Deutsche Landwirtschaft auf der COP21: Der unwillige Oberbauer
Landwirtschaft ist in Deutschland die zweitgrößte Quelle von Treibhausgasen. Agrarminister Schmidt kämpft dafür, dass sich daran nichts ändert.
Doch über Landwirtschaft als Klimasünder will Christian Schmidt in Paris nicht so gern reden. „Die Landwirtschaft darf nicht zum Sündenbock der Klimaschützer werden“, erklärte der CSU-Mann am Dienstag. Lieber sieht er sie „als Teil der Lösung der Klimaherausforderung“.
Und Schmidt betont, dass die Landwirtschaft bereits große Fortschritte gemacht habe: So sei der Ausstoß an Treibhausgasen seit dem Jahr 2000 um 23 Prozent gesunken, während die Produktion um 18 Prozent zunahm. Was der Minister lieber nicht erwähnt: In den letzten zehn Jahren sind die klimaschädlichen Emissionen der Landwirtschaft konstant geblieben, zuletzt war sogar wieder ein Anstieg zu verzeichnen.
Der Anwalt der Landwirte
Die größten Probleme sind Methan, das bei der Rinderhaltung entsteht, und Lachgas, das beim übermäßigen Düngen freigesetzt wird. Daneben wird viel Kohlendioxid freigesetzt, wenn Moore trockengelegt oder Grünlandflächen in Äcker umgewandelt werden.
Dass sich daran kurzfristig etwas ändert, ist nicht abzusehen. Schmidt sieht sich eher als Anwalt der Landwirte. Und die lehnen neue Vorschriften ab, die sie zu mehr Klimaschutz zwingen würden. So gibt es noch immer keine Einigung über eine neue Düngeverordnung, die das Ausbringen von Gülle und Kunstdünger beschränken soll, um Grundwasser und Klima gleichermaßen zu schützen.
Agrarminister Christian Schmidt
Die EU droht darum bereits mit einem Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland. Hier gebe es noch „Detaildiskussionen“, räumte Schmidt ein. Er hoffe aber, „noch in diesem Jahr“ einen Entwurf bei der EU einreichen zu können.
Anderes Futter für weniger Rinderpups
Zu einer besseren Klimabilanz beitragen würde auch eine deutliche Ausweitung des ökologischen Landbaus. Dieser verursacht wegen des Verzichts auf Kunstdünger und einer Limitierung von Gülle-Ausbringung weniger Emissionen. Doch auch davon hält Schmidt nicht viel. „Ohne effiziente Landwirtschaft kann die Welternährung nicht gesichert werden“, sagt der Landwirtschaftsminister. Auch eine Förderung der vegetarischen Ernährung, die weitaus klimafreundlicher ist, strebt Schmidt nicht an: „Fragen über die Form des Konsums stehen ganz am Ende.“
Lachgas: Distickstoffoxid (N2O) ist gut 300-mal so klimaschädlich wie Kohlendioxid (CO2). Ursache für Lachgasemissionen ist vor allem der stickstoffhaltige Kunstdünger, der bei Bewirtschaftung von Ackerflächen eingesetzt wird. Da der Stickstoff von den Ackerpflanzen nicht vollständig aufgenommen werden kann, gerät er in die Umwelt. Ein Teil des Stickstoff-Überschusses wird als Lachgas in die Atmosphäre freigesetzt. Über die Jahre ist der Stickstoffeinsatz in der Landwirtschaft massiv gestiegen. 1960 wurden 11 Millionen Tonnen Stickstoff auf die Felder verbracht, 2014 waren es 112 Millionen Tonnen.
Methan: Das farb- und geruchlose Gas wirkt rund 25-mal schädlicher auf die Atmosphäre als CO2. Ursache für den größten Teil des Methanausstoßes ist die Massentierhaltung in der Landwirtschaft. Wiederkäuer wie Rinder, Schafe und Ziegen produzieren bei der Verdauung in ihren Mägen große Mengen Methan. Das Treibhausgas wird auch in vielen nichtfließenden Gewässern frei. So ist der Nassreisanbau in Asien eine der Ursachen für die hohen Methanemmissionen. Über die Hälfte des Ausstoßes ist von Menschenhand gemacht. Das Gas entsteht auch auf Mülldeponien und bei der Verbrennung von Biomasse.
