Deutsche Autolobby: Trumps Trittbrettfahrer
Die US-Regierung leugnet den Klimawandel. Offiziell finden deutsche Autokonzerne die Sache schlimm, nutzen sie aber aus.
Nur einen Tag nach Trumps Wahlsieg schrieb die Alliance of Automobile Manufacturers (AAM), der Lobbyverband der amerikanischen Autobauer, einen achtseitigen Brief an den neuen mächtigsten Mann der Welt: Man empfehle dem Weißen Haus, gemeinsam einen Weg in Sachen CO2-Standards für 2022 und danach zu finden. Übersetzt war das ein direkter Angriff auf einen Grundpfeiler des Klimaschutzprogramms von Barack Obama.
Dessen Regierung hatte kurz vor der Wahl noch Regeln festgelegt, nach denen Neuwagen in den USA spätestens ab 2025 im Schnitt nur noch 4,3 Liter auf 100 Kilometer hätten verbrauchen dürfen. Das Drängen der Autobauer wirkte: Trumps neues Team begann sofort mit einer Revision der Regeln zur Eindämmung von Amerikas Benzinhunger.
Massive Lobbyarbeit, auch aus Deutschland
In dieser Woche nun gab die US-Umweltbehörde EPA bekannt, man werde die Obama-Pläne komplett kassieren und neue, „angemessene“ Regelungen erarbeiten. Was auf den ersten Blick aussieht wie ein klimafeindlicher Alleingang der US-Regierung, ist in Wahrheit Ergebnis massiver Lobbyarbeit auch deutscher Autokonzerne.
BMW, VW und Daimler finanzieren als Mitglieder nicht nur die Attacken der AAM auf den Klimaschutz mit – die Konzernchefs sprachen offenbar selbst in Washington vor.
Das geht aus dem öffentlich einsehbaren Terminkalender von Scott Pruitt hervor, dem EPA-Chef, unter dessen Ägide die Umweltbehörde von einer Vorkämpferin für Klimaschutz zum Gegenteil mutierte. Am 27. April 2017 um 11.45 Uhr empfing Pruitt demnach unter anderem die „CEOs“, also die Vorstandsvorsitzenden, von „VW, Mercedes Benz, BMW“. Thema des Treffens: „EPA-Angelegenheiten, die die Autoindustrie betreffen“. Pruitt ging nach dem Treffen zum Mittagessen und traf sich anschließend mit Trumps Kabinett, um den Rückzug der USA aus dem internationalen Klimaschutzabkommen von Paris zu besprechen.
Daimer-Chef Dieter Zetsche
Was genau Pruitt mit den Autobauern besprochen hat, ist nicht bekannt, ebenso wenig das Thema eines Treffens zwischen BMW-Chef Harald Kruger mit Pruitt und US-Vizepräsident Mike Pence am 14. März 2017. Die Konzerne äußerten sich auf Anfrage nicht zu ihren Lobbyaktivitäten in den USA. Aber die Position der Konzerne lässt sich auch aus den Datenbanken der EPA rekonstruieren, in denen sie die US-amerikanische NGO InfluenceMap gefunden hat.
Brüssel wollte noch strenger regeln
Ein Argument findet sich dabei wiederholt: Die Technik, um Benzin- oder Dieselfahrzeuge sparsamer zu machen, sei quasi ausgereizt. Soll der Verbrauch im Schnitt sinken, müssten deshalb wesentlich mehr Elektroautos auf die Straße. Daimler schreibt etwa, die 2025-Standards seien nur einzuhalten, wenn bis dahin ein Viertel ihrer neu verkauften Wagen reine Batteriefahrzeuge seien. Das aber halten die Autobauer für utopisch: Der Markt springe zu langsam an, der Benzinpreis sei so niedrig, Elektroautos seien deshalb Ladenhüter, es fehle an Ladesäulen. Kritiker sehen das Problem hingegen eher im bisher dürftigen E-Auto-Angebot der deutschen Hersteller. Und dafür lieferte Daimer-Chef Dieter Zetsche am Donnerstag eine erstaunlich offene Erklärung: „Mehr Elektroautos sind gut für die CO2-Bilanz. Aber nicht so gut für unsere Konzernbilanz – jedenfalls vorübergehend“, sagte er bei der Hauptversammlung in Berlin.
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Den Deutschen Autobauern geht es – bisher – lediglich darum, die neuen Regeln aufzuweichen. BMW schreibt denn auch als Antwort auf Trump, man stehe zum Klimaschutzabkommen von Paris. Wirklich? Der von BMW, Daimler und VW mitfinanzierte US-Autolobbyverband driftet mittlerweile in das Lager der Klimawandelleugner ab. Kürzlich stellte der AAM ein Papier zusammen, das die Erkenntnisse der Klimawissenschaft insgesamt infrage stellt. „Autobauer steuern in Richtung Klimaleugner“, schreibt die Vereinigung besorgter Wissenschaftler in den USA.
