piwik no script img

Deutsche Pleite in der Nations LeagueDoch noch nicht Weltmeister

Arg breitbrüstig ist der deutsche Tross ins Finalturnier der Nations League gegangen. Nach der Niederlage gegen Portugal ist nun Demut angesagt.

Der beste der Welt? DFB-Kapitän Joshua Kimmich auf dem Boden der Tatsachen Foto: DeFodi/imago

Berlin taz | Das war wohl eher nichts. Mit 1:2 hat die Männerauswahl des Deutschen Fußball-Bundes das Halbfinale der Uefa Nations League gegen Portugal verloren. Es war ein grauenhafter Auftritt. Und dass das Team von Trainer Julian Nagelsmann nun noch das Spiel um den dritten Platz in diesem merkwürdigen Wettbewerb bestreiten muss, darf man getrost als gerechte Strafe für den Hochmut bezeichnen, mit der die Mannschaft in das Final Four geschickt worden ist.

Man wolle sich mit einem Sieg in der Nations League Rückenwind holen auf dem Weg zum WM-Titel im nächsten Jahr. Das war die Botschaft, die Nagelsmann vor dem Spiel ausgesendet hat. Als Beispiel führte er Spanien an, das sich mit dem Nations-League-Titel 2023 Schwung für den Sieg bei der EM im Jahr darauf geholt hätte.

Da war sie wieder, die deutsche Fußballarroganz, die man doch eigentlich überwinden wollte, nachdem man als selbst ernannter Jäger des fünften Sterns für einen fünften WM-Titel 2018 zum Weltturnier nach Russland gefahren ist und nach der Vorrunde wieder nach Hause fahren musste. Nachdem man immer noch lautsprecherisch zur WM nach Katar 2022 gefahren ist und sich auch dort blamiert hat.

Gut, das war diese Heim-EM im vergangenen Jahr, bei der man gegen den späteren Turniersieger Spanien ein bravouröses Viertelfinale gespielt hat. Es war das beste und vielleicht einzig wirklich herausragende Spiel einer deutschen Fußballnationalmannschaft seit der WM 2018. An dem hat sich die Fußballnation und ein bisschen gewiss auch Julian Nagelsmann regelrecht berauscht. Und kaum einer spricht im Zusammenhang mit diesem Spiel von der Qualität der spanischen Mannschaft, die sie auch an diesem Abend in Stuttgart zeigte.

Die Sache mit dem Elfmeter

Stattdessen wird immer noch geweint, gemeckert und geschimpft über einen Elfmeter, der den Deutschen verwehrt worden sei. Wenn hierzulande vom spanischen Verteidiger Marc Cucurella die Rede ist, erinnert sich kaum einer an seine herausragenden Spiele bei der EM, seine offensive und defensive Arbeit die Linie entlang, an seine scharfen und präzisen Pässe, sondern einzig und allein an sein Handspiel in der Verlängerung des Spiels, das Schiedsrichter Anthony Taylor als nicht strafwürdig bewertet hat.

Die Moritat vom gestohlenen Sieg wurde angestimmt und nicht wenige auch im Team selbst scheinen seitdem der Meinung zu sein, dass man auf Augenhöhe mit den spanischen Europameistern agieren könne.

Als dann nach zwei verrückten Viertelfinalspielen gegen Italien, gegen deren Auswahl die DFB-Elf bei Turnieren normalerweise nicht gewinnt, der Einzug ins Final-Four-Turnier feststand, sahen sich die Deutschen endgültig zurückgekehrt in den Kreis der besten Fußballnationen der Welt. Das Turnier wurde nach Deutschland geholt und beinahe niemand sprach von der Möglichkeit, dass die Auswahl gegen Portugal im Halbfinale verlieren könnte. Die Nations League, die in den Jahren zuvor, in der die Deutschen keine Chance auf den Einzug in das Finalturnier hatten, als ungeliebter Zusatzwettbewerb selbst von den größten Fußballnerds nicht wirklich ernst genommen wurde, galt plötzlich als heißer Scheiß. Nagelsmann blies zur Jagd auf die Trophäe.

Ab zum Verliererfinale

Nun muss er zum Verliererfinale gegen Spanien oder Frankreich (nach Redaktionsschluss) nach Stuttgart und redet den Wettbewerb wieder so klein, wie er war, bevor die Deutschen das erste Mal das Final Four erreicht hatten. Ihm sei ein gutes Spiel wichtiger als der dritte Platz, sagte er nach der Pleite gegen Portugal. Die deutsche Nations-League-Blase ist geplatzt.

Und egal wie seine Spieler am Sonntag auftreten, eine Erkenntnis wird er aus dem miserablen Auftritt gegen Portugal mitnehmen, bei dem die zahlreichen Abspielfehler bei der Spieleröffnung die Zuschauer in München in beinahe andauerndes Entsetzen versetzt haben.