Statt auf konkrete Veränderungen in Deutschland setzt der Minister lieber auf verstärkte Forschung. So solle geklärt werden, wie veränderte Fütterung die Emissionen von Tieren vermindern könne und wie mehr Kohlenstoff im Boden gebunden werden kann. Dabei denkt Schmidt vor allem an andere Weltregionen. Notwendig seien „relativ einfache Lösungen“, die sich „gerade in Afrika“ realisieren lassen. Schon jetzt unterstützt Deutschland Initiativen, die Palmöl und Kakao klimafreundlich produzieren.
Im Bundesumweltministerium, das mit dem Agrarressort in vielen Fragen, wie etwa der Düngeverordnung oder dem Waldschutz, über Kreuz liegt, wird der Besuch des Landwirtschaftsministers in Paris dennoch begrüßt. „Ich freue mich, dass er hier ist“, sagte der deutsche Verhandlungsführer Karsten Sach am Dienstag. Seine Kritik verpackt er diplomatisch: „In einigen Bereichen wird die Diskussion noch nicht so intensiv geführt wie im Energiebereich“, so Sach. Es sei gut, wenn auch diese sich nun beteiligten.
Wir brauchen mehr Wald
Auf der Klimakonferenz in Paris spielt Wald- und Forstwirtschaft eine wichtige Rolle. Weltweit gehören die Ausweitung landwirtschaftlicher Produktion auf bisher ungenutzte Flächen sowie die Abholzung von Wäldern zu den größten Quellen von Treibhausgasen. Umgekehrt kann durch Aufforstung viel Kohlendioxid aus der Atmosphäre gebunden und der Klimawandel gebremst werden. Mit Waldschutz ließe sich nach UN-Schätzungen weltweit etwa ein Drittel der notwendigen Treibhausgas-Reduzierung erreichen.
Der Erde droht der Hitzekollaps. Deshalb wollen die Staatschefs der Welt Anfang Dezember in Paris einen globalen Klimaschutz-Vertrag vereinbaren. Die taz berichtete vom 28. November bis zum 14. Dezember 2015 täglich auf vier Seiten in der Zeitung und hier auf taz.de.
Auch der britische Thronfolger Prinz Charles hat daher in Paris für einen besseren Schutz der Wälder geworben. „Da all der Horror einer selbst nur zwei Grad wärmeren Welt wehtun wird, werden wir viel mehr Wald brauchen“, sagte er am Dienstag. Ein leichter Rückgang der Abforstungsrate reiche dazu nicht aus. Seit 1950 habe die Welt mehr als 500 Millionen Hektar Regenwald verloren, betonte der Prince of Wales.
Um diese Entwicklung aufzuhalten, hat Deutschland am Montag zusammen mit Norwegen und Großbritannien angekündigt, die Finanzmittel zum Schutz und Wiederaufbau von Tropenwäldern deutlich zu erhöhen. Im Zeitraum von 2015 bis 2020 wollen die Staaten insgesamt 5 Milliarden Dollar dafür einsetzen; auf Deutschland entfallen 1,1 Milliarden Dollar.
Geld sucht Projekte
Eine erste konkrete Vereinbarung mit einem Volumen von bis zu 100 Millionen Dollar unterzeichneten Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) und Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) am Montag mit Kolumbien. Für jede Tonne CO2, die durch Waldschutz nachweislich vermieden wird, bekommt das Land 5 Dollar. „Um einen gefährlichen Klimawandel zu vermeiden, müssen wir den globalen Waldverlust stoppen.“
Ob die zugesagten Gelder zusätzlich zu den jährlichen 500 Millionen Euro ausgezahlt werden, zu denen sich Deutschland im Rahmen der Biodiversitätsförderung verpflichtet hat, ist offen. Zwar fehlt es nicht an Geld, doch gibt es kaum Staaten, die es im Gegenzug für konkrete Waldschutzzusagen annehmen wollen. „Wir haben den Spielraum“, sagte Ingrid Hoven, Abteilungsleiterin im Bundesentwicklungsministerium. „Wir müssen aber sehen, ob genug Länder mitziehen.“
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