Noch wichtiger als die Aufweichung der Grenzwerte in den USA selbst dürfte für Daimler, BMW und VW die Auswirkung sein, die sie sich davon für Europa erhoffen. In Brüssel wird derzeit über neue CO2-Grenzwerte verhandelt, die ab 2025 und 2030 gelten sollen. Und dabei steht für die Industrie viel auf dem Spiel.
Nach dem Vorschlag der EU-Kommission soll der CO2-Ausstoß, der bis 2021 auf 95 Gramm pro Kilometer sinken muss, bis 2025 noch einmal um 15 Prozent und bis 2030 um 30 Prozent sinken. Diese Vorgaben waren bei der deutschen Autoindustrie auf scharfe Kritik gestoßen. „Vor allem das verbindliche Zwischenziel für 2025 überspannt den Bogen“, erklärt der Verband der Automobilindustrie (VDA).
Autolobby könnte EU-Ziele verwässern
Dabei hat die Lobby die ursprünglichen Pläne in Brüssel schon erfolgreich entschärft. Das EU-Parlament hatte eine stärkere Senkung der Werte gefordert, die Kommission ursprünglich eine verbindliche Quote für Elektroautos geplant. Beides wurde – auch mit Unterstützung des damaligen SPD-Wirtschaftsministers Sigmar Gabriel – verhindert. Stattdessen werden Konzerne, die viele Elektroautos verkaufen, nun dadurch belohnt, dass ihre übrigen Fahrzeuge mehr CO2 ausstoßen dürfen.
Doch diese bisherigen Erfolge langen den Autokonzernen nicht. Sie wollen die noch ausstehenden Beratungen im Ministerrat und im EU-Parlament nutzen, um die Grenzwerte weiter aufzuweichen – oder, in den Worten des VDA, „die Vorschläge der Kommission im Sinne eines ganzheitlicheren Ansatzes und der Innovationsförderung zu verbessern“. Dabei kommt die aktuelle Entscheidung aus den USA gerade recht.
Jo Leinen, SPD-Umweltexperte
„Ich befürchte, dass die Autolobby das als Chance sieht, auch die EU-Ziele weiter verwässern zu können“, sagt Jens Hilgenberg, Verkehrsreferent beim Umweltverband BUND. Offiziell zitieren lassen sich die Hersteller mit solchen Forderungen noch nicht – allzu offensichtlich will sich wohl niemand als Trittbrettfahrer von Trump präsentieren. Doch abseits der Mikrofone wird bereits argumentiert, dass die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Hersteller sinken würde, wenn auf ihrem Heimatmarkt deutlich strengere Standards herrschen als anderswo. „Unser Kontinent darf sich nicht zu weit von anderen Regionen der Welt entfernen“, warnte der VDA schon vor der US-Entscheidung.
Am Ende bleibt China Maßstab
Der Verband argumentiert, dass in Europa mit der 95-Gramm-Vorgabe für 2021 schon jetzt die niedrigsten Grenzwerte gelten. In Japan seien 105 Gramm erlaubt, in China 117 und in den USA sogar 121. Der Vergleich ist allerdings schwierig. Zum einen unterscheiden sich die Testverfahren, zum anderen ist das Verhältnis von kleinen zu großen Fahrzeugen verschieden. „Ein Vergleich hat nur Sinn, wenn er die realen Emissionen auf der Straße berücksichtigt“, meint Greg Archer von Transport & Environment in Brüssel.
Und dabei sieht Europa vergleichsweise schlecht aus: Die Abweichung zwischen der Emission im Labor, wo die offiziellen Werte entstehen, und der auf der Straße ist hier laut dem als Aufdecker des VW-Skandals bekannten International Council of Clean Transportation (ICCT) besonders stark gestiegen – auf mittlerweile rund 42 Prozent.
Dass der Versuch der Branche, auch die EU-Grenzwerte aufzuweichen, am Ende erfolgreich ist, ist noch aus einem anderen Grund fraglich: Zum einen sind ohne einen deutlichen Rückgang der CO2-Emissionen auf der Straße weder die europäischen noch die deutschen Klimaziele zu erreichen – vielmehr müssten die Vorgaben zum Spritsparen dafür sogar noch verschärft werden. Zum anderen sind die USA nach Ansicht vieler Experten ohnehin nicht der entscheidendes Maßstab für die Autobranche. China sei viel wichtiger, meint etwa Peter Mock vom ICCT. „Die schärferen Stickoxidgrenzwerte und die festen Quoten für Elektroautos, die China eingeführt hat, zeigen, wohin die Reise geht.“
Jo Leinen, langjähriger SPD-Umweltexperte im Europaparlament, sagt: „Ich empfehle den deutschen Autobauern, sich an den besten Standards in Asien und nicht an den schlechtesten Standards in den USA zu orientieren.“ Vor allem in China entscheide sich der technologische Wettlauf um die Autos der Zukunft, glaubt er. Und die seien sparsam und elektrisch.
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