Die Deutschen mögen eine gute erste Elf haben. Wenn aber wie am Mittwoch Stammkräfte wie Brachialverteidiger Antonio Rüdiger, Zauberfüßler Jamal Musiala oder der Ballverarbeitungskünstler Kai Havertz fehlen, dann wird es schnell schwer. Das wird Nagelsmann gewiss ebenso festgestellt haben wie etwa die fehlende Reife des groß gewachsenen Nachwuchsstürmers Nick Woltemade, über den nach dem Pokalfinale seiner Stuttgarter gegen Arminia Bielefeld gesprochen wurde, als sei er eine Art Maradona mit preußischem Gardemaß.

Vielleicht sorgt ja der einmal mehr verstörende Auftritt der DFB-Auswahl bei einem Turnier dafür, dass Nagelsmann mit einer gesunden Portion Demut zur WM nach Nord- und Mittelamerika fährt. Verlassen sollte man sich darauf nicht.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

11 Kommentare

 / 
  • Da guckt man gefühlt zum ersten Mal nach 2014 wieder mal ein Spiel der Deutschen Nationalmannschaft und bekommt Fußball auf Kreisliganiveau geboten. Portugal hätte gut und gerne 5 oder 6 : 1 gewinnen können. Wie es wirklich gut geht zeigten Spanien und Frankreich einen Tag später. Ich kam gerade von einem vierwöchigen Berlinaufenthalt von meiner Liebsten zurück, war erschöpft und ein bißchen müder. Was tun zur Ablenkung, noch einmal ein Versuch Fußball. Um die 75. Minute stand es 5 : 1 und der Reporter meinte, er wüsste schon wer am Sonntag der Favorit wäre... Da war der Drops aber noch lange nicht gelutscht. Die Spanier lehnten sich siegessicher zurück und dann stand es mit Ach und Krach am Ende 5 : 4. Wenigstens ein gutes Spiel , wenn auch keine herausragende Mannschaft. Mein Favorit ist eher Portugal, wie die leichtfüßig den "Favoriten" Deutschland besiegt haben. Das war klasse. Am nächsten Tag war das gesamte Spiel klasse, beide Mannschaften hatten das Zeug zum Nationleague-Sieger. Was für eine blöde Veranstaltung! Die kann eigentlich weg. Aber manchmal macht das Zuschauen wenigstens Spaß!

  • Cucurella wurde gestern dann auch wieder fleissig ausgepfiffen, das scheint jetzt Teil der deutschen Staatsräson. Kleingeister allesamt -während beide Mannschaften zeigten, dass die deutsche Elf um Längen schlechter ist.

  • Die Herren könnten von den Ladys tatsächlich noch viel lernen.

    Teamwork oder mannschaftsdienlich wirken heisst nicht, zwei warten vorne, auf dass ihnen der Ball gereicht werde. Könnte sonst darauf hinauslaufen, dass die erzielten Tore in einer negativen Relation zu den kassierten enden. Was man dann wohl als Niederlage bezeichnet.

  • Es sind übrigens vor allem die Sportjournalisten, die die Mannschaft immer wieder hochschreiben. Und dabei immer wieder das Hauptmanko der Elf übersehen: ihre Langsamkeit nach vorne.

  • Demut ist keine deutsche Tugend. Schon gar nicht bei Fußballern.

  • Die Niederlage gegen Spanien bei der EM war im Viertelfinale.

  • Ich finde es nur schade für die jüngere Generation, dass es ihr zur Identifikation mit der (Männer-)Nationalmannschaft an Erfolgserlebnissen fehlt. Für uns Boomer war es noch eine Selbstverständlichkeit, dass die "Jungs" mind. bis in Halbfinale von WM oder EM kamen. Ausscheiden im Viertelfinale war schon halb "Weltuntergang".



    Für die jungen Menschen heute heißt es dagegen: "Opa, erzähl mal von WM!" Echt traurig. Da hätten die "Nagelsmänner" eine wirkliche Verantwortung wahrzunehmen.



    Zum Glück ist die Frauen-Mannschaft derzeit vor der EM ein Lichtblick...

    • @Vigoleis:

      Ich finde es schön für die jüngere Generation, dass sie zur Identifikation eine (Männer-)Nationalmannschaft nicht braucht.

      • @starsheep:

        Ich habe geschrieben "Identifikation mit...", nicht "zur". "Zur Identifikation" benötigen Sie ggf. ein gültiges Personaldokument. "Mit" der Mannschaft kann man/frau sich identifizieren, kann es auch lassen. Bissl Interesse für Fußball muss schon da sein. Jede_r, wie er/sie mag.

        • @Vigoleis:

          Dann habe ich das wohl mit „Infizieren" vewechselt. (Ich habe lange Fußball gespielt und schaue noch gelegentlich. Schiri war ich auch mal.) 😊⚽

  • Demut und Wehmut... Das ist die Wahrheit.:



    „und ich dachte wehmütig an vergangene Tage, als wir uns auf dem Dorfsportplatz mit Rote Grütze und Schokoküssen statt mit Cybermunition bewarfen. Ach, Saudaaadschi!."



    Pia Frankenberg - „Chodschi Grötschi"



    taz.de/Die-Wahrheit/!6088614/