewiss auch Julian Nagelsmann regelrecht berauscht. Und kaum einer spricht im Zusammenhang mit diesem Spiel von der Qualität der spanischen Mannschaft, die sie auch an diesem Abend in Stuttgart zeigte.
Die Sache mit dem Elfmeter
Stattdessen wird immer noch geweint, gemeckert und geschimpft über einen Elfmeter, der den Deutschen verwehrt worden sei. Wenn hierzulande vom spanischen Verteidiger Marc Cucurella die Rede ist, erinnert sich kaum einer an seine herausragenden Spiele bei der EM, seine offensive und defensive Arbeit die Linie entlang, an seine scharfen und präzisen Pässe, sondern einzig und allein an sein Handspiel in der Verlängerung des Spiels, das Schiedsrichter Anthony Taylor als nicht strafwürdig bewertet hat.
Die Moritat vom gestohlenen Sieg wurde angestimmt und nicht wenige auch im Team selbst scheinen seitdem der Meinung zu sein, dass man auf Augenhöhe mit den spanischen Europameistern agieren könne.
Als dann nach zwei verrückten Viertelfinalspielen gegen Italien, gegen deren Auswahl die DFB-Elf bei Turnieren normalerweise nicht gewinnt, der Einzug ins Final-Four-Turnier feststand, sahen sich die Deutschen endgültig zurückgekehrt in den Kreis der besten Fußballnationen der Welt. Das Turnier wurde nach Deutschland geholt und beinahe niemand sprach von der Möglichkeit, dass die Auswahl gegen Portugal im Halbfinale verlieren könnte. Die Nations League, die in den Jahren zuvor, in der die Deutschen keine Chance auf den Einzug in das Finalturnier hatten, als ungeliebter Zusatzwettbewerb selbst von den größten Fußballnerds nicht wirklich ernst genommen wurde, galt plötzlich als heißer Scheiß. Nagelsmann blies zur Jagd auf die Trophäe.
Ab zum Verliererfinale
Nun muss er zum Verliererfinale gegen Spanien oder Frankreich (nach Redaktionsschluss) nach Stuttgart und redet den Wettbewerb wieder so klein, wie er war, bevor die Deutschen das erste Mal das Final Four erreicht hatten. Ihm sei ein gutes Spiel wichtiger als der dritte Platz, sagte er nach der Pleite gegen Portugal. Die deutsche Nations-League-Blase ist geplatzt.
Und egal wie seine Spieler am Sonntag auftreten, eine Erkenntnis wird er aus dem miserablen Auftritt gegen Portugal mitnehmen, bei dem die zahlreichen Abspielfehler bei der Spieleröffnung die Zuschauer in München in beinahe andauerndes Entsetzen versetzt haben.
Die Deutschen mögen eine gute erste Elf haben. Wenn aber wie am Mittwoch Stammkräfte wie Brachialverteidiger Antonio Rüdiger, Zauberfüßler Jamal Musiala oder der Ballverarbeitungskünstler Kai Havertz fehlen, dann wird es schnell schwer. Das wird Nagelsmann gewiss ebenso festgestellt haben wie etwa die fehlende Reife des groß gewachsenen Nachwuchsstürmers Nick Woltemade, über den nach dem Pokalfinale seiner Stuttgarter gegen Arminia Bielefeld gesprochen wurde, als sei er eine Art Maradona mit preußischem Gardemaß.
Vielleicht sorgt ja der einmal mehr verstörende Auftritt der DFB-Auswahl bei einem Turnier dafür, dass Nagelsmann mit einer gesunden Portion Demut zur WM nach Nord- und Mittelamerika fährt. Verlassen sollte man sich darauf nicht.